Herr Stöferle, im Mai kam Ihr neuer Goldreport heraus. Zinsen sind ja Ihr Lieblingsthema. Wie sieht es dieses Jahr aus?
Die Gemengelage bei Gold ist spannend. Viele waren enttäuscht, dass sich der Goldpreis nicht fulminanter entwickelt hat. Dennoch gab es im letzten Jahr auf Dollarbasis ein Plus von 13 Prozent, auf Eurobasis ein zartes Minus von 1 Prozent. Es ist erfreulich, dass sich der Goldpreis trotz massiven Gegenwindes sehr schön entwickelt. Mit Gegenwind meine ich, dass einerseits die Aktienmärkte nach wie vor auf Rallyekurs sind, wenngleich es in den letzten Wochen schon erste Warnschüsse gab. Die Immobilienmärkte laufen nach wie vor sehr gut. Wir sehen, dass die Zinserwartungen steigen und die amerikanische Notenbank ihre Bilanz zurückfährt, also Quantitative Tightening und damit die Rückführung des Quantitative Easing, betreibt. Diesen Faktor, der massive Auswirkung auf die Asset-Märkte hat, beschreiben wir auch ausführlich im Goldreport. Daneben beobachten wir, dass das Vertrauen in die Politik und die Notenbanken wieder zurückkehrt. Also insofern ist das kein sehr positives Umfeld für den Goldpreis. Nichtsdestotrotz befindet sich Gold seit 2016 in einem zarten Aufwärtstrend. Wenn sich der Gegenwind in Rückenwind wandelt, sprich, wenn Rezessionssorgen aufkommen, die Wall an den Aktienmärkten nachhaltig ansteigt, wenn die Federal Reserve Bank früher oder später eine Kehrtwende macht, dann schlägt die Stunde für den Goldpreis und er nimmt Momentum auf.
»Wir befinden uns ganz klar in der Nullzinsfalle.«
Welches Thema ist im zweiten Halbjahr für die Privatanleger besonders wichtig?
Finanzielle Repression ist nach wie vor ein ganz wesentlicher Punkt. Auch wenn die große Zinswende oft proklamiert wird, sehe ich sie nicht kommen, weil das erreichte Schuldenniveau höhere Zinsen einfach nicht zulässt. Wir befinden uns ganz klar in der Nullzinsfalle. Das Thema Kryptowährungen bleibt sehr spannend, laut dem quartalsweise von meinem Kollegen verfassten Report. Man sollte meinen, Kryptowährungen und Gold seien Widersacher. Ich sehe sie eher als natürliche Konkurrenz und sehr positiv. Es gibt mittlerweile zahlreiche Applikationen, in denen Gold mit der Blockchain kombiniert wird. Da gibt es sehr spannende Projekte, die vielleicht auch der jüngeren Generation den Goldkauf schmackhafter machen wird. Auf der anderen Seite wird die Volatilität an den Aktienmärkten weiter steigen und damit die Sorglosigkeit, die wir an den Finanzmärkten beobachten, dem Ende zuführen. Es wird turbulenter werden, aber wie heißt es: „Ohne Vola keine Kola“-insofern lässt sich die Volatilität auch als Chance sehen.
Vola ist wohl auch der zweite Vorname der Kryptowährungen. Haben
»Ohne Vola keine Kola«insofern lässt sich die Volatilität auch als Chance sehen.
Sie sich als Analyst da schon Erwartungen?
Kryptowährungen sind ein unglaublich emotional aufgeladenes Thema. Bei Gold gibt es die Goldfans, die Goldbugs und die Goldhasser. Bei Krypto ist es noch extremer. Speziell die, die nicht dabei gewesen sind, hassen Kryptowährungen, aber ich sehe das im Sinne von Friedrich August von Heyek, der zu konkurrierenden Währungen geschrieben hat. Ich glaube, der Markt wird sich früher oder später entscheiden ob er Bitcoin mehr traut als beispielsweise Fiatwährungen wie dem Dollar oder Euro. Letztes Jahr war das Jahr, in dem die Regulatoren, die Politiker, die Notenbanker, erstmals mitbekommen haben, dass das eine ernsthafte Konkurrenz für das etablierte Geldsystem ist. Insofern wundern mich auch die zahlreichen Verbote und Regulierungen nicht unbedingt. Die im Moment stattfindende schöpferische Zerstörung wird weitergehen. Viele der Kryptowährungen, die auf den Markt geschwemmt wurden, sind in den nächsten Jahren wertlos. Aber einige werden da herausstechen und interessante Investmentmöglichkeiten bieten. Dort ist unser Job zu analysieren, wo es sich lohnt, zu investieren.
Vielen Dank Herr Stöferle
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Bild: Stöferle, WTV