NUR WENIGEN europäischen Schauspielerinnen gelang eine solch internationale Karriere: Penélope Cruz machte sich nicht nur in spanischen Kultfilmen einen Namen, sondern drehte auch mit Tom Cruise, Johnny Depp oder Scarlett Johansson. Nebenbei holte sie einen Oscar für ihre Rolle inVicky Cristina Barcelona . Trotzdem bleibt sie ihren Wurzeln treu: Zum einen ist sie ab 27. September im spanischen ThrillerEverybody Knows zu sehen, zum anderen tut sie alles dafür, Normalität für sich und ihre Familie zu sichern.
Reader’s Digest: Sie sind häufig in emotionalen Grenzsituationen zu erleben, in Ihrem neuen Film „Everybody Knows“ als eine Mutter, deren Tochter entführt wird. Suchen Sie solche Rollen bewusst aus?
Penélope Cruz: Nein, aber man bietet mir diese Figuren immer wieder an. Meistens sind das Frauen, die heftigen Schmerz erleben. Und erst mal habe ich auch Angst davor. Aber ich spüre enormes Mitgefühl für Menschen, die solche Situationen durchmachen. Das ist mein Motor.
Ihre letzen beiden Filme drehten Sie gemeinsam mit Ihrem Mann Javier Bardem, obwohl Sie beide zwei kleine Kinder zu betreuen haben.
Familie hat trotzdem unsere Priorität Nummer eins. Wir ziehen es auch vor, abwechselnd zu arbeiten. Aber Asghar Farhadi, der Regisseur und Autor vonEverbody Knows , ist ein Genie. Als er mit dem Projekt zu uns kam, konnten wir einfach nicht ablehnen. Und wir schaffen es, uns so zu organisieren, dass wir das hinkriegen. Wir sind als Familie fast immer gemeinsam unterwegs. Abgesehen davon habe ich auch viele Projekte abgelehnt. Und das habe ich nie bereut.
Wenn Ihre Kinder meist bei Ihnen sind, heißt das, dass Sie sie aufs Showbusiness vorbereiten?
Im Gegenteil. Sie sollen ein ganz normales Leben führen. Bei uns läuft das ganz einfach ab: Mein Mann und ich gehen zur Arbeit, und das ist zufälligerweise die Schauspielerei. Danach widmen wir uns unserer Familie und unseren Freunden.
Sie wollen doch nicht bestreiten, dass Sie beide Superstars sind, deren Auftritte zum Medienereignis geraten?
Wenn wir über den roten Teppich gehen, dann hat das mit unserem Alltag nichts zu tun. Wir leben nicht in Los Angeles, sondern in Madrid, da gehen wir normal in den Supermarkt oder in den Park. Oder nehmen Sie meine Freunde: Wir sind gemeinsam groß geworden. Jeder sagt mir die Dinge ins Gesicht, so wie sie sind. Da gibt es keinen Bullshit. Für meine Eltern und Geschwister gilt das genauso. Ich habe privat nur mit Leuten zu tun, die unverblümt ehrlich sind.
Und wie ist es beruflich? In Hollywood herrscht ja ein ausgeprägter Chauvinismus, wie wir nicht zuletzt seit der „MeToo“-Debatte wissen.
Mir ist selbst nichts Schlimmes passiert. Aber ich musste mich als junge Schauspielerin natürlich durchboxen. Es gab Meetings, bei denen ich die einzige Frau war. Da habe ich dann zu dem ein oder anderen Manager gesagt: „So geht das nicht, lass uns mal draußen die Dinge klarstellen.“ Ich habe mich auch nicht gescheut, mal vor einem Restaurant ein Streitgespräch zu führen.
Woher hatten Sie diese Stärke?
Von meinen Eltern. Die haben völlig gleichberechtigt gelebt. Wenn du das jeden Tag mitbekommst, dann vergisst du das nicht.
Wie weit sind wir auf dem Weg zu vollständiger Gleichberechtigung?
Die werden wir erst erreicht haben, wenn wir über solche Themen nicht mehr sprechen müssen.