... d’Ornano besaß bereits Erfahrung in dem Geschäft: Sein Vater hatte die Marke Lancôme mitgegründet, und zusammen mit seinem Bruder hob Hubert Orlane aus der Wiege. Bei der Firma Sisley, die die d’Ornanos nach dem Landschaftsmaler Alfred Sisley (1839-1899) benannten, setzten sie auf Pflegeprodukte mit rein pflanzlichen Wirkstoffen. Sie erschufen Cremes (u.a. die bis heute legendäre „Émulsion écologique), Parfums (das erste hieß „Eau de Campagne“), und erweiterten ständig die Palette für ihre Kunden.
Feierlicher Grundstein FÜRS GLÜCK
Hubert und Isabelle d’Ornano heirateten am 6. Juli 1963 im französischen Deauville. Ihre Familien stammten beide aus Polen, kennengelernt hatten sie sich aber in Paris
Ihr ältester Sohn Philippe, 57, der heute das Unternehmen leitet, sagt: „Wenn man meinen Vater und meine Mutter zusammen in einen Raum steckte, hatten sie jede Minute eine neue Idee.“ Doch obwohl die beiden stark eingespannt gewesen seien, hätten er und seine Geschwister immer das Gefühl gehabt, an erster Stelle zu stehen. Seine Schwester Elisabeth, 53, war zehn Jahre lang das Gesicht für Sisley, seine Schwester Christine, 48, ist heute stellvertretende Geschäftsführerin des Familienimperiums.
Doch die d’Ornanos erlebten nicht nur Erfolg und glanzvolle Jahre, es gab auch Schicksalsschläge: Ein Sohn und eine Tochter verstarben. Dennoch seien seine Eltern „wie ein Fels“ gewesen, betont Philippe d’Ornano. „Sie hielten in glücklichen und traurigen Zeiten zusammen und haben uns dank ihrer Liebe ein großes Vertrauen ins Leben mitgegeben – wohl eines der wertvollsten Geschenke.“ \Das Apartment in Paris, das alle Kinder und die insgesamt zehn Enkel gerne besuchen, ist seit 47 Jahren das Zuhause der Familie. Als Hubert und Isabelle es kauften, waren alle Wände grau gestrichen, auf dem Boden glänzte kalter Marmor. „Damit konnte ich nicht leben“ erinnert sich die gebürtige Polin. Sie holte sich Hilfe bei Edel-Dekorateur Henri Samuel (1904-1996), der auch von Clans wie den Rothschilds und den Vanderbilts geschätzt wurde. „Ein Dekorateur ist für die großen Schritte essenziell“, erklärt Isabelle. „Er bringt Ideen in Form, kennt die passenden Maler und Handwerker. Aber die Atmosphäre entsteht durch die Dinge, mit denen man die Räume füllt.“
Die Gräfin mischt munter Stile, Muster, Farben und EPOCHEN
Auf den Marmorboden ließ Isabelle d’Ornano in allen Räumen einen speziell gewebten Teppich legen und mischte beim Einrichten munter Stile, Farben und Epochen. Zu Kristalllüstern aus dem 18. Jahrhundert gesellen sich moderne Kunstwerke von Anselm Kiefer und David Hockney, bequeme Samtsessel und Sofas sind mit bunten Kissen beladen. Die tragen Schriftzüge wie „Licht und Schatten – aber immer Liebe“, eines der Lieblings-Sprichworte von Isabelle d’Ornano. Sie hat es selber darauf gestickt, das ist seit Jahrzehnten ihr Hobby. Auch das Warten auf die Geburten ihrer fünf Kinder verkürzte sie sich mit dieser Tätigkeit. „Ich sticke schon mein ganzes Leben lang“, verrät die Adlige. „Derzeit am liebsten Kissen mit Worten. Die schicke ich dann wie Postkarten an alle Menschen, die ich liebe.“ Worte besitzen für Isabelle d’Ornano seit jeher eine besondere Magie. Daher ließ sie sie groß und farbenfroh auf Geschenkboxen von Sisley drucken: „The joy of giving“, stand dann darauf oder einfach nur ein schlichtes „Merci“.
Empfänge für bis zu 200 Leute gab Isabelle d’Ornano in ihrem Pariser Zuhause. Politiker, Künstler und andere illustre Gestalten schauten gerne bei dem geselligen Unternehmerpaar vorbei, schließlich war Isabelle die perfekte Gastgeberin. Zwischen 20 Uhr und Mitternacht waren alle willkommen und freuten sich auf eine Ofenkartoffel mit Kaviar. Modedesignerin Diana Vreeland, Bildhauer Alex Liberman und der amerikanische Außenminister Henry Kissinger zählten zum Freundeskreis der d’Ornano. Zu den USA hatte Isabelle sowie eine besondere Connection. Sie stammt aus einem polnischen Adelsgeschlecht – Königin Barbara Radziwill (1520-1551) ist eine ihrer Vorfahren – dessen Mitglieder sich im Laufe der Jahrhunderte unter anderen auch in Übersee niederließen. Lee Radziwill (1933-2019), die Schwester von Jacqueline Kennedy Onassis (1929-1994), war ihre Tante.
Doch Dünkel kennt die warmherzige Matriarchin nicht. Sie empfängt alle Gäste mit der gleichen Freundlichkeit und dem gleichen Level an Respekt. Ob große Gesellschaft oder kleine Runde – alle fühlen sich pudelwohl in dem ehemals so kühl eingerichteten Apartment mit direktem Blick auf die Seine. Das liegt sicher auch daran, dass es Isabelle mehr um Gemütlichkeit geht als um Etikette oder Ordnung. „Ein Raum sollte seinem Besitzer dienen – und nicht umgekehrt“, lautet ihr Wohlfühl-Motto. Sogar die Decken aller Zimmer bezog sie in die Gestaltung mit ein. Sie ließ sie mit Malereien und Tapeten verzieren. Im Salon kriechen Schnecken des Künstlers Jean-François Fourtou die Wand hoch, eine klebt sogar über Kopf an der Decke. Isabelle schaut nach oben und sagt: „Stellen Sie sich doch mal vor, das wäre alles weiß!“
Auch, wenn ihre erwachsenen Kinder inzwischen offiziell die Geschäfte bei Sisley lenken, ist die rastlose Unternehmerin immer noch in neue Projekte involviert. Isabelles Ideen sprudeln weiter. Ihr Ziel: immer wieder Schönheit schaffen. „Denn Schönheit ist ein Beweis dafür, dass die Schöpfung einen Sinn hat.“
Anna Butterbrod
BUCHTIPP zum Träumen
In dem 256 Seiten dicken Bildband „What a Beautiful World!“ öffnet Isabelle d’Ornano erstmals die Türen zu ihrem Pariser Apartment, ihrem Landsitz und anderen Immobilien. Unterstützt wurde sie bei dem Projekt von Christiane de Nicolaÿ-Mazery, der Kreativchefin von Christie‘s Frankreich. Fotografiert hat Christina Vervitsioti-Missoffe (Abrams, um 57 Euro)