... er hat viel zu tun, denn Haien sind extrem gefährdet.
Supertiere unter Wasser
Alle 500 verschiedenen Haiarten sind mittlerweile stark vom Aussterben bedroht. Das liegt an uns Menschen: Die Knorpeltiere werden systematisch für ihre Flossen, aber auch für ihr Fleisch gejagt und getötet. Hinzu kommt ein negatives Image als blutrünstige Bestie durch Kinofilme wie „Der weiße Hai“. Dabei sind die geschickten Jäger für unseren Planeten und seine Meereswelt so wichtig.
Seit mehr als 400 Millionen Jahren leben Haie in allen Ozeanen dieser Welt und sorgen Tag für Tag dafür, dass das Ökosystem Meer im Gleichgewicht bleibt. Sie sind quasi die „Gesundheitspolizei“: Sie halten die Meere rein, denn sie essen kranke, alte und auch tote Meerestiere. Um diese fangen und zerkleinern zu können, haben sie ein besonderes Gebiss mit mehreren Zahnreihen. Fallen einige Zähne aus, rücken die anderen Reihen nach. Im Laufe eines Lebens benutzen sie so rund 30.000 Zähne. Im Laufe der Jahrmillionen haben sie sich hervorragend an ihre Umgebung angepasst. Übrigens: Ihre Haut besteht aus dem gleichen Material wie ihr Gebiss. Also nicht aus normalen Schuppen, sondern aus kleinen Hautzähnen. Doch obwohl sie so gut auf ihre Umgebung eingestellt sind, geht es ihnen schlecht: Pro Jahr werden 200 Millionen Haie getötet – etwa die Hälfte davon fällt dem sogenannten Shark Finning zum Opfer, dem Abtrennen der Flossen zur Herstellung der in Asien beliebten Haifischflossensuppe.
"Haie sind die Gesundheitspolizei der Meere"
Fragwürdige Delikatesse
Europa steckt dabei mitten drin in diesem blutigen Geschäft. Von dort werden 3.500 Tonnen Flossen jedes Jahr nach Asien exportiert. Für die Haie bedeutet das Abschneiden ihrer Flossen bei lebendigem Leib den sicheren Tod. Das alles geschieht fast lautlos – Haie können eben nicht schreien. Ohne Flossen ist er jedoch nicht mehr in der Lage zu schwimmen und sinkt zu Boden und stirbt durch ein qualvolles langsames Ersticken.
Aus diesem Grund hat Fontes das Ziel, ein Schutzgebiet für Haie vor den Azoren einzurichten. „Der Blauhai ist die am meisten vorkommenden Haiart auf der Welt, aber zugleich auch die am intensivsten gefischte“, erklärt der Meeresforscher. „Auch hier vor den Azoren haben wir eine große Industriefischerei, die zwar den Blauhai nicht vorrangig fängt, weil er nicht zu den Fischen gehört, die auf den Teller kommen“, sagt er. Allerdings werde er zu Tausenden als Beifang gefischt – und das mache der Population extrem zu schaffen. 60 Prozent aller Hochseehaie im Nordatlantik seien bereits verschwunden. Dazu gehören Hammerhaie und Makohaie – und eben auch der Blauhai. Ein Schutzgebiet einzurichten, in dem Haie nicht gejagt werden, wäre eine Möglichkeit, die Populationen zu stabilisieren.
Schutzzonen und Sender
Wo das Schutzgebiet am meisten Sinn macht, erforscht der 44-Jährige mit seinem Team. „Vor vier Jahren haben wir begonnen, Haie mit Transpondern auszustatten“, erklärt er. Die kleinen Hightech- Geräte erfassen neben der GPS-Position die Tiefe und die Geschwindigkeit der Tiere sowie die Wassertemperatur. „Die Tauchprofile der Haie sind für uns sehr wichtig“, erklärt Fontes. „Wir wollen wissen, wie tief sie tauchen, um Nahrung zu finden, welche Entfernungen sie zurücklegen und wo sie sich vermehrt aufhalten.“ Frank Wirth, Inhaber des Tauchcenters Pico Sport finanziert die Hai-Sender gemeinsam mit der Stiftung „ProWIN pro nature“. Der Transponder und ein orangefarbener Schwimmer sind an einer Drahtschlinge befestigt, die man dem Hai bei einem Tauchgang vor die Nase hält. Da Haie sich nur vorwärts fortbewegen können, schwimmen sie in die Schlinge hinein, die dann am Körper hängen bleibt. Der Hai schwimmt dann einfach mit dem Multisensor weiter. Am nächsten Tag ist es so weit: Der Skipper beginnt auf dem schaukelnden Boot zu „chummen“, das heißt Haie mit Fischstückchen anzufüttern. Diese werden von der Strömung erfasst und bilden nach einiger Zeit eine für Haie sehr verlockende Spur.
„Meeres schutz heißt Menschenschutz “
Der Verein „ElasmOcean“ verbindet Wissen und Lehre: Er klärt auf, wie das Ökosystem Meer funktioniert, und wie und warum wir es schützen müssen.
EHfT: Was leistet ElasmOcean e.V. ?
Friederike Kremer-Obrock: Die Menschheit weiß mehr über die Rückseite des Mondes als über die Meere der Erde. Mehr als zwei Drittel des Planeten sind von Wasser bedeckt. Alles hängt in diesem fragilen Ökosystem zusammen. Das ist vielen Menschen nicht bewusst. Die Sprache der Forscher ist oft zu kompliziert. Hier setzen wir an und „übersetzen“ Wissenschaft.
EHfT: Weshalb ist der Schutz von Haien so enorm wichtig?
Friederike Kremer-Obrock: Haie stellen eine Schlüsselspezies im Ökosystem dar. Nimmt man diese aus dem System heraus, dann bricht es zusammen. Hinzu kommt: Haie werden sehr spät geschlechtsreif und bekommen nur wenige Nachkommen, haben also eine sehr langsame Reproduktionsrate.
EHfT: Was müsste also getan werden?
Friederike Kremer-Obrock: Ein Verbot der industriellen Langleinen-Fischerei ist längst überfällig, damit Haie eine Chance haben. Stattdessen wird aber diese nicht nachhaltige Fischerei-Methode weiterhin von der EU subventioniert. Wir fordern 30 Prozent weltweite Schutzgebiete bis 2030 als sogenannte „No-Take“-Zonen. Nicht-nachhaltige, industrielle Fischereimethoden, sowohl an der Oberfläche als auch in der Tiefsee, lehnen wir ab. Generell muss eine sehr starke Quotierung und gegebenenfalls Stilllegung der industriellen Fischereiflotten zugunsten kleiner lokaler Fischereien stattfinden. Zudem müssen internationale Schutzabkommen verlässlich bindend umgesetzt werden. Die Praxis des „Finnings“, das Abtrennen der Flossen am lebendigen Hai, muss weltweit beendet werden.
EHfT: Wie versuchen Sie, diese Ziele zu erreichen?
Friederike Kremer-Obrock: Der Name unseres Vereins steht für (E)Motion und Ocean. Die vier Themenschwertpunkte Artenschutz, Meeresverschmutzung, Klimawandel und Bildung bilden die Säulen unserer Arbeit. ElasmOcean veranstaltet Vorträge und Schulungen für alle – vom Kindergarten bis zum Abiturkurs, von privaten Veranstaltungen bis zu großen Messen – wir klären auf, wie das Ökosystem Meer funktioniert, und wie und warum wir es schützen müssen. Jeder kann etwas für unser aller Zukunft tun! Weitere Infos gibt es unter www.elasmocean.org
"Seeaal, Schillerlocke und Restaurants mit Haifleisch meiden"
Ein Lasso wie im Wilden Westen
„Da ... ein Blauhai!“, ruft Fontes in die Runde. Tatsächlich – eine Rückenflosse durchschneidet schon nach wenigen Minuten die Wasseroberfläche, das Tier kommt näher. Das ist der Moment, wo Fontes im Schnorchel-Outfit samt Transponder ins Wasser gleitet. Eine Weile schwimmt er parallel zum Hai und wartet auf den passenden Moment. Dann taucht er ab, breitet die Schlinge wie ein Lasso unter Wasser aus – der Hai schwimmt mit dem Kopf hinein und zieht die Metallschlinge samt Transponder mit sich. Ein erfolgreicher Tag! Mehr als 100 Blauhaie haben Fontes und sein Team bereits mit dem Multisensor ausgestattet und dabei besondere Verhaltensweisen der Tiere feststellen können: Blauhaie können enorme Distanzen zurücklegen und sind im gesamten Atlantik zu Hause. Ein Weibchen schwamm sogar 28.139 Kilometer weit. „Wir haben außerdem herausgefunden, dass der Nordostatlantik, zu dem auch die Azoren gehören, ein wichtiger Brutplatz für Blauhaie ist“, sagt der 44-Jährige. „Bis die Tiere zwei Jahre alt sind, bleiben sie auch hier.“ Die jungen Weibchen pendeln dann jahreszeitenabhängig zwischen dem Ort ihrer Geburt und nördlichen Gewässern, während es die männlichen Blauhaie in den Norden zieht. „Wir haben durch die Daten der Transponder auch herausgefunden, dass die Blauhaie immer wieder zu ihrem Geburtsort zurückkehren – zur Paarung und um ihre Jungen hier zur Welt zu bringen“, fügt er hinzu. Das ist auch der Grund, warum er sich so vehement dafür einsetzt, dass das Gebiet rund um die Azoren zum Schutzgebiet ausgebaut wird.
Besserer Schutz durch Kooperation
Wichtig sei nach Ansicht des Wissenschaftlers die Zusammenarbeit zwischen kommerzieller Fischerei, Forschung und Tourismus. Ein Informationsaustausch über die Populationen und deren Verhaltensweisen sei vorrangig. „Dann wird für alle Parteien deutlich, welche große Bedeutung der Erhalt und Schutz dieser Tiere hat. Ein toter Hai hat kaum einen Wert – auch nicht für die Fischereiindustrie“, erklärt Fontes. „Ein lebender Hai ist nicht nur für das Gleichgewicht des Meeres bedeutend, sondern auch für den nachhaltigen Tourismus auf den Azoren. Deshalb arbeiten wir mit den Tauchschulen zusammen.“ Und jeder kann etwas zum Schutz der Haie tun: Restaurants meiden, in denen Haifleisch angeboten wird, sowie auf Spezialitäten wie Seeaal oder Schillerlocke verzichten. Dahinter verbirgt sich der Bauchlappen des Dornhais. Wer möchte, kann sich an der Initiative für ein Ende des Handels mit Haiflossen in Europa beteiligen. Mehr Infos: www.stop-finning.org