... Bewertung heruntergestuft. Derartige Spielerstatistiken aus GT Sport lassen sich auf GT7 übertragen, sodass Hobbyrennfahrer ihr Ansehen behalten. Wer von Onlinerennen nichts wissen möchte und sich für die Disc-Version von GT7 entschieden hat, um diese ohne Onlineanbindung zu zocken, der dürfte nach der Installation des Spiels allerdings etwas verwundert die Augen reiben: Um Cheatern keine Möglichkeit zu geben, die Daten zu manipulieren, ist GT7 genau wie GT Sport nur per aktiver Internetverbindung vollständig spielbar. Das ist in Zeiten von günstigen Internetverträgen oftmals keine Hürde, doch können Serverarbeiten seitens Sony dafür sorgen, dass GT7 im Ausnahmefall einmal nicht zur eigenen Wunschzeit im vollen Umfang gespielt werden kann. Und auch die aktuelle politische Weltlage zieht Konsequenzen nach sich, beispielsweise wenn sich Sony dazu entscheidet, die GT-Server für bestimmte Regionen zeitweise zu deaktivieren – dann bleibt der Zugang zu den meisten Inhalten der Spieledisc verwehrt und es können nur rudimentäre Funktionen genutzt werden.
Gemütlich fachsimpeln
Dreh-und Angelpunkt des Spiels ist diesmal das Gran Turismo Café. Hier werden per Menükarte Aufgaben verteilt, beispielsweise indem drei spezielle Rennen gewonnen und vorgegebene Fahrzeuge freigeschaltet werden sollen.
Haben Sie die Rennen gemeistert und kehren ins Café zurück, erhalten Sie zusätzliche Informationen zu den Fahrzeugen und Herstellern. Um zwischen den unterschiedlichen Rennen, der Werkstatt, den Händlern und den bereits genannten Spielmodi zu wechseln, navigieren Sie über eine verspielt gestaltete Karte. Diese erweckt grafisch den Eindruck eines iPad-Minispiels und auch die statischen Fotos und Texteinblendungen der handelnden Personen erscheinen im Vergleich zum restlichen Spiel etwas deplatziert. Zudem ist der Einstieg ins Spiel zäh: Zunächst haben Sie kaum Möglichkeiten, Rennen und Turniere nach eigenem
Interesse zu starten und selbst der Zweispielermodus muss zunächst durch das Erledigen von Aufgaben freigeschaltet werden. Weniger „Café“ und mehr Rennsport wäre wünschenswert gewesen, denn auf diese Weise schwelgt Gran Turismo ausladend in den eigenen Automobil- Geschichtsbüchern und schläfert Racing-Fans dabei regelrecht ein. Die gute Nachricht für PS5-Besitzer: Die Ladezeiten bis zum Rennstart sind dank SSD-Power ultrakurz, sodass sich Rennen schneller denn je starten lassen, sobald diese auf der Karte verfügbar sind.
Fahrschule bis Grand Prix
Motivierend sind bereits die Lektionen, in denen kurze Streckenabschnitte in Bestzeit gemeistert werden wollen, um im Idealfall eine Goldauszeichnung zu erhalten. Ob Beschleunigung, Bremsvorgänge, Kurvenfahrten oder ein ganzes Rennen: Wer die Fahrziele in Bestzeit meistert, darf sich auf neue Fahrzeuge freuen.
Fahrzeuge lassen sich generell über Credits freischalten, die sich optional auch per Echtgeld im PSN-Store erwerben lassen. Doch keine Bange: Mit fahrerischem Können und Ausdauer dürfen
die knapp 400 Automobile ganz traditionell ohne Echtgeldeinsatz freigeschaltet werden. Trotz dieser vergleichsweise üppigen Fahrzeug-Anzahl: Versierte Rennfahrer werden binnen 15 Stunden die meisten Aktivitäten abgeschlossen haben, sodass der Online-Rennmodus vergleichbar zu GT Sport auf lange Sicht das tragende Element von GT7 bleiben dürfte.
Sammelleidenschaft
Gran Turismo 7 ist ein umfangreicher Marketing-Katalog für Automobil-Hersteller und Fans dieser Marken gleichermaßen, sodass sich viel Zeit mit Hintergrundvideos und geschichtlichen Details totschlagen lässt. Neue Fahrzeuge zu erspielen und diese gemäß den Leistungsanforderungen der Rennen zu tunen, ist ein zentraler Bestandteil der Serie und GT7 liefert hier voll und ganz ab. Mehr als 30 Strecken laden zur Jagd nach Bestzeiten und Ruhm ein. Unter den Rennpisten finden sich nicht nur reale Abbilder, sondern auch Fantasiestrecken wie Trial Mountain, die optisch meist mehr Eindruck hinterlassen als die Nachbauten echter Rennkurse. Wer von Asphalt die Nase voll hat, darf sich mit Rallye-Wagen auch auf Schotterpisten versuchen, die ein gänzlich anderes Fahrgefühl vermitteln. Gerade bei Zeitrennen, in denen es auf hundertstel Sekunden ankommt, spielen Dinge wie das exakte Bremsen, Einlenken und das Windschattenfahren eine zentrale Rolle und es motiviert ungemein, eine scheinbar unlösbare Aufgabe zu meistern, indem man hartnäckig die eigenen Bestzeiten unterbietet. Einmal mehr hilft dabei eine Geisterfahreranzeige, die die vorherige Bestzeit nachspielt. Zudem ist es möglich, einige Rennen mit optimierten Tuning-Einstellungen regelrecht trivial einfach zu gestalten, sodass man bereits kurz nach dem Start vom letzten auf den ersten Platz vorfahren kann und fortan einsam seine Runden dreht. Leider fehlt es an einem echten Qualifikationsmodus, sodass man stets eine Verfolgerrolle einnimmt und das Feld von hinten aufrollt. Weshalb banale Dinge wie Motoröl vergleichsweise viele Credits verbrauchen und warum man Fahrzeuge beim Gebrauchtwagenhändler nicht verkaufen darf, bleibt ebenso das Geheimnis der Entwickler.
Sterile Hochglanzoptik
Grafisch ist Gran Turismo 7 eines der schärfsten Games, die Sie aktuell auf einem 4K-Fernseher darstellen können. Polyphony Digital legen den Schwerpunkt auf eine echte 4K-Auflösung, 60
Bilder pro Sekunde und flimmerfreie Konturen – zumindest mit PS5-Power. Damit erscheint das Spiel selbst bei kurzer Sitzdistanz zum Fernseher oder XXL-Bildgrößen äußerst ansehnlich und mit den entsprechenden Mitteln können Sie sich ein faszinierendes virtuelles Cockput- Erlebnis schaffen. Besonderes Augenmerk gilt diesmal dem Himmel: Wolkenformationen ziehen abhängig vom Rennort realistisch über die Strecke und bei Tag-Nacht-Wechseln erblicken Sie wunderschöne Sternformationen, die sich ebenfalls am realen Vorbild orientiert. Je extremer die Lichtverhältnisse und je kontraststärker die Darstellung, desto besser werden die grafischen Defizite des Spiels kaschiert. Die Kehrseite der Medaille: Details der Rennstrecke ploppen auf mittlerer Distanz sichtbar ins Bild, die unterschiedlichen Detailstufen der Fahrzeuge werden ruckartig gewechselt und auch der GT-typische Grafikabbau im Rückspiegel ist mit PS5 erkennbar. Das größte Problem ist allerdings die Leblosigkeit der Rennstrecken:
Zwar wurde die Zuschauerdichte erhöht und es ist zumindest etwas Bewegung vorhanden, doch wirklich lebendig fühlt sich die Welt von GT7 nicht an. Gebäude und Streckendetails erscheinen wie aus einem Editor eines Architektenbüros und Texturoberflächen von Streckenuntergründe sowie Begrenzungen wirken häufig nicht mehr zeitgemäß. Rempler und Crashs ziehen optisch nahezu keinerlei Auswirkungen nach sich und die Regeneffekte perlen zu generisch von der Windschutzscheibe ab, während die Gischt wie ein hineinkopierter Effekt und nicht wie eine Partikelsimulation erscheint. Gerade wenn man sich voll und ganz auf das Rennen konzentriert und sich nicht an den Cockpits, den Automodellen und dem Himmel ergötzt, ist GT7 kein Grafikfeuerwerk.
Die Stars sind einmal mehr die Fahrzeuge, die sich am besten in den Wiederholungen und in der Garage begutachten lassen. Hier kommt sogar Raytracing zum Einsatz: Wer die entsprechende Grafikeinstellung mit PS5 einschaltet, wird mit einer besseren Licht-und Schattenberechnung sowie Lackspiegelungen belohnt, muss sich dann aber mit 30 Bildern pro Sekunde zufriedengeben. Da sich der Effekt nicht im Rennen aktivieren lässt, läuft das Renngeschehen in unveränderter Standard-Grafik flüssig ab, sodass sich vor allem in den Wiederholungen die Unterschiede zeigen. Mit Raytracing erscheinen Elemente wie Streckenoberflächen, Landschaftsdetails und die Fahrzeuge weniger wie ein Fremdkörper, während die simplere Beleuchtungstechnik ohne Raytracing gerade die Fahrzeuge teilweise wie hineinkopiert erscheinen lässt. Echtes Rennsportfeeling mit all seinen ruppigen Details kommt in GT7 nicht auf, stattdessen gleiten Sie gut gepolstert und wie auf Wolke 7 durch die Hochglanz-Katalogoptik. Größere Fortschritte sind beim Ton erkennbar, denn die Fahrzeuge klingen sowohl in der Außen-, als auch Innenperspektive nachvollziehbar und dank der 3D-Audio-Simulation der PS5 sind Sie mit Kopfhörern noch dichter am Geschehen und können Überholvorgänge von Gegnern besser wahrnehmen. Apropos Gegner: Die KI-Fahrzeuge vermitteln einmal mehr den Eindruck eines plump agierenden Hindernisses, das vor allem dazu dient, Sie von der Ideallinie und bestmöglichen Rundenzeit abzuhalten. Eine neue künstliche Intelligenz namens Sophy soll bald schon spannendere Rennen ermöglichen, doch das ist noch Zukunftsmusik.
Steuerung für alle Sinne
Neben der beeindruckenden Lenkradkontrolle wird diesmal eine Dualsense-Unterstützung mit PS5 geboten und die Rumble-Effekte vermitteln beispielsweise Fahrbahnunebenheiten und ein Untersteuern des Fahrzeuges deutlich besser als in der Vergangenheit. Zwar hätten wir uns bei den adaptiven Triggern noch mehr Widerstand gewünscht, doch selbst wenn man bislang mit Analogstick gebremst und beschleunigt hat, wird man mit dem Dualsense-Controller bereitwillig auf die L2-und R2-Tasten ausweichen (eine Tastenänderung ist optional weiterhin möglich). Auch Wetterwechsel wie Regen bedeuten eine deutlich veränderte Kontrolle des Fahrzeugs. Was GT7 an grafischer Finesse vermissen lässt, wird somit über den Ton und die Steuerung gekonnt ausgeglichen und man erhält selbst mit dem PS5-Controller ein exzellentes Renngefühl.
Knackpunkt für das Spielgefühl sind lediglich die einstellbaren Perspektiven: Diese lassen sich zwar über das Optionsmenü etwas anpassen, doch im Endeffekt wechselten wir im Test häufig auf die Stoßstangenperspektive, um ein etwas besseres Geschwindigkeitsgefühl vermittelt zu bekommen. Die Innenperspektive zeigt zu viel vom Cockpit und zu wenig von der Strecke, die Außenperspektive erscheint hingegen so starr, als wäre eine Kamera per Stativ am Fahrzeug fixiert worden. Die Musikauswahl des Spiels reicht von Klassik bis Hip-Hop und GT7 dient einmal mehr dazu, einen modernen Lifestyle-Charakter zu transportieren, der auch vor Youtube-Musikvideos nicht Halt macht. Aufgrund einer deutlich zu hohen Musiklautstärke empfehlen wir die Toneinstellungen im Spiel anzupassen, damit die Rennen nicht ungewollt zum MTV-Musikvideo werden. Zudem lässt sich die ausladende Intro-Sequenz im Optionsmenü abschalten. Mehr erhofft haben wir uns vom Spielmodus Music Rally, denn die vorab von Sony angekündigte entspannte Musikfahrt weicht im Spiel einer weiteren stressigen Jagd nach der Bestzeit, lediglich untermalt durch treibende Beats und einem Checkpoint-System.
Rennsport tritt in den Hintergrund
Gran Turismo 7 zu spielen fühlt sich an, als würde man nach Hause kommen: Die Präsentation ist vertraut und einladend zugleich. Das Spielsystem wird unaufgeregt und detailverliebt präsentiert, die Rennen bieten einen gewissen Wohlfühlfaktor und mit Dualsense-Controller oder Lenkrad wird jede Kurvenfahrt zum Erlebnis. Die Magie eines echten Rennens verkörpert GT7 hingegen nicht: Während Rennfahrer auf der letzten Rille fahrend die Grenzen der Physik ausloten, sind die Rennen in GT7 in Watte gepackt. Egal ob Sie der Werkstatt einen Besuch abstatten, durch Wind und Regen fahren oder über Schotterpisten pflügen: Die Fahrzeuge sehen aus, als wären sie gerade der Waschstraße entstiegen. GT7 zeichnet mehr denn je das Bild einer makellosen virtuellen Automobilwelt: Hier gibt es keinen Schweiß, keine Tränen, keinen Dreck, keine Kratzer und keinen Lärm, sondern alles fügt sich harmonisch in einen Hochglanzbilderbuchkatalog ein. Gran Turismo 7 ist deshalb weiterhin der Benchmark, um die besten Fahrzeuge der Welt von ihrer Schokoladenseite zu erleben. Fünf Jahre nach GT Sport und fast zehn Jahre nach GT6 ist Gran Turismo 7 allerdings nur eine erwartbare Erweiterung geworden, die dem Rennspielgenre mehr Substanz verleiht, aber keinen Ausblick auf eine neue Racing-Zukunft gibt. Für Polyphony Digital wäre es deshalb wünschenswert, wenn vor GT8 an einem kleineren Rennspielprojekt gearbeitet werden kann, um die Physiksimulation eines Rennens auf ein neues Next-Gen-Level zu heben. Wie wäre es mit einem puristischen Rennspiel nach dem Vorbild eines F355-Challenge?
CHRISTIAN TROZINSKI