... möglichen Aufgaben, die auf die Wachabteilung warten, auch einige, die es anderswo nicht gibt. Erreichen bereits Ölwehr, Höhenrettung oder Einsätze im Zusammenhang mit Gefahrstoffen, etwa wegen der am Cuxport-Terminal umgeschlagenen und gelagerten großen Mengen von Chemikalien, hier schnell Dimensionen mit beträchtlicher Tragweite, bringt die Lage der Stadt an der Nordsee und der Elbmündung weitere ganz spezielle Einsatzszenarien mit sich. Seit 1991 besteht die mit dem Land Niedersachsen vereinbarte Zuständigkeit der örtlichen Berufsfeuerwehr für die Schiffsbrandbekämpfung auf einer der weltweit meistbefahrenen Wasserstraßen. Und dann ist da noch die Wattrettung, die mit Unterstützung der DGzRS und der DLRG Cuxhaven durch die Berufsfeuerwehr Cuxhaven durchgeführt wird.
Schwenk zylinder und ausgefahrener Abstützung
Für alle Fälle gerüstet
Dafür hält die Wache an der Cuxhavener Schulstraße bereits ein eigenes Motorrettungsboot (RTB) samt Trailer vor. Mehr noch verlangen allerdings die zahlreichen Zusatzaufgaben nach einer hochgradig spezialisierten und den erwartbaren Größenordnungen angemessenen Ausrüstung. Um diese im Bedarfsfall schnell zur Hand zu haben, ist man dazu übergegangen, das benötigte Equipment auf unterschiedlichen Abrollbehältern (AB) zusammenzuziehen, die auf die jeweilige Verwendung zugeschnitten sind und genau dort abgestellt werden können, wo sie gebraucht werden. „Das ist längst bei nahezu allen Feuerwehren Standard“, erklärt Kranausbilder Arne Katzenberger, der dem ProTrader an diesem grauen Freitagvormittag nach seiner Schicht noch das neue Fahrzeug der Wache bei einem seiner möglichen Einsatzszenarien vorführt. „Wenn statt des standardmäßigen AB-Rüst zum Beispiel unsere Ausstattung für die Ölwehr gebracht wird, tauschen wir vor dem Ausrücken lediglich den Abrollbehälter. Das ist in zwei bis drei Minuten erledigt.“
Aufgrund der kontinuierlichen Auslastung immer weiterer Gerätschaften stößt der bisher für diesen Zweck in Cuxhaven zur Verfügung stehende Zweiachser mit dem zunehmenden Gewicht mancher Abrollbehälter inzwischen an seine Kapazitätsgrenze. Zusätzlich zum eigentlichen Aufbau muss das Fahrzeug ja auch noch das Gewicht des Hakengeräts und eines weiteren zwingenden Ausstattungsmerkmals tragen: Bei Rettungseinsätzen im Bereich der Hafenanlagen kann es nämlich durchaus erforderlich sein, das RTB von der Kaimauer aufs Wasser zu setzen. „Da kommen wir, wie jetzt bei Niedrigwasser, schon mal auf einen Niveauunterschied von 5 Metern“, gibt Katzenberger zu bedenken.
Investition in die Zukunft
Höchste Zeit also für eine Neuanschaffung. Eine Kranreichweite von deutlich über zehn Metern, und das bei einer entsprechenden Tragkraft von mindestens 600 Kilogramm, galten dabei als Mindestvoraus setzung. Am Ende des Auswahlprozesses des öffentlich ausgeschriebenen Investitionsvorhabens ging der Auftrag zur Lieferung der entsprechenden Aufbauten für den als Träger bestimmten MAN TGS 26.400 an die Firma Fassi Ladekrane. Sowohl mit dem hauseigenen F245A.0.25, einem Kran mit 22,2 Metertonnen Hubleistung und einer hydraulischen Reichweite von fast 15 Metern, als auch mit dem von der Fassi-Tochter Marrel gebauten Hakengerät AL16 DIN 51 hatte der Deutschlandvertrieb des Unternehmens aus Gründau die idealen Mitspieler im Portfolio und konnte überdies auch die Montage aus einer Hand bieten.
Absetzen des AB-Rüst mit Marrel-AL16DIN-Hakengerät. Großer Pluspunkt des Abrollers ist seine Fähigkeit, besonders niedrig stehende Behälter zuverlässig an den Haken zu nehmen. Der AB-Rüst hält eine umfangreiche Ausrüstung bereit und erreicht daher ein Gewicht von rund 8 Tonnen
Punkten konnte man dabei nicht zuletzt auch mit der Fähigkeit des Hakengeräts, erinnert sich Wolfgang Feldmann, Geschäftsführer des Unternehmens, Abrollbehälter auch aus einer sehr ungünstigen Position und bemerkenswert niedriger Höhe aufzunehmen. Ebenso erweist sich der F245A.0.25, obwohl das Fahrzeug aufgrund letzter noch ausstehender Nacharbeiten bislang nicht offiziell in Betrieb genommen werden konnte, an diesem Vormittag als unkompliziert handhabbarer und ausgesprochen schnell einsatzbereiter Ladekran. Zuvor hatte freilich der diensthabende Wachleiter, dem Wunsch des Fotografen nach authentischen Aufnahmen entgegenkommend, einem kurzen Abstecher des Wattrettungszuges in Richtung Hafen zugestimmt.
Der Kran von der linken Seite mit Ölkühler, Schwenkzylinder und Abstützung. Darunter wird ein Teil des besonders niedrig bauenden Hilfsrahmens sichtbar
Unterwegs mit der Feuerwehr
Bereits nach kurzer Fahrt finden sich daher der Wattrettungszug und der Neuzugang der Feuerwehr am Nordseekai im Fischereihafen wieder. Einer gut geölten Maschine gleich macht die mit dem Unimog und dem Bootstrailer angerückte Mannschaft des Zuges das Rettungsboot in Windeseile seeklar. „Im wirklichen Übungsfall wären jetzt schon zwei Schwimmer im Überlebensanzug im Wasser“, kommentiert Katzenberger beim Ausfahren der Abstützungen des Ladekrans den eingespielten Ablauf eines solchen Einsatzes. „Das RTB dient in diesem Kontext in erster Linie der zügigen Bergung in Not geratener Personen.“ Nur wenig später hat der scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringende Katzenberger den Haken des mit der RCS-Funkfernsteuerung präzise steuerbaren F245A.0.25 genau über das RTB manövriert. Ein kurzer Hub, ein 180-Grad-Schwenk und schon senkt sich das Boot bei gleichzeitigem Ausfahren der Ausschübe und Abwärtsschwenken des Knickarms, gesichert durch die Kollegen Kai Schröder und Marco Otten der Wachabteilung, auf die Wasseroberfläche ab. Zehn Minuten später ist das RTB bereits wieder auf dem Trailer verstaut. Während der Wattrettungszug abrückt, demonstriert Katzenberger noch das Absetzen des AB-Rüst auf die Kaimauer. Das Öffnen der Rolljalousien gibt den Blick frei auf den umfangreichen Bestand dort verstauter Gerätschaften. Angefangen mit einer heckseitig verbauten Werkstatteinrichtung über Hydraulikwerkzeuge und Wagenheber, Absperrmaterial, Schaumlöschgerät, Schaufeln, Stützen, Seilund Kabeltrommeln bis zu Stromgenerator und Lichtmast ist hier alles verstaut, was bei gewöhnlichen Rettungseinsätzen gebraucht wird. Hier zeigt sich der große Vorteil des Konzepts der Abrollbehälter: Die gesamte Ausrüstung ist bequem vom Boden aus erreichbar. Zum Schluss wünscht sich der Redakteur noch einmal die Vorführung der Maximalausladung des F245. Auch diesem Wunsch entspricht Katzenberger gerne.
Arne Katzenberger konzentriert bei der Arbeit. Auch ohne Übung kommt er mit dem Fassi-Kran auf Anhieb zurecht
Der Neuzugang der Cuxhavener Berufsfeuerwehr mit Fassi F245 und Marrel AL16 im Innenhof der Hauptwache
Herausforderungen im Vorfeld
Zuruck in der Wache klart Schirrmeister Andreas Kunitzsch noch uber den nicht ganz einfachen Hintergrund dieser au.erst kostspieligen Investition der Feuerwehr Cuxhaven auf. Denn ausgerechnet der eigentlich besonders niedrig bauende Fassi-Kran verursachte dem Fahrzeugbauer bei der geforderten Ausfuhrung des Aufbaus einiges Kopfzerbrechen. Die auch fur den Neuzugang der Feuerwehr obligatorische Parkposition in der aus den 80er Jahren stammenden Fahrzeughalle der Cuxhavener Hauptfeuerwache verlangte namlich die Einhaltung eines extrem niedrigen Lichtraumprofils. Die von der Feuerwehr vorgegebene Maximalhohe des Aufbaus konnte nur mit Muhe durch eine Absenkung der Kranaufnahmen um 30 Millimeter, die Verwendung von Niederquerschnittsreifen vorne sowie eine fur die Einfahrt in das Gebaude programmierte Absenkung des Luftfahrwerks um 50 Millimeter eingehalten werden. Keine Handbreit Luft ist zwischen der Oberkante des Krans und der Hallendecke. Hochst zufrieden mit der Leistung und der Manovrierbarkeit des Krans drangt Kunitzsch nun auf eine zugige, abschlie.ende Abnahme des Fahrzeugs. „Bevor wir das Fahrzeug zu den ersten Einsatzen schicken, mussen sich die Wachmannschaften ja auch noch mit samtlichen Funktionen vertraut machen. Erst wenn jeder Handgriff sitzt, konnen wir auf das Fahrzeug zahlen.“
Die in den 80er Jahren gebaute Fahrzeughalle der Feuerwache setzt der lichten Höhe der Fahrzeuge enge Grenzen
Fotos Peter Leuten