... Neben der Grafik sollte nämlich auch die Steuerung überarbeitet werden. Grund genug für einige Fans, von einer kompletten Gameplay-Überarbeitung auszugehen, die das Spielgefühl von GTA 5 in die alten Spiele transportiert. Das war natürlich vollkommen illusorisch. Doch die Remaster-Trilogy scheitert nicht nur an den überzogenen Erwartungen einiger weniger. Sie ist vielmehr eine ziemliche Frechheit, die in diesem Zustand nie hätte veröffentlicht werden dürfen und wohl nur auf den Markt gekommen ist, weil man im Hause Rockstar noch etwas Kohle im Weihnachtsgeschäft abgreifen wollte. So kann man sich den über Jahre erarbeiteten Ruf natürlich auch versauen.
Nette Nostalgie
Kommen wir jedoch erstmal zu den positiven Aspekten der Collection mit dem sperrigen Titel. Alle drei Spiele versprühen noch denselben Charme wie damals und sind obendrein noch ziemlich umfangreich. Natürlich können es weder Gameplay noch Open World mit modernen Genre-Vertretern aufnehmen. Der Straßenverkehr ist nicht sonderlich dicht, es sind nicht viele Passanten unterwegs und vor allem die Schießereien steuern sich recht hakelig. Dennoch macht es auch über 20 Jahre nach Release noch Spaß, durch das Liberty City von GTA 3 zu cruisen. Vice City und San Andreas sind sogar noch abwechslungsreicher und besser gestaltet. Wer die Spiele damals schon erlebt hat, kann sich nostalgischer Gefühle ganz sicher nicht erwehren, wenn man die altbekannten Viertel durchstreift und die ganzen größeren und kleineren Gags, Easter Eggs und Verrücktheiten in der Spielwelt aufsaugt. Es ist wirklich unfassbar, wie es Rockstar Games damals schon schafften, so organisch wirkende, atmosphärische Welten zu erschaffen. Gerade Vice City und San Andreas sind in dieser Hinsicht auch heute noch überzeugend. Der 80er-Jahre-Charme eines Vice City und das 90er-Ghetto-Gangster-Drama in San Andreas sind gleichermaßen packend und vollkommen überspitzt.
Eine Balance, die den Spielen vor allem durch die toll geschriebenen Charaktere gelingt. Die Geschichten drehen sich um Verrat, Drogen, Mord und weitere eher finstere Angelegenheiten. Dennoch glänzen die Spiele auch mit wunderbarem Humor, der von einigen Figuren getragen wird. Sei es nun der zugekokste paranoide Anwalt Ken Rosenberg in Vice City oder Möchtegern-Rapper OG Loc in San Andreas – so einprägsame Paradiesvögel sieht man in anderen Spielen eher selten. Überhaupt sind einzelne Szenen oft sehr gut geschrieben und werden von den damals schon hochklassigen Sprechern großartig vorgetragen. Szenen wie die Burger- Bestellung mit Big Smoke oder die Zusammentreffen mit den korrupten Crash-Cops sind auch heutzutage noch absolut super. Der Ablauf der Geschichten und die Einbettung der Missionen darin ist allerdings schon mal etwas holprig. Gerade GTA 3 stolpert eher ein wenig vorwärts. In Vice City gelingt das Storytelling schon ein gutes Stück besser und San Andreas ist in dieser Hinsicht, bis auf kleinere Ausnahmen, sogar richtig gut. Man erkennt an der Trilogy sehr gut, wie sich die Serie, aber auch Rockstar Games selbst entwickelt haben.
Action von gestern
Wie bereits angesprochen, können GTA 3, Vice City und San Andreas aber selbstverständlich mit modernen Spielen nicht mithalten. Dafür muss man die Nostalgiebrille nicht mal absetzen. Für damalige Verhältnisse waren viele Missionen wirklich genial inszeniert, heute wirken einige Verfolgungsjagden oder Explosionen eher ein wenig unbeholfen. Es sind eben alte Spiele. Ein PS2-Spiel bleibt ein PS2-Spiel, auch wenn es jetzt auf der PS5 läuft. Das mag jetzt für einige Wenige enttäuschend sein, da sie annahmen, das Gameplay werde an GTA 5 angepasst, aber das wäre eben als Remaster nicht möglich gewesen. Dafür hätte man richtige Remakes machen müssen. Dementsprechend gibt es natürlich kein Deckungssystem, wie es damals erstmalig in der Serie in GTA 4 eingeführt wurde. Man sollte also in Bewegung bleiben oder immer wieder hinter eine Wand laufen, um in einem Schusswechsel nicht als Sieb zu enden. Das macht die Steuerung aber eben auch ziemlich hakelig. PC-Spieler haben den Vorteil, frei zielend aus einer Deckung laufen zu können. Das freie Zielen auf Konsolen ist aber ziemlich ungenau, sodass man auf das automatische Anvisieren setzen sollte. Obwohl Rockstar Games das ein wenig überarbeitet hat, ist es teilweise immer noch ein Krampf und erfasst oft den falschen Gegner oder auch gar keinen Feind. Zudem dauert das Anvisieren oft ein bisschen zu lange, sodass man erstmal selbst ein paar Kugeln frisst, bevor man den Gegner trifft. Das kann ganz schön nervig sein, da man nicht besonders viel einstecken kann und aufgrund des sehr schwachen Treffer-Feedbacks teilweise nicht mal merkt, wie nah man am Exitus ist, wenn man nicht die gerade auf die Lebensanzeige achtet. Dass das Treffer- Feedback visuell nicht angepasst werden konnte, ist bei einem Remaster natürlich verständlich. Allerdings sind die Rumble-Effekte mit jedem Controller ziemlich schwach und enttäuschend. Gerade mit dem DualSense der Playstation 5 wäre mehr drin gewesen.
Wenigstens die Waffenauswahl hat Rockstar angepasst. Früher klickte man sich per Schultertaste nach und nach durch die Waffen im Arsenal. Schnell die gewünschte Knarre zu finden, war so kaum möglich. Jetzt gibt es dafür das Waffenrad aus GTA 5. Hält man die linke Schultertaste gedrückt, öffnet sich das Rad, das Spielgeschehen verlangsamt sich und man darf direkt mit dem Analogstick das favorisierte Schießeisen auswählen. Auch die Bewegungen der Spielfigur und das Steuern der zahlreichen Vehikel sind nun ein bisschen genauer und überhaupt wurde die Fahrzeugsteu-erung beim Button-Layout etwas modernisiert. Allgemein merkt man den Spielen ihr Alter zwar an, sie steuern sich aber besser als damals und lassen sich vernünftig spielen. Nur die Schießereien sind wirklich richtig altbacken und arten deshalb an manchen Stellen in Arbeit aus. Hier trifft es sich dann ganz gut, dass fast alle Cheats von damals auch in den Neuauflagen noch funktionieren. Seid jedoch gewarnt: Wer cheatet, erhält selbstverständlich keine Trophäen mehr.
Ein bisschen hui, viel Pfui
Das Hauptargument für eine weitere Neuauflage der drei GTA-Klassiker ist natürlich die angepriesene überarbeitete Optik. Auch hier sollte man selbstverständlich keine Grafik wie beim neuesten PS5- Blockbuster erwarten. Man erkennt stets, dass es sich um 17 bis 20 Jahre alte Spiele handelt. 4K- Remaster hin oder her, die Optik ist also simpel. Dennoch hat sich rein visuell einiges getan. Die Farben sind nun knalliger und die Beleuchtung wurde überarbeitet. An einigen Ecken der Spielwelt wurden sogar zusätzliche Lichtquellen angebracht, um einen stimmungsvolleren Look zu kreieren.
Auch die Charaktermodelle bekamen Schönheitsoperationen. Wie das aber so ist bei Beauty- OPs, kann man auch vollkommen verbastelt wieder herauskommen. Bei manchen Charakteren sind die Eingriffe durchaus gelungen. Protagonist Tommy Vercetti aus Vice City sieht beispielsweise vollkommen okay aus. Andere Figuren hingegen sind nun mit solch geradezu grotesker Hässlichkeit gestraft, dass man sich oftmals fragt, seit wie vielen Generationen in deren Familien wohl Geschwister miteinander verheiratet wurden. Bei wiederum anderen Figuren hingegen ist das Charaktermodell okay, aber dafür schielen sie. Lance Vance wirkt dadurch zum Beispiel ziemlich lächerlich. Vor allem GTA 3 und Vice City sind davon betroffen. Die wichtigeren Figuren in San Andreas sehen zumeist in Ordnung aus. Lediglich die dortigen Standard-NPCs sind teilweise richtig schlimm. Vor allem die oftmals auftretenden Glotzaugen sorgen für Unwohlsein. Überhaupt fängt San Andreas aber den optischen Stil der Vorlage am ehesten ein. Vice City und GTA 3 haben hingegen einen noch viel ausgeprägteren Car- toon-Knetfiguren-Mischmasch- Look. Das ist nicht immer schlecht, an manchen Stellen sogar durchaus charmant. In den besten Momenten sieht Vice City durchaus nett aus mit seinen knalligen Neonlichtern. In den schlechtesten Momenten wirkt es jedoch sehr plump und untexturiert und erinnert an eines dieser berüchtigten Asset-Flip- Games auf Steam. Hier macht es den Anschein, als habe man nicht einzeln und gezielt Anpassungen vorgenommen, sondern einfach nur ein Programm drüberlaufen lassen, einen Filter draufgeworfen und gesagt: „Ach, dat passt schon! Dat Ding muss vor Weihnachten noch inne Regale steh’n.“
Bugs, Glitches und weitere Ärgernisse
Die überarbeitete Optik mag nicht immer überzeugen, aber das könnte man zähneknirschend noch irgendwie verkraften. Das Problem ist aber, dass Grand Theft Auto: The Trilogy – The Definitive Edition teilweise einfach kaputt ist. Seit dem Veröffentlichungstag stellen Spieler weltweit Screenshots und Videos ins Netz, die teils lustig, teils schockierend sind. Auch wir machten während unseres Tests viele negative Erfahrungen mit der Remaster-Collection. So kam es bei jedem Teil mehrmals vor, dass er einfach mittendrin abstürzte. Ein Absturz war sogar reproduzierbar und sorgte dafür, dass wir eine Questreihe in Vice City nicht abschließen konnten, weil sich das Spiel regelmäßig an einem Punkt verabschiedete. Teilweise „vergessen“ die Spiele auch wichtige Dinge zu spawnen. In einer Mission von San Andreas waren beispielsweise keine Schutzwesten zu finden, obwohl sie da sein sollten. In Vice City hingegen tauchte ein Missionsmarker einfach nicht auf, sodass wir die Quest neu starten mussten.
Das alles macht auch deshalb besonders wenig Spaß, da die nun hinzugefügten Checkpoints während Missionen nicht nur sehr blöd, sondern auch zu selten gesetzt wurden. Zudem fiel uns immer wieder mal auf, dass das gesamte Spiel kurz schneller wurde, wenn wir in einem Vehikel beschleunigten. Das macht es nicht unbedingt leichter, sich unfallfrei durch den Verkehr zu schlängeln und kann gerade in Verfolgungsjagden richtig nerven. In San Andreas flackerten außerdem irgendwann die Farben. Der Lack von Autos wurde nicht mehr richtig dargestellt, CJs Gesicht wurde zu Pixelbrei und als sich das wieder einkriegte, waren die Beine dran. Im Gegensatz dazu ist es fast schon belustigend, dass an einer Stelle schlichtweg vergessen wurde, eine Brücke sichtbar zu machen. Der größte Aufreger ist allerdings der Regen, der scheinbar aus dicken Glasscherben besteht und es vor allem in GTA 3 beinahe unmöglich macht, etwas zu sehen. Hier ist wirklich mächtig was schiefgelaufen.
Wir haben hier noch längst nicht alle Bugs und Glitches aufgezählt, aber wir haben schließlich auch nicht ewig Zeit. Wir schließen deshalb hiermit: Die Spiele ruckeln. Um es noch deutlicher zu machen: Diese etwa 20 Jahre alten PS2-Spiele ruckeln. Auf der PS5. Vor allem Vice City ist immer wieder von harten Framedrops betroffen. Man könnte jetzt natürlich darüber philosophieren, ob es denn überhaupt eine authentische GTA-Erfahrung wäre, wenn die Framerate nicht ab und an in den Keller gehen würde, aber nein. Das darf echt nicht sein. Es gibt einfach so viele Beispiele dafür, dass das Team von Grove Street Games, das für die Umsetzung der Remaster verantwortlich ist, mehr Zeit benötigt hätte. Rockstar entschied sich trotzdem für eine Veröffentlichung und gab Review-Versionen der Trilogie erst am Releasetag um 16 Uhr heraus. Offensichtlich, damit vorher keine Warnung ausgesprochen werden konnte. Das ist eine ganz miese Nummer. Dazu passt auch, dass es immer noch kein Statement des Publishers zum Zustand der Definitive Edition gibt. Wäre Grand Theft Auto: The Trilogy – The Definitive Edition technisch sauber, würde es weiterhin eine klare Empfehlung von uns erhalten. Die drei Spiele mögen aufgrund ihres Alters einige Makel haben, machen an sich aber auch heutzutage noch Spaß. In diesem Zustand ist die Remaster-Collection jedoch eine große Enttäuschung und hätte so nicht veröffentlicht werden dürfen.
CHRISTIAN DÖRRE