... Kastanien, Eichen und Hickory bäume in die Höhe. Die Biodiversität sei erheblich gewesen, erklärt Eric Sanderson: „Es gab 54 unterschiedliche Ökosysteme.“ Wölfe, Pumas und Schwarzbären streiften durch die dichten, von über 100 Kilometer Flüssen und 300 Quellen durchzogenen Wälder, in denen 70 Baumarten wuchsen und über 150 Vogelarten lebten. Im Wasser tummelten sich Biber, Otter, Heringe, Forellen und Aale.
Der erste Europäer, der sich dem Idyll näherte, war Giovanni da Verrazzano. Der italienische Seefahrer suchte eigentlich für den französischen König eine Nordpassage nach Asien, als er 1524 die amerikanische Ostküste erreichte. Es dauerte weitere 85 Jahre, bis der Grundstein für den Wandel der Insel gelegt wurde.
1524
DIE SCHATZINSEL
Am 12. September 1609 erreichte Henry Hudson ihr Ufer. Der Brite segelte im Auftrag der Holländer. Die horchten auf, als er ihnen nach seiner Rückkehr von den vielen Tieren auf Mannahatta berichtete, denn der Handel mit Fellen von Ottern oder Bibern war lukrativ. Also gründeten sie dort 1625 eine Handelsstation, erste Siedler kamen. „Sie brachten viel Neues mit“, so Sanderson. „Eine völlig andere Kultur, die zu Konflikten führte, aber auch Ratten und Krankheiten. Das beeinflusste die Umwelt enorm und ist einer der histo- rischen Wendepunkte Mannahattas.“ Mit bitteren Folgen für das Urvolk der Lenape, das in den folgenden Jahrzehnten aus der Region verdrängt wurde.
1664
1626 kaufte der Generalsekretär der niederländischen Westindien-Kompanie den Ureinwohnern die Insel für den Gegenwert von 600 Gramm Silber ab. „Es ist unklar, ob die Lenape die Intentionen der Holländer verstanden“, so Sanderson. Die Insel hieß ab da Nieuw Amsterdam. Unter Generaldirek- tor Peter Stuyvesant f lorierte der Handel. Das rief die Kolonialmacht England auf den Plan, die 1664 vier Kriegsschiffe schickte. Ohne holländischen Widerstand ging die Insel an die Briten und hieß fortan New York. Als 1775 die Amerikanische Revo- lution ausbrach, diente die inzwischen zweitgrößte Stadt der Kolonien den Briten als Militärstützpunkt. „Wichtig war sie wegen des Hafens.“ Dieser garantierte auch nach dem Krieg den wirtschaftlichen Aufschwung.
EIN GITTER AUSSTRASSEN
„Den größten Wandel durchlebte Manhat- tan dann im 19. Jahrhundert. Er begann mit dem Commissioners’ Plan.“ Noch war die Stadt ein Flickenteppich von Höfen mit unverbundenen Straßen. Doch 1811 wurde der Masterplan umgesetzt – Manhattan erhielt sein berühmtes Straßengitter: zwölf schnurgerade Trassen von Nord nach Süd, verbunden durch 155 in West-Ost-Richtung, die diese rechtwinkelig kreuzen. Felsen wurden gesprengt, Häuser abgerissen, Sümpfe trockengelegt. „Sie planten Platz für weitaus mehr Menschen ein, als auf der Insel lebten. Der Mythos, dass New York groß denkt, hat hier seine Wurzeln“, so Sanderson. Manhattan bereitete sich auf die Massen vor.
Die kamen, als 1825 der Eriekanal eröffnet wurde, der den Eriesee mit dem Hudson River verband: „Er stärkte New York als zentralen Handelsplatz und wurde das Tor für die Einwanderung.“ Allein 1850 wurden in New York 212.796 Immigranten registriert. Der dringend benötigte Wohnraum wurde dank einer Erfindung des New Yorkers James Bogardus geschaffen: Das Bauen mit Gusseisenskelett machte Häuser mit mehr Stockwerken als den bis dahin üblichen fünf bis sechs Etagen möglich. Als Mitte der 1850er zudem ein Aufzug mit Absturzsicherung entwickelt wurde, wuchs Manhattan in die Höhe.
KRISEN UND NEUANFANG
Die Weltwirtschaftskrise bereitete dem Bauboom 1929 ein jähes Ende. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich New York mit dem Einzug der Vereinten Nationen am East River ab 1950 zu erholen. Doch ab den späten 1960ern wurde die Stadt zum sozialen Brennpunkt. Drogen, Arbeitslosigkeit und Kriminalität vertrieben viele Bewohner. Die Eröffnung des World Trade Center läutete 1973 ihren langsamen Wiederaufstieg ein. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 trafen die New Yorker tief. Das brennende World Trade Center hüllte ihre Stadt in Rauch. Aber auch die Finanzkrise 2007 erschütterte ihr Selbstbewusst- sein. Doch Manhattan wäre nicht Manhattan, hätte es aufgegeben. 2014 wurde das One World Trade Center eröffnet. Es ist, wie sollte es anders sein, mit 541 Metern Gebäude der Stadt. Und nach der Corona pandemie, die über Monate das sonst so überbordende Leben zum Stillstand zwang, wurde nun der „Vaccine Summer“ gefeiert, der Sommer der Geimpften.
JOHANNA WAGNER
1776
1797
1932
1950