... keine neue »182«, aber sie hat das Zeug zu einem verdammt guten Flugzeug.
Das Unternehmen Sling in Südafrika ist in der Selbstbau-Szene eigentlich bekannt für Tiefdecker: die zweisitzige Sling 2 und die viersitzige Sling TSi, die beide bereits in Großbritannien von der LAA zugelassen wurden. Die neue High Wing ist nun ein freitragender Hochdecker aus Aluminium – mit fast identischen Flügeln wie bei der Sling TSi – und einem Rumpf aus Verbundwerkstoff mit einem Aluminium-Leitwerk am Heck. Angetrieben wird der Viersitzer von einem Turbo-Rotax 915 iS, der einen elektrisch verstellten Constant-Speed-Propeller mit drei Blättern antreibt. Es gibt eine geräumige Kabine mit vier Sitzen, einen großen Gepäckraum und, je nach Wahl der Avionik und der Extras, etwa 450 Kilogramm Zuladung. Die serienmäßigen Kraftstofftanks an den Flügelvorderkanten fassen 99 Liter pro Seite, wobei ein paar Liter in jedem Tank nicht genutzt werden können. Das ist genug Treibstoff für gut sechs Stunden Flugzeit bei vollen Tanks und noch etwas mehr als 300 Kilogramm für Personen und Gepäck übrig – gar nicht schlecht. Die HW ist in Versionen mit Bug- oder Spornrad erhältlich – wir fliegen die mit Bugrad.
Sitze umklappen – und der Gepäckraum wird zum Bett
Dies soll kein Vergleichstest der beiden Flugzeuge sein, aber ein paar Unterschiede zwischen der Sling und der Cessna 182 sind offensichtlich: Die Sling hat weniger Flügelfläche als die Cessna, einfache, aber große Landeklappen, eine geringere MTOM und eine beeindruckende Nutzlast. Der Innenraum ist etwas kleiner als in der »182«, aber immer noch groß genug, und mit den umklappbaren Sitzen ist der Raum sogar noch flexibler, oder zumindest in kürzester Zeit konfigurierbar: Der Laderaum der C182 könnte nur von motivierten Schraubern in ein flaches Bett verwandelt werden.
OUV
Die Oskar-Ursinus-Vereinigung (OUV) ist erstes Ansprechpartner für jeden, der selbst ein Flugzeug bauen möchte. Sie betreut zur Zeit zwei Sling-2-Projekte – eins fliegt bereits. Auch eine TSi ist in Deutschland im Bau. Kontakt über .
Sling Aircraft setzt auf hochwer tige Garmin-Avionik
Die Sling wird von einem Rotax 915 iS in den Himmel getragen, einem hervorragenden modernen Motor mit elektronischer Einspritzung und Turbolader, der fünf Minuten lang 141 PS und eine maximale Dauerleistung von 135 PS liefert. Die Cessna 182 dagegen hat einen schweren und technisch simplen Continental oder Lycoming. Aber der leistet trotz seiner Dinosaurier-DNA 230 PS oder mehr. Das sind 63 Prozent mehr als der Rotax – in einem Flugzeug, dessen MTOM nur 28 Prozent über dem Wert der Sling liegt. Mehr Power in Verhältnis zur Masse hat die Cessna also allemal.
Genug geplaudert, jetzt geht‘s in die Luft. Ich fliege mit Tim Hardy, dem Sling-Vertriebspartner in Großbritannien. Für Deutschland ist die niederländische Frisian Air der Vertriebspartner (). Wie immer bei einem unvertrauten Muster besteht die Gefahr, dass man sich beim Einsteigen blamiert, umso mehr, wenn Videokameras im Spiel sind. Dank der fehlenden Verstrebungen und zwei anständig großer Türen ist der Zugang zum Cockpit einfach – vom Steuerknüppel abgesehen. Ich weiß, dass ein Steuerknüppel besser ist als ein Steuerhorn, aber wenn man sein Bein darüber hinweg heben muss, wird das leider mit zunehmendem Alter schwieriger.
Die Sitze sind genauso bequem wie sie aussehen. Überrascht bin ich, als ich meine Füße auf die Pedale stelle. Sie kippen, als ob sie mit Fußspitzenbremsen ausgestattet wären, aber da beide Hauptbremsen über einen handbetätigten Zentralhebel betätigt werden, fühlt es sich an, als ob die Bremsen versagen. Ich könnte mich an den Hebel gewöhnen, aber separate Fußspitzenbremsen sind besser. Wenn ich bei Sling etwas zu sagen hätte, würde ich sie zum Standard machen – sie sind als Option erhältlich und bei der Spornradkonfiguration wohl auch erforderlich.
Das Unternehmen setzt konsequent auf Garmin-Avionik: Im Panel steckt ein großes G3X-Touch-Display, dazu der GPS-Navigator GTN750 sowie ein G5 als Backup. Der Autopilot ist ein GFC500, der Propeller wird per Drehknopf im Panel elektrisch verstellt.
Nach dem Anlassen geht es zum Rollhalt. Ich bin ein Fan von ungesteuerten Bugrädern und der Steuerung per differentiellem Bremsen, aber die Bugradsteuerung der Sling funktioniert sehr gut. Der Motorcheck läuft etwas anders ab, wegen der beiden Engine Control Units (ECU) des elektronisch gesteuerten Rotax und der elektrischen Propellerverstellung. Tim weist mich darauf hin, dass die Geschwindigkeit auf 55 Knoten erhöht werden muss, bevor das Bugrad die Bahn verlässt. Ein zu frühes Abheben würde den Luftwiderstand erhöhen und die Startstrecke verlängern.
Höhe ist der beste Freund des Rotax
Zu zweit und mit etwas mehr als Dreiviertel vollen Tanks ist die Leistung in Ordnung. Das Flughandbuch gibt eine Startstrecke von 250 Metern bei MTOM auf Asphalt an. Wir starten auf Gras und sind nicht bei MTOM. Das ist nicht ganz optimal, aber für meinen ersten Start auf diesem Muster völlig in Ordnung. Nach einer Startstrecke von schätzungsweise 350 Metern heben wir ab und steigen mit einer durchschnittlichen Steigrate von etwa 700 Fuß pro Minute (fpm). Da geht mehr, laut Handbuch 900 fpm. Mir reicht es, um mich an die Sling zu gewöhnen und gleichzeitig eine gute Sicht nach vorn zu haben.
In 2000 Fuß Höhe schalte ich den Autopiloten ein, um Zahlen für den Reiseflug zu bekommen, ohne von Hand zu fliegen: Auf der typischen General-Aviation-Höhe werden bei zirka 120 Knoten etwa 30 Liter Treibstoff pro Stunde verbraucht – ein ähnlicher Treibstoffverbrauch wie die Cessna 172, aber bei höherer Geschwindigkeit. Der Rotax 915 iS hat einen Turbolader. Das bedeutet, dass Höhe unser bester Freund ist. Für einen schönen Flug beispielsweise nach Cannes geht man auf Flugfläche 120 und erreicht bei ei- nem Kraftstoffverbrauch von nur 28 Litern pro Stunde knapp über 140 Knoten TAS. Das ist beeindruckend.
Ich schalte den Autopiloten aus und habe Zeit für ein paar Manöver. Die Sling verhält sich ausgezeichnet: Sie gehört zu den Flugzeugen, die Stabilität und Reaktionsfähigkeit mit guter Ruderabstimmung und einem angenehmen Steuergefühl verbinden. Der Strömungsabriss ist sehr gutmütig. Bei ganz nach hinten gezogenem Steuerknüppel sinkt sie mit hoher Geschwindigkeit, dazu ertönt ein schrilles Warnsignal.
Im Anflug sind wir immer noch 120 Knoten schnell, aber die erste Stufe der Landeklappen darf erst bei unter 85 Knoten gesetzt werden. Tim gibt die Anfluggeschwindigkeit mit 70 Knoten an, was mir ziem lich schnell erscheint. Das Handbuch empfiehlt, bei maximalem Gewicht mit 75 Knoten bis auf 50 Fuß zu sinken und dann die Geschwindigkeit zu reduzieren. Normalerweise fliege ich in der »182«, die mit Vortex-Generatoren ausgestattet ist, mit etwa 60 Knoten an, daher kamen mir 70 Knoten schnell vor. Die Landung ist dann einfach, die mittig angebrachte Einhebelbremse stört mich doch nicht allzu sehr.
Der Blick von hinten …
Eine weitere Sitzreihe in den hinteren Teil eines Flugzeugs einzubauen, ist immer eine große Herausforderung für den Designer. Das Dach wird immer niedriger, da sich der Rumpf zum Leitwerk hin verjüngt, und der Konstrukteur muss sich Gedanken über die Schwerpunktlage machen, also gibt es viel zu bedenken, wenn er Platz für die Sitze drei und vier schafft. Dank der großen Türen der Sling ist es ziemlich einfach, in den Fond zu klettern, und wenn man erst einmal drin ist, sind die Sitze, die in ihrer Position fixiert sind, sehr bequem. Ich bin 188 Zentimeter groß und meine Beine sind länger als mein Oberkörper. Es war zwar etwas eng, als die Vordersitze zurückgeschoben wurden, damit Tim und Ian einsteigen konnten, aber sobald sie wieder nach vorne in die Flugposition gerutscht waren, war genug Platz für meine Beine vorhanden. Allerdings berührte der obere Teil meines Kopfhörers das Kabinendach, sodass man nicht noch größer sein sollte. Zwei kleine Erwachsene würden dort hinten gut zurechtkommen, vielleicht berühren sich die Schultern. Da die Sitze ziemlich tief am Boden angebracht sind (um die Kopffreiheit zu maximieren), habe ich festgestellt, dass meine Oberschenkel nicht auf dem Sitzkissen aufliegen können, was auf längeren Flügen unangenehm werden dürfte. Alles in allem bieten die hinteren Sitze der Sling HW dank der gut platzierten hinteren Fenster und der Belüftungssteuerung eine hervorragende Aussicht auf die Welt, vor allem, wenn man eine durchschnittliche Größe hat.
Ed Hicks
Wenn Rotax einen stärkeren Motor baut, würde die Sling davon profitieren
Das Flughandbuch gibt eine Landestrecke von 225 Metern bei einer Dichtehöhe von 6000 Fuß an – die Heimatbasis von Sling in Südafrika befindet sich auf dem Tedderfield Airpark auf 5197 Fuß! Aber die Bremsen wurden bei der Messung fürs Handbuch sicher sehr kräftig betätigt.
Nach dem Mittagessen starten wir ein zweites Mal, diesmal sitzt noch Fotograf Ed Hicks auf dem Rücksitz. Wir haben etwas weniger Treibstoff als vorher in den Tanks und Ed ist leicht – aber wir sind spürbar schwerer. Die Landestrecke verlängert sich, ich bremse sanfter. Im Flug hat sich das Handling der Sling nicht großartig verändert. Es fühlte sich definitiv nicht so an, als würde sie nicht vorankommen.
220 000 Euro – kein Schnäppchen
Die Sling vereint in großartiger Weise Platz, Leistung und Wirtschaftlichkeit, aber sie ist keine Cessna 182. Dafür fehlt sowohl die Leistung als auch die Flügelfläche. Auf kurzen, weichen Pisten und voll beladen könnte die Landung aufgrund des Bugrads unangenehm werden. Besser ist hier die Taildragger-Version, oder noch besser, die Taildragger-Version zusammen mit größeren Motoroptionen: Ein leistungsstärkerer Rotax wird in Kürze erwartet.
Die Bausätze der Sling-Tiefdecker haben sich als gut strukturiert erwiesen, der Support durch den Hersteller wird gelobt. Dennoch hat die Sling High Wing nicht nur Aluminium als Material (für Leitwerk und Flügel), sondern auch Verbundwerkstoffe für den Rumpf. Die machen es dem Erbauer nicht unbedingt leichter. Tim Hardy beziffert die Gesamtkosten des Bausatzes der Sling abzüglich der Farbe auf etwa 220 000 Euro. Kein Schnäppchen, aber darin ist nicht nur der Flugzeug-Bausatz enthalten, sondern auch der Motor, die Avionik, die Polsterung und sogar die Mehrwertsteuer. Die Sling ist ein neuer, moderner Viersitzer, der gut konstruiert und vielseitig einsetzbar ist. Sie kommt mit deutlich niedrigeren Betriebs- und Wartungskosten aus als ihre zertifizierten Kollegen. Für Deutschland ist seit kurzem Aircraft Builders Europe BV in den Niederlanden der offizielle Vertriebspartner (siehe Kasten rechts).
Technische Daten
Sling High Wing
Spannweite 9,54 m
Länge 7,19 m
Höhe 2,62 m
Kabinenbreite 1,17 m
Leermasse 595 kg
MTOM 1050 kg
Tankinhalt 198 l
Motor / Leistung Rotax 915 iS / 141 PS
Propeller Dreiblatt, Constant Speed, elektrisch verstellbar
Verbrauch Reiseca. 32 l/h
V Reise(9500Fuß)142 KTAS
V ne155 KIAS
V s051 KIAS
Start Rollstrecke@ISA,MSL220 m
Lande Rollstrecke@ISA,MSL180 m
Hersteller Sling Aircraft Tedderfield Airpark Johannesburg, Südafrika
Internet
Vertrieb Aircraft Builders Europe, Oudkarspel, Niederlande
Telefon 0031(88)9112112
Internet www.aircraftbuilders