... zu leiden – mehr als die anderen, die er selbst nicht mag. All dies sind ehrliche Bekenntnisse von Otto Waalkes (69), mit denen der Starkomiker jetzt zum ersten Mal zugibt, dass nicht alles in seinem Leben witzig war. Kurz vor seinem 70. Geburtstag am 22. Juli veröffentlicht Otto seine Autobiografie „Kleinhirn an alle“ (siehe Buchtipp) – und rechnet darin ausgiebig mit sich selbst ab. HÖRZU traf ihn zum Exklusiv-Interview.
HÖRZU: Herr Waalkes, über Ihr Privatleben haben Sie nie gern Auskunft gegeben. Jetzt packen Sie doch aus. In Ihrer Biografie. Warum?
OTTO WAALKES: Vielleicht hat dieser Widerspruch etwas mit dem Alter zu tun. Irgendwann ist man reif, sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Und der Untertitel „Nach einer wahren Geschichte“ verpflichtet ja dazu, alles rauszulassen. Zumindest alles über die Abgründe, aus denen man wieder herausgeklettert ist. Darüber konnte ich in diesem Buch zum ersten Mal offen schreiben.
Haben Sie als Kind eigentlich auch schon so viel geredet wie heute?
Ich stand immer unter Labertran, habe aber auch Lebertran bekommen. Heute würden die Ärzte bei einem Kind, wie ich es war, höchstwahrscheinlich ADHS diagnostizieren. Aber so was kannte man damals noch nicht. Man hat das eher praktisch gesehen, so wie mein Mathelehrer: „Wenn der Waalkes gestorben ist, dann muss man seinen Mund extra totschlagen.“ Das waren raue Sitten, alte Schule.
Sie berichten von drei dramatischen Ereignissen, bei denen Sie in Lebensgefahr waren – einem Stromschlag, einer Feuersbrunst und einer abgestürzten Wetterkarte. Leben Sie gefährlich?
Ständig, weil ich eigentlich immer mit dem Feuer spiele. Jeder Auftritt ist mit Risiken verbunden, ja, in meinem Beruf steht das Leben wirklich immer auf der Kippe. Umso mehr freue ich mich, dass es komischerweise immer noch weitergeht. Und, ganz ehrlich: Ein Komiker stirbt erst, wenn niemand mehr über seine Pointen lacht. Das ist dann allerdings die grausamste Todesart. Dass die Lachbereitschaft plötzlich nicht mehr da ist, möchte ich eigentlich nicht mehr erleben.
Bei Ihren Auftritten sind Sie zu den hinteren Saalreihen netter als zu den vorderen. Verachten Sie die Reichen?
Ganz im Gegenteil. Ohne Kapitalisten wäre ich nie von Elbchausseeanwohnern engagiert worden. Ich möchte nur nicht unbedingt dazugehören. Ich erinnere mich noch an einen meiner ersten Privatauftritte, bei dem ich einen reich gedeckten Tisch sah, der fast unter der Last der Speisen zusammenbrach. Der Besitzer trug einen wunderschönen Morgenmantel und eine Sonnenbrille – und er schenkte mir Champagner ein. Da bin ich rechtzeitig abgehauen, als hätte ich geahnt, dass der Mann sich heute als Harvey Weinstein entpuppen könnte.
Welche Partei wählen Sie?
Ich kreuze alles an. Insofern müssten eigentlich sechs Richtige dabei sein.
Ihr Lebensmotto?
Aller Unfug ist schwer.
Haben Sie auch dunkle Seiten?
Bisher habe ich selbst noch keine gefunden. Aber suchen wir doch mal gemeinsam, vielleicht finden wir sie. Ich wüsste gern, was dabei rauskommt.
Was war der absolute Tiefpunkt in Ihrem bisherigen Leben?
Davon erzähle ich in meinem Buch. Der Tiefpunkt war die drohende Trennung von meiner Familie, dass wir plötzlich getrennte Wege gehen und uns nicht wiedersehen würden. Mein Vorstellung war, dass ich alles darf und meine Frau so gut wie nichts. Solche Pläne haben viele Männer, und die meisten sind übel schiefgelaufen, weil immer zwei zu einer Ehe gehören und beide gleiche Rechte haben. Heute bin ich über diesen Verlust hinweg. Aber das hat lange gedauert. Das war wirklich der absolute Tiefpunkt in meinem Leben. Abgesehen vom Tod meiner Eltern.
Sie schreiben, dass Sie die Sorgen anderer Menschen lange ignorierten und einen unverzeihlichen Fehler gemacht haben. Welchen?
Wenn man als Musiker, Entertainer oder Bühnenkünstler unterwegs ist, vernachlässigt man seine Familie. Das ist ein großer Fehler, unverzeihlich, denn das trug zu meiner Trennung entscheidend bei. Es war nicht der einzige Grund, aber ein gewichtiger. Diesen Fehler werde ich nicht mehr machen. Wenn ich also eine neue Partnerin hätte, würde ich sie überallhin mitnehmen – die Frage ist nur, ob das außer mir jemand aushält mit mir.
INTERVIEW
Treffen in Hamburg: Otto Waalkes mit HÖRZU-Chefreporter Mike Powelz
1974 DIE ANFÄNGE
Otto finanziert sein Studium mit Auftritten als Musiker. Doch dabei begeistert er mehr mit Humor als mit dem Akkordeon. Der Anfang seiner Bühnenkarriere!
1985 KINOKARRIERE
„Otto: Der Film“ (hier mit Sky du Mont und Jessica Cardinahl) lockt 14,5 Millionen Deutsche ins Kino
2010 UNTER KOMIKERN
Ob Olli Dittrich oder Max Giermann: In Ottos Filmen (hier: „Otto’s Eleven“) spielen viele Comedystars mit
Würden Sie auch ins Dschungelcamp von RTL gehen?
Selbstverständlich, aber man hat mich noch nicht gefragt. Wenn ein ehrliches Angebot käme, wie könnte ich das ablehnen? Es wäre mir eine große Ehre, da eingeladen zu werden, denn man darf die Zuschauer des Dschungelcamps nicht unterschätzen. Mal schauen, ob ich auch ein intellektuelles Publikum amüsieren könnte. Wollen wir nicht zusammen reingehen?
Ist Humor wirklich die Medizin gegen alles Traurige?
Bisher sieht es so aus, jedenfalls bei mir.
Ist Ihnen der große Ruhm eigentlich nie zu Kopf gestiegen?
Nein, meine Karriere kann morgen vorbei sein. 50 Jahre Erfolg, was ist das schon? Diese Urängste verhindern, dass ich mich überschätze. Ruhm ist nur eine zeitweilige Begleiterscheinung.