... gemacht haben?
Sie meinen, abgesehen von Weihnachten feiern? Ich weiß, worauf Sie anspielen. An dem Tag ging „Bridgerton“ bei Netflix an den Start. Und natürlich hat die ganze Familie aufgeregt vor dem Fernseher gesessen.
Der weltweite Erfolg war sicher Ihr schönstes Weihnachtsgeschenk aller Zeiten, oder?
Das kann man wohl sagen. Es war absolut surreal! Damit hatte keiner gerechnet, bei Netflix wohl nicht – und ich am allerwenigsten. Aber es kamen so viele Dinge zusammen: die Pandemie, der Lockdown, Kinos und Theater waren geschlossen. Und dann die Feiertage zum Jahresende – eine Zeit, in der ohnehin die wenigsten das Haus verlassen. Also hat die ganze Welt „Bridgerton“ geschaut. Nach Happy-Ends sind wir doch alle süchtig. (lacht)
Es heißt, Sie saßen 2017 in einer Starbucks-Filiale, als Sie von Ihrem Agenten erfuhren, dass Star-Produzentin Shonda Rhimes, die Macherin von „Grey’s Anatomy“, Ihre Romanreihe für Netflix als Serie umsetzen will. Fiel Ihnen da der Becher aus der Hand?
Ich glaube, ich habe tatsächlich ein bisschen Kaffee verschüttet. Diese Anfrage kam aus heiterem Himmel. Mein Agent meinte am Telefon, die Rhimes-Leute hätten sich danach erkundigt, ob die Filmrechte frei sind… Ha, die waren so was von frei!
Sie haben also nicht gezögert?
Sind Sie verrückt?! (lacht) Natürlich nicht. Wenn Shonda Rhimes deine Bücher verfilmen will, sagst du auf der Stelle ja!
Seltsam genug, dass es mit der Verfilmung so lange gedauert hatte.
Ja. Obwohl mein Verlag die „Bridgerton“-Romane jahrelang wie Sauerbier anbot, fand sich in Hollywood kein Abnehmer.
Haben Sie für diese Zurückhaltung eine Erklärung? Die Bücher verkaufen sich doch wie geschnitten Brot.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass „romance novels“, das Genre, in dem ich schreibe, keinen besonders guten Ruf genießen. Da rümpfen die Leute eher die Nase, und wer die Bücher liest, tut es heimlich. Das ist wie mit den „Shades of Grey“-Romanen von E.L. James – obwohl die sich millionenfach verkauft haben, mochte niemand zugeben, dass er auf diesen Mix von SM und Liebe steht.
Stattdessen gab es immer mal wieder eine neue Jane-Austen-Verfilmung.
Ja, die Austen-Romane spielen ebenfalls in der Regency-Zeit und handeln von Liebe. Aber sie besitzen das Gütesiegel „hohe Literatur“. Wir Romance-Autorinnen sind nun mal die hässlichen Stief kinder der Branche. Aber ich habe meinen Frieden damit gemacht. Immerhin bringen unsere Bücher so viel Geld ein, dass die Verlage es sich überhaupt leisten können, Titel zu veröffentlichen, die zwar fürs Renommee gut sind, aber winzige Auflagen haben. Ohne uns geht es also nicht!
Der Dank bleibt trotzdem aus…
Ich will mich nicht beklagen. Ich konnte schon immer ziemlich gut von meinen Büchern leben. Und jetzt erst recht!
In Harvard machten Sie einen Master in Kunstgeschichte und wollten anschließend in Yale Medizin studieren, richtig?
Ja, ich war gerade fürs Studium angenommen worden, als ein Verlag mein erstes Romanmanuskript kaufte.
Dass Sie sich deshalb ganz aufs Schreiben verlegten, soll Ihren Eltern gar nicht gefallen haben.
Ach, das lag noch länger zurück. Damals war ich 13 oder so. Mein Vater wollte, dass ich ihm beweise, dass die Lektüre von Kitschromanen, nach denen ich süchtig war, gut für mich ist. Ich erwiderte ihm, ich würde sie in erster Linie lesen, um das Romanschreiben zu lernen. War nur halb gelogen.
Sie bezeichnen sich als Feministin.
Das bin ich auch. Wenn Männer Liebesgeschichten schreiben, pflege ich zu sagen, stirbt die Heldin – oder jedenfalls sehr häufig. Bei mir überleben die Heldinnen nicht nur, sie triumphieren auch. Klar, sie gehen nicht zur Universität, denn das war zu Beginn des 19. Jahrhunderts einfach nicht möglich. Aber in vielen kleinen Details zeige ich, wie stark und selbstbewusst sie sind.
Auf Ihrem Instagram-Account gibt es ein Foto von Ihnen mit der berühmten US-Feministin Gloria Steinem, die lachend einen Ihrer „Bridgerton“-Romane in die Kamera hält. Ist sie ein Fan?
Ich denke schon. Aber sie war auch lange Zeit die Lebensgefährtin meines Schwiegervaters und hat meinen Mann Paul mit großgezogen. Was für ein Glück, denn so ist aus ihm ein Feminist geworden. (lacht)
Autoren sind ja häufig von den Verfilmungen ihrer Werke enttäuscht. Sie etwa auch?
Nein! Ganz ehrlich, hätte man passendere Darsteller für Daphne Bridgerton und den Duke of Hastings finden können? Phoebe Dynevor und Regé-Jean Page sind meine absolute Traumbesetzung! Als er mich bei einem Setbesuch in den Arm nahm, wusste ich nicht mehr, wo oben und unten ist.
Dann können Sie vermutlich nachvollziehen, weshalb Millionen Fans trauerten, als durchsickerte, dass Mr. Page in der zweiten „Bridgerton“-Staffel nicht mitspielen würde?
Und ob! Überhaupt habe ich mich in alle Schauspieler verliebt: Claudia Jessie als Bücherwurm Eloise oder Nicola Coughlan als heimliche Lady Whistledown. Und natürlich die fabelhafte Golda Rosheuvel als Queen Charlotte!
Apropos: Die Rollen in der Serien- Adaption wurden „farbenblind“ besetzt, obwohl Sie die Romanfiguren historisch korrekt als weiß schildern…
Die Idee fand ich einfach großartig! Im Übrigen würde ich die Besetzung nicht als „farbenblind“ bezeichnen, im Gegenteil: Das Team entschied ganz bewusst, die Figuren von allen Hautfarben spielen zu lassen, auch den Hochadel. Dieses integrative Casting hat wirklich mein Bewusstsein dafür geschärft, wie dringend wir es brauchen.
Sie hatten also überhaupt keine Zweifel an der Entscheidung?
Nein, meine Romane sind doch eh romantische Fantasien – warum also nicht gleich zeigen, dass so viele Menschen wie möglich diese Art von Glück und Würde verdient haben? Die Besserwisser von der Geschichtspolizei hatten mich sowieso schon auf dem Kieker!
Kennen Sie eigentlich „Squid Game“, den koreanischen Horrorhit, der „Bridgerton“ im September 2021 als bis dahin erfolgreichste Netflix-Serie aller Zeiten ablöste?
Nein, habe ich noch nicht gesehen. Aber mein Mann.
Und?
Er fand’s wohl ganz gut. Aber ich fürchte, dieses Gemetzel und Blutvergießen ist einfach nichts für mich.