... Digitaltechnik – und wandelte sich so zum New Defender.
DER NEUE STATUS QUO
Das Resultat dieses Evolutionsprozesses könnte – betrachtet man den Änderungsumfang vom alten zum aktuellen Defender – durchaus als Revolution bezeichnet werden. Während er auf der einen Seite von den von ihm mitdefinierten Grundfesten der Konstruktion eines Geländewagens abweicht, bleibt er in seinem jetzigen Erscheinungsbild doch unverwechselbar als solcher – und vor allem als Defender – zu erkennen. Die weiterhin kurzen Überhänge, die große Bodenfreiheit, die steil abfallenden Karosserie-Linien und die eckige Grundform lassen keinen Zweifel daran, welcher Fahrzeuggattung der Neue entstammt.
Ein Hindernis konnte sein Vorgänger nicht überwinden: die Typgenehmigung für den Fußgängerschutz.
Doch obwohl die Gelände-Tradition des Defender in seiner Wahrnehmung omnipräsent ist: Den britischen Ingenieuren erschien es nicht ausreichend, das alte Konzept lediglich an die aktualisierten Gesetzesvorschriften anzupassen. Aus dem ehemals archaischen Offroader sollte ein moderner Geländewagen werden, der noch leistungsfähiger, komfortabler und vielseitiger auftritt und zudem das Erbe einer Ikone zeitgemäß fortsetzt. Der aus dieser Zielvorgabe abgeleitete, neue Ist-Zustand lässt sich durch folgende Hardpoints definieren: konsistentes, modernes Design, Abkehr von Leiterrahmen, Nietkonstruktion und Starrachsen – hin zur steiferen, selbsttragenden Aluminium-Karosserie mit Einzelradaufhängung – sowie konsequente Digitalisierung der gesamten Fahrzeuginfrastruktur. Im Falle unseres Testwagens lässt sich diese Aufzählung noch um die kürzeste der mittlerweile drei Radstandsvarianten (90) und die zweitstärkste Diesel-Motorisierung (D250 AWD) erweitern.
MAGNESIUM-DRUCKGUSS
Die Gestaltung des New Defender spricht sowohl im Exterieur als auch im Interieur eine klare Sprache: Hier waren Hände am Werk, die ihre Profession verstehen. An allen Ecken und Enden vermittelt der Defender, was er ist: ein Geländewagen, und wofür er steht: Solidität und gehobene Ansprüche.
Der aufgebrochene, strukturelle Armaturenträger und die Applikationen in Magnesium-Druckguss heben die Wertigkeit enorm.
Wer ein Auge für Details hat, wird sie entdecken und schätzen. Zum Beispiel: Die präzise Lochung des Frontblechs in satiniertem Silber, die Lenkradspange aus Magnesium-Druckguss und die offene Struktur des steifen Armaturenträgers mit seinen Handgriffen – das alles ist teuer in der Herstellung, hebt die Wertigkeit aber enorm.
❯❯ Offroad-Features
Insgesamt fällt vor allen die innovative Materialwahl positiv ins Auge. Gummierte Flächen, Metall-Applikationen und ein angenehm anzufassender Bezugsstoff der Armaturenträger-Paddings – alles innovativ und voll in der Linie eines hochwertigen Offroaders, der gleichzeitig auch die „Wohnlichkeit“ eines SUV abbilden muss.
Kompliment an das Color-and-Trim-Team. Doch es gibt auch Kritikpunkte: Zum einen wirken die Grabhandles oben auf dem Armaturenbrett auf der Beifahrerseite nicht so solide wie der Rest im Inneren und zum anderen versperren die Staufächer an den hinteren Seitenfenstern den Schulterblick beim kurzen Radstand.
Die Materialwahl im Innenraum trifft die Mitte aus Funktionalität, Wohnlichkeit und Innovation. Kompliment!
GELÄNDEWAGEN 2.0
Das heißt heutzutage nicht nur Individualisierungsmöglichkeiten im Premium-Bereich – optional gibt es statt widerstandsfähiger Stoff- und Ledersitze auch sogenanntes Windsor-Leder –, sondern auch die mittlerweile immer nobler werdenden Offroader heil mit den Heavy-Duty-Fähigkeiten ihrer Ur-Konzepte und zusätzlich mit einem hohen Maß an Fahrkomfort zu verbinden. Exemplarisch dafür stehen im neuen Defender zahlreiche Außenkameras und Radarsensoren, aber auch die Einzelradaufhängung mit Luftfahrwerk (Stahlfederfahrwerk ebenfalls verfügbar) und ausgefeilte Offroad-Modi, um die Fuhre sicher ins Ziel zu bringen. Alle Features dieses Digital-Offroaders aufzulisten, würde hier den Rahmen sprengen, deshalb einmal exemplarisch, wie man diesen Geländewagen 2.0 bedient: Zunächst gilt es, den Defender vorzubereiten. Über die Terrain-Response-Fahrmodi wird er für den vor ihm liegenden Untergrund präpariert. Die Funktion hebt automatisch den Aufbau an und erreicht damit die maximale Bodenfreiheit von 291 mm und eine Wattiefe von – sage und schreibe – 900 mm. Beide Angaben sind die Bestwerte der Klasse. Weiter werden je nach Fahrbahnzustand die Regelparameter von ESP und Traktionskontrolle angepasst sowie die Differenziale gesperrt. Den Sperrzustand von Mitten- und Hinterachsdifferenzial kann man dabei gut übersichtlich an kleinen Schlössern in den Grafiken des Antriebsstrangs im Tacho oder Navi-Bildschirm nachvollziehen. Gibt der Fahrmodus – und das Terrain – die Notwendigkeit der Getriebeuntersetzung vor, kann diese schnell und lautlos über die Taste in der zentralen Bedieninsel eingelegt werden. Der Defender begleitet den Fahrer transparent und verständlich durch alle Schritte – eine intuitive Bedienung. Auch die Rückversicherung, welche Einstellungen getroffen wurden, kann man beim Anfahren auf das Hindernis nochmal klar nachvollziehen – alle Tasten sind deutlich beleuchtet, alle Anzeigen gut ablesbar dargestellt. Doch wie bereits erwähnt zeichnet sich der Geländewagen 2.0 nicht nur durch neue Funktionalitäten und eine erleichterte Bedienung in der Funktionsgruppe Antriebsstrang aus. Die ganze Offroad-Experience wird vereinfacht. Schlagwort: Fahrassistenz. Klickt man auf dem Zentraldisplay auf das Kamera-Icon, bietet der Defender den Reiter „Gelände“ an. Was sich dahinter befindet, nivelliert den Widerspruch zwischen Geländewagen und Luxus-SUV ein ganzes Stück weit, denn: Mit Hilfe der Kameras lässt sich das hochpreisige Gefährt deutlich entspannter durch enge Lücken oder über blinde Kuppen manövrieren. Mit Hilfe der sogenannten Clear-Sight-Motorhaube errechnen die Kameras am Defender ein genaues Bild von der Fahrsituation vor ihm – während der Fahrer nur noch Himmel und Haube, aber nicht den Weg vor ihm sieht. Eine weitere Fähigkeit – die bisher nur den besonders versierten Offroadfahrern vorbehalten war – ist eine genaue Auskunft über die Radlast und Traktionsverhältnisse an jedem einzelnen Rad. Blaue Säulen in der Ansicht des Antriebsstrangs steigen und sinken bei Rad-Be- und -Entlastung. So kann der Fahrer einfach beurteilen, an welchem Eck wie viel Grip zu erwarten ist, und sich aus schwierigen und verschränkten Positionen besser herausarbeiten. Apropos Verschränkung: Bei unsererem Geländetest haben wir keine Starrachsen vermisst. Im Gegenteil: Die Einzelradaufhängung passt sehr gut zum New Defender.
Antrieb und Achsen haben im Gelände deutlich mehr Reserven als die Karosserie – vor allem was den Rampenwinkel betrifft.
NEUER DEFENDER, NEUE LIEBE?
Für mich, der ich zum alten keine besondere Beziehung aufbauen konnte (nicht zuletzt wegen meines Alters), ist der neue einfach DER Defender. Das ikonische Design wurde in die Neuzeit versetzt und sein optischer Auftritt hat – vor allem in Interieur – weiter an Tiefe gewonnen. Meiner Meinung nach ist es dem Defender klar anzumerken, dass jeder Projektbeteiligte bei Land Rover um seinen Stellenwert wusste. Auch wenn das hier nur eine Beurteilung nach vierzehn Tagen und nicht etwa nach einem halben Jahr ist: Der New Defender fährt besser, sieht besser aus und und schreibt die Defender-Story fort, statt nur Altbewährtes zu konservieren.
Andreas Milkutat
FAZIT