Es war das Auto, mit dem Oma zur Apotheke gefahren ist, mit dem Mutti die Kinder vor der Schule abgeliefert hat, ein Auto wie ein kleiner Freund, der immer da ist und nie nervt. Heute wissen wir: Gute Freunde kommen wieder, dazu später mehr.
Renault 5, du kleiner Charmeur. Als du 1972 zur Welt kamst, warst du gleich Trendsetter. Die Franzosen montierten vorn und hinten Kunststoffstoßfänger statt der bis dahin üblichen blechernen Stoßstangen, was ja auch von Vorteil ist bei der Dauerhaltbarkeit: Stoßstangen können rosten, die Kunststoffplatten bleichen einfach nur aus. Unser Fotowagen ist ein GTL, der hat die Kunststoffbeplankung sogar auch an den Seiten. Heerscharen von Einkaufswagen müssen daran abgeprallt sein, ohne dass es auf dem Supermarkt-Parkplatz auch nur einen Kratzer gab.
RENAULT 5 GTL (1983)
Motor Vierzylinder, vorn längs
Hubraum1108 cm 3
Leistung 33 kW (45 PS) bei 4400/min
max. Drehmoment 86 Nm bei 2000/min
Antrieb Vorderrad/ Fünfgang man.
L/B/H 3531/1525/ 1402 mm
Leergewicht 780 kg
Kofferraum 215 l
0–100 km/h 20,1 s
Höchstgeschw. 137 km/h
Verbrauch 6,3 l S/100 km
AbgasCO 2146 g/km
Preis 12 550 DM (1983)
Wenn wir uns diese 3,53-Meter-Kiste mal genauer ansehen, dann fallen außen dreierlei Dinge auf: Erstens riesige viereckige Frontscheinwerfer, die dich angucken wie später nur die Kulleraugen des ersten Twingo. Zweitens eine Karosserie, die sie im Windkanal glatt gebügelt haben. Nach hinten fällt die ganze Fuhre drittens ab wie ein Geodreieck aus dem Mathe-Unterricht, und damit die Kofferraumöffnung breiter wird, haben sie die Rückleuchten vertikal angebracht. Es ist diese einfache Form, die uns so im Gedächtnis hängen geblieben ist, obwohl wir den R5 früher verschmäht haben, als sei er nur ein Damen-Accessoire. Daran konnte auch der Turbo nichts ändern, den sie 1980 am Hinterlauf um mehr als 20 Zentimeter breiter gemacht und anstatt der Rückbank längs einen 1.4er-Turbo mit 160 PS und Ladeluftkühler eingebaut haben und für den sie jetzt Porsche-911-Preise zahlen.
Wir fahren heute natürlich die 45-PS-Version, was ja auch gut ist, denn unser Köln-Guide Tim ist über 1,90 Meter groß und kräftig, thront auf der Rückbank und sagt: „Dat is ja bequem hier!“ Er könnte sich jetzt ’ne Fluppe anstecken, Aschenbecher auch hinten. Wäre natürlich schade um die schönen hellbraunen Velourspolster, um den hellbraunen Dachhimmel mit dem Rautenmuster. Da, wo die Deutschen früher lieblos Verkleidungen festclipsten und Polster haltbar, aber nicht chic sein mussten, an den markanten Stellen im Interieur also, zeigen die Franzosen ganz viel Liebe. Teppich rund um die Mittelkonsole bis zur Armaturen- tafel! Also echter Teppich und kein Nadelfilz! Aufgeschäumter Kunststoff statt Hartplastik wie in Käfern oder Gölfen der 70er! Oh, là, là, wie viel Amour steckt in diesem kleinen Autochen …
Ist ja klar, dass dich 45 PS nicht vom Hocker reißen. Eben noch sind wir Autobahn gefahren von Brühl (da sitzt Renault Deutschland) nach Köln (da haben sie erst vier Jahre später den Ford Fiesta erfunden). Da schalteten wir nur deshalb in den fünften Gang, weil er da war, und nicht, um die Drehzahl runterzukriegen. Bei Tempo 100 dröhnt die Kiste, dass Spitze 137 geschönt klingen. Aber in der Stadt, auf kleinem Raum, da wuselt dieser Knirps, als wäre er für nichts anderes geboren. 9,8 Meter Wendekreis sind eine Ansage, und wegen der fehlenden Servolenkung sind wir nicht unglücklich, dass Reifen im Format 135/80 R13 montiert sind, obwohl sie von hinten aussehen wie die Trennscheibe einer Flex.
Bis 1984 haben sie die erste Version des R5 gebaut, insgesamt 5,5 Millionen Exemplare. 1980, als sie statt zwei auch vier Türen einbauten, war fast jeder zweite Renault ein R5, über 660 000 Autos in einem Jahr. Den Nachfolger haben sie gleich mit vier Türen angeboten, die Länge dann auf immer noch kurze 3,65 Meter hochgejazzt. Für den Rest dieser Geschichte müssen wir noch mal kurz den Fernseher anknipsen und die Werbepausen während der „La Boum“-Wiederholungen erleben. Der kleine Freund bekam irgendwann sein eigenes Lied. 1989 erklang in TV-Spots „Here I Am (Your Little Friend)“ von Dominoe, Fans stürmten die Bühne und umgarnten die neuen Sondermodelle des R5. Da war die Idee dieses Autos schon 17 Jahre alt, und sie hielt noch bis 1994 durch, den Nachfolger Clio haben sie da schon parallel verkauft. 9 008 912 Exemplare des R5 haben sie verkauft, über neun Millionen kleine Freunde!
2024 kommt der kleine Freund zurück, Renault wird ihn neu auflegen, rein elektrisch, aber mit der Form früherer Erfolgstage. Ob wohl Sophie Marceau noch mal Lust hat auf „La Boum“?