... Georgia O’Keeffe (1887–1986) gewidmet, einer Ikone der modernen amerikanischen Kunst und unbestritten die wichtigste Malerin von Landschaft und Natur im 20. Jahrhundert. Mit 85 exzeptionellen Werken aus öffentlichen und privaten Sammlungen, vornehmlich aus den USA, bietet die noch bis 22. Mai 2022 laufende Schau Georgia O’Keeffe einen repräsentativen Einblick in das ebenso vielfältige wie überraschende Schaffen dieser außergewöhnlichen Künstlerin. Die wundervolle Retrospektive ist zudem eine seltene Gelegenheit für das europäische Publikum, das Werk Georgia O’Keeffes, das in Sammlungen außerhalb der USA kaum vertreten ist, in dieser Tiefe zu entdecken. Kuratiert von Theodora Vischer, richtet die sensationelle Ausstellung ihr Augenmerk auf die besondere Art, wie O’Keeffe auf ihre Umgebung blickte und wie sie das Wahrgenommene in gänzlich neuartige Bilder der Realität – mal nahezu abstrakt, mal naturnah – umsetzte. „Man nimmt sich selten die Zeit, eine Blume wirklich zu sehen. Ich habe sie groß genug gemalt, damit andere sehen, was ich sehe.“ Dieses Zitat aus dem Jahr 1926 kann als Leitfaden für die Betrachtung von O’Keeffes Kunst und Leben herangezogen werden.
Die umfangreiche Schau in der Fondation Beyeler beginnt mit einem Blick auf O’Keeffes frühe Arbeiten, die während ihrer Tätigkeit als Lehrerin in Virginia und Texas entstanden. Kohlezeichnungen wie Early Abstraction (1915) und No. 14 Special
(1916) werden neben einer Auswahl kleinformatiger Aquarelle gezeigt, die eine intensive Farbigkeit und Leuchtkraft ausstrahlen. Red Landscape (1916/17) mit seinem nächtlichen Himmel, der von einer spektakulären Lichtexplosion erhellt ist und die kargen Hügelformationen in leuchtendes Rot taucht, ist eines der wenigen Ölgemälde aus dieser Zeit. Darauffolgende Arbeiten wie Blue and Green Music (1919/1921) und Series I – From the Plains (1919) offenbaren die Auseinandersetzung der Künstlerin mit der Abstraktion.
Die Pflanzenwelt, insbesondere Blumen, dienten als zentrale Motive im Werk von O’Keeffe. In ihren großformatigen Blumenbildern, wie Jimson Weed/White Flower No. 1 (1932), einem der berühmtesten Werke aus dieser Gruppe, oder Oriental Poppies (1927), lässt sich die Beschäftigung O’Keeffes mit der damals aktuellen Strömung der „Straight Photography“ erkennen.
Bekanntlich waren die Natur und die Landschaft O’Keeffes wichtigste Inspirationsquellen: Sie malte sowohl figurative Werke als auch Abstraktionen, die auf Landschaftsmotiven basieren, zuerst am Lake George und später in New Mexico. Die Werke aus der Zeit des ersten Aufenthalts in New Mexico, darunter Ranchos Church No. 1 (1929) und Gray Cross with Blue (1929), bezogen ihre Anregungen von den für die Region typischen Erscheinungsformen, wie der Adobe-Architektur oder den mitten in der Landschaft aufgestellten Büßerkreuzen einer religiösen Laienbruderschaft. In dieser Zeit entstand auch Mule’s Skull with Pink Poinsettias (1936), eines von O’Keeffes berühmten Gemälden jener Tierschädel, die sie in der Wüste fand. Während der Kriegsjahre, als O’Keeffe permanent in New Mexico lebte, wandelte sich ihr Blick auf diese Landschaft. In ihren beiden Werkserien Black Place I–IV (1944) und Black Place I–III (1945) gab sie die grauschwarze Hügellandschaft in einer ungewohnt dunklen Palette wieder und malte sie zunehmend abstrakt und aus der Vogelperspektive gesehen. Auch das Stillleben It Was a Man and a Pot (1942), das einen menschlichen Schädel zeigt, legt nahe, dass sich O’Keeffes Wahrnehmung der Umgebung in den 1940er-Jahren unter dem Eindruck des Kriegsgeschehens veränderte.
Im letzten Saal der faszinierenden Ausstellung trifft O’Keeffes Spätwerk auf Black Mobile with Hole (1954) von Alexander Calder (1898–1976), dessen Schaffen mit der Fondation Beyeler – sowohl durch die Sammlung des Museums als auch aufgrund mehrerer Ausstellungen – seit Langem verbunden ist. Während Calder, im Gegensatz zu O’Keeffe, eine anhaltende Beziehung zu Europa pflegte, teilten beide eine tiefe Verbundenheit mit den weiten Ebenen und dem endlosen Horizont des ländlichen Amerika, die für ihre Kunst prägend war.
An diese einzigartige Schau schließt in der Fondation Beyeler ab 5. Juni 2022 eine tolle Ausstellung an, die dem niederländischen Maler Piet Mondrian – anlässlich des 150. Geburtstags des Künstlers – gewidmet ist. Er hatte als einer der bedeutendsten Künstler der Avantgardebewegung die Entwicklung der Malerei von der Figuration zur Abstraktion maßgebend geprägt. Mondrians frühes Werk wird von der niederländischen Landschaftsmalerei des späten 19. Jahrhunderts bestimmt, aber auch Symbolismus und Kubismus waren für ihn von großer Bedeutung. Erst ab Anfang der 1920er-Jahre konzentriert sich der Künstler auf eine komplett gegenstandslose Bildsprache, die sich auf die rechtwinkelige Anordnung von schwarzen Linien mit Flächen in Weiß und den drei Grundfarben Blau, Rot und Gelb beschränkt.
Während die Sammlung der Fondation Beyeler vor allem Bilder aus den späteren Schaffensphasen Mondrians beinhaltet, liegt der Fokus dieser Ausstellung auf Werken, die Mondrians künstlerische Entwicklung bis in die 1920er-Jahre und die stilistische Entstehung seines Spätwerks beleuchtet. In einzelnen Kapiteln werden Motive wie Windmühlen, Dünen und das Meer oder auch sich im Wasser spiegelnde Bauernhöfe und Pflanzen in verschiedenen Abstraktionsstufen behandelt.
■ Informationen: www.fondationbeyeler.ch
Kunstmuseum Basel: Louise Bourgeois x Jenny Holzer und Picasso–El Greco
Im berühmten Kunstmuseum Basel steht noch bis 15. Mai 2022 eine exemplarische Sonderausstellung auf dem Programm: Die herausragende Konzept-und Multimediakünstlerin Jenny Holzer beschäftigt sich im Rahmen von Louise Bourgeois x Jenny Holzer mit Arbeiten von Louise Bourgeois (1911–2010), einer der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Das Fundament für dieses wunderbare Projekt, das weit mehr als eine bloße Hommage der jüngeren Künstlerin an ihre ältere Kollegin ist, bildet die Freundschaft zwischen der 1911 geborenen Bourgeois und der 1950 geborenen Holzer. Für die von ihr kuratierte Ausstellung in Basel hat Jenny Holzer nun ganz spezielle Werke von Bourgeois in thematischen Gruppen zusammengestellt, wobei die Präsentation einer intuitiven und poetischen Logik folgt. Zugleich entfaltet Louise Bourgeois x Jenny Holzer aber auch eine dichte und vielschichtige Erzählung von Erinnerung, den fünf Sinnen, Landschaften, dem Unbewussten, Sexualität, Mutterschaft, Trauma und Kreativität.
Die einzigartige Ausstellung trägt den Untertitel The Violence of Handwriting Across a Page und gibt damit auch die Richtung vor: Denn trotz der auf den ersten Blick radikal unterschiedlichen künstlerischen Entwürfe zeigen sich bei Jenny Holzer und Louise Bourgeois interessante Parallelen in der Verwendung von Sprache und insbesondere des geschriebenen Worts. Seit den frühen 1980ern gelangte Holzer bekanntlich mit ihrem subversiven und provokanten Einsatz von Sprache im öffentlichen Raum zu weltweitem Renommee. Die New Yorker Künstlerin bedient sich einer breiten Palette von Medien und Formaten, von T-Shirts und Straßenschildern bis hin zu großflächigen Projektionen und Lastwagen mit LED-Schriftzügen. Ihre Arbeiten analysieren und hinterfragen die in Politik, Geschlechterrollen, Wirtschaftsleben und Gesellschaft herrschenden Machtverhältnisse. Louise Bourgeois wiederum erkundete in ihrer vielseitigen künstlerischen Praxis, die sich durch großen Einfallsreichtum auszeichnete, die Tiefen ihrer inneren Seelenland-schaft. Ihr heterogenes Werk setzt sich mit vielfältigen menschlichen Emotionen auseinander: Liebe, Begehren, Abhängigkeit, Sexualität, Zurückweisung, Eifersucht, Verlust und Verlassensein. Zudem kam dem Schreiben im Schaffensprozess von Bourgeois, deren gewaltiges Archiv Tagebücher und Briefe ebenso umfasste wie Hunderte von Aufzeichnungen, eine ungemein wichtige Rolle zu. Wie ihre Werke verlieh es ihren Traumata Ausdruck und half manchmal auch, sie zu verarbeiten. In vielen späteren Arbeiten griff Bourgeois überdies auf ihre früheren Tagebücher und andere Schriften zurück und verschmolz so nicht nur Bild und geschriebenes Wort, sondern auch Vergangenheit und Gegenwart.
All dies wird im Rahmen von Louise Bourgeois x Jenny Holzer verhandelt, wobei Jenny Holzer auch auf spannende Weise die Wände des konventionellen Ausstellungsraums aufbricht: So beansprucht Bourgeois’ selten gezeigte Arbeit Twosome (1991) die unterirdische, den Neubau mit dem Hauptbau verbindende Passage für sich. Die monumentale mechanische Installation, die einem Tankwagen ähnelt und auf Schienen vor-und zurückrollt, verkörpert die dynamischen Schwingungen zwischen den Polen Männlichkeit und Weiblichkeit, Anziehung und Abstoßung, Vereinigung und Trennung, Mutter und Kind. Twosome bildet auch eine perfekte Überleitung zum Hauptbau, wo Holzer Skulpturen von Louise Bourgeois im Dialog mit Meisterwerken aus der Sammlung des Museums angeordnet hat, um Anknüpfungspunkte und Gegensätze zwischen Altem und Neuem hervortreten zu lassen und gleichzeitig Bourgeois’ Stellung in der Kunstgeschichte zu unterstreichen.
Ihre scharfsinnige und zugleich einfühlsame Auseinandersetzung mit dem Œuvre von Louise Bourgeois vertieft Jenny Holzer zudem in einem einzigartigen Künstlerbuch, in dem sie deren Kunst und Schriften in paarweise angeordneten ganzseitigen, oft radikal beschnittenen Kompositionen zu einer raffinierten Geschichte verwebt. Und sie verortet Bourgeois auch in der Kunstgeschichte, indem sie Bilder ihrer Werke mit ähnlich bearbeiteten Abbildungen von Meisterwerken aus der Samm-lung des Kunstmuseums Basel kombiniert. So ergeben sich unerwartete Gegenüberstellungen, die auf intensive Weise zum Nachdenken anregen.
Ab 11. Juni 2022 beleuchtet das Kunstmuseum Basel zudem in einer großen Sonderausstellung die Auseinandersetzung von Pablo Picasso (1881–1973) mit El Greco (1541–1614), dem faszinierenden Altmeister, der als Doménikos Theotokópoulos auf Kreta geboren wurde. Rund 40 Gegenüberstellungen von Meisterwerken beider Künstler zeichnen diesen Dialog nach, der zu den faszinierendsten der Kunstgeschichte zählt. Um eine Kerngruppe von Werken Picassos aus der eigenen Sammlung werden hochkarätige Leihgaben aus aller Welt versammelt.
El Greco brachte es mit seiner einzigartigen Malweise in seiner neuen Heimat Toledo zu beachtlichem Ruhm. Bald nach seinem Tod geriet er jedoch in Vergessenheit. Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert kam es zu einer El-Greco-Renaissance, an der der junge Pablo Picasso an vorderster Front beteiligt war. Die Ausstellung wird zeigen, dass sich Picasso intensiver und länger mit El Greco beschäftigte als bisher angenommen: Dies ist in Picassos kubistischen Gemälden ebenso spürbar wie in seinen Werken der 1930erund 1940er-Jahre, und auch am Ende seines Lebens nimmt er noch Bezug auf den Altmeister.
Die Schau eröffnet, so wird versprochen, nicht nur neue Perspektiven auf Picasso und El Greco, sondern bietet auch Erkenntnisse darüber, welche Bedeutung diese Konstellation für die Entwicklung der Avantgardekunst des 20. Jahrhunderts hatte.
■ Informationen: https://kunstmuseumbasel.ch