... voran der Gleichgewichtssinn, der im Innenohr und im Kleinhirn dafür sorgt, dass der Mensch beim Stehen oder Gehen nicht umkippt. Die Augen sowie die Nerven in den Füßen helfen ihm dabei. Was das Aufrichten, Stehen und Gehen bei Babys nicht gerade einfacher macht, ist die Besonderheit, dass der Kopf der Kinder verhältnismäßig groß und schwer ist. So ist es verständlich, dass es von den ersten Schritten bis zum geübten Laufen etwas Übung und Zeit braucht. In diesen Wochen und Monaten wird das Kind mehr als einmal hinfallen. Diese kleinen Misserfolge halten aber kein Baby davon ab, am aufrechten Gang weiterzuarbeiten; im Gegenteil, diese selten richtig schmerzhaften, aber unumgänglichen Erfahrungen helfen dabei, mit der Schwerkraft besser umzugehen und das Gleichgewicht zu halten.
VORÜBUNGEN FÜRS AUFRECHTE GEHEN
In diese Zeit fallen auch die ersten Erfahrungen mit dem aufrechten Gang. Zu den vielen verschiedenen Bewegungsimpulsen des Babys gehört es, sich an den hingestreckten Fingern seiner Eltern hochzuziehen und, so unterstützt, stehen zu bleiben. Dies wiederum ist die erste Übung für das selbstständige Aufrichten: Was sich auch immer als Hilfsmittel anbietet – Stuhl-und Tischbeine, das Gitterbett –, wird vom Baby genutzt, um sich selbst hochzuziehen.
ANDERE WEGE – WENN DAS KRABBELN AUSFÄLLT
• Man nennt die Zeit ab dem neunten Lebensmonat zwar das Krabbelalter, aber eine Minderheit von immerhin etwa 15 Prozent aller Babys macht dabei einfach nicht mit. Die kleinen „Hinternrutscher“ und „Schlängler“ überspringen diesen Entwicklungsschritt einfach. Und zwar, ohne dass es ihnen schadet – denn viele Wege können zum Laufen führen. Entgegen früheren Vorstellungen gibt es nicht nur die eine normgerechte Entwicklung zur Mobilität.
• Nach wissenschaftlichen Studien ist es genetisch bedingt, ob ein Kind, statt zu krabbeln, andere Formen der Fortbewegung bevorzugt, wie etwa zu rutschen oder zu kriechen. Ist das der Fall, liegt keine Entwicklungsstörung oder gar ein genetischer Defekt vor; es lassen sich auch keine Rückschlüsse auf die spätere Entwicklung ziehen.
• Kinder, die nicht robben und kriechen, sondern sich lieber aufsetzen und dann auf dem Hosenboden ihre Erkundungstouren unternehmen, brauchen jedoch etwas länger, um das Laufenlernen abzuschließen: Sie laufen im Schnitt erst mit 18 bis 20 Monaten.
• Dabei macht es keinen Unterschied im Hinblick auf die Entwicklungsgeschwindigkeit, welche der vielen möglichen Beinstellungen beim Rutschen genutzt wird; ob mit gestreckten Beinen, einem angewinkelten Bein, im normalen oder im umgekehrten Schneidersitz – in allen Varianten kommen Hinternrutscher gut voran.
• Noch seltener kommt es vor, dass Babys sich schlängeln oder in der Brückenposition fortbewegen (bei der das Kind aus der Rückenlage heraus sein Kreuz hebt und sich mit den Beinen vorwärts stößt). Doch auch dies können Vorformen des Laufens sein – jedes Kind findet seinen eigenen Weg!
Zu dieser Zeit merkt das Kind auch, dass es viel einfacher ist, in den Stand zu gelangen, als wieder zurück ins Sitzen – die Versuche, sich zu setzen, sehen dann öfter mal aus wie (mehr oder minder) kontrollierte Abstürze. Weil dabei auch eine gewisse, wenn auch eher geringe Verletzungsgefahr besteht, sollten Eltern ihren Nachwuchs am besten gut im Auge behalten, wenn er das Stehen übt.
Um den ersten Geburtstag herum probieren viele Kinder die ersten eigenen Schritte: Sie lösen sich vom unterstützenden Gegenstand und versuchen, auf eigene Faust loszuziehen. In der Anfangsphase ist der Zehenspitzengang typisch. Und weil der Gleichgewichtssinn für den aufrechten Gang erst noch trainiert werden muss, sind die ersten eigenständigen Ausflüge eher ein Laufen als ein Gehen, um durch die höhere Geschwindigkeit besser die Balance zu halten.
„Vieles machen Eltern von kleinen Kindern intuitiv richtig“, weiß der Berliner Kinderarzt Dr. Ulrich Fegeler. So auch beim Laufenlernen: Beim gemeinsamen Spielen reichen Eltern ihrem Sprössling gerne die Hand, damit er sich z.B. an einem Hocker leichter hochzieht. Oder sie führen ihn bei den ersten wackligen Schritten. Und natürlich ermuntern sie ihn: „Gleich hast du es geschafft! Ja, das schaffst du!“ – Auf diese Weise unterstützen Eltern ihre Kinder hervorragend bei den ersten Schritten. „Die Kinder freuen sich über das elterliche Lob für ihre Erfolge, und auch das spornt sie zu weiteren Anstrengungen an“, sagt Ulrich Fegeler. Unterstützung ist also ohne Frage sinnvoll. Aber Kinder das Laufen zu lehren ist überflüssig – dafür sorgt schon ein genetisches Programm, das in jedem Menschen nur darauf wartet, abzulaufen.
ZEIT BIS CA. ZUM 18. MONAT
Diese Tatsache dürfte alle Eltern beruhigen, deren Baby nicht zu den ersten im Bekanntenkreis gehört, die krabbeln, sich hochziehen und schließlich aufrichten können: Die Zeitspanne, in der Kinder laufen lernen, ist groß und reicht vom 9. bis zum ca. 18. Lebensmonat. Wichtig: Jedes Kind lernt laufen!
Falls eine gesundheitliche Beeinträchtigung dagegen spräche, würde sie sehr wahrscheinlich schon bei einer der Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U5 (bis 7. Monat) diagnostiziert werden. Doch solche Probleme sind sehr selten, und wenn sie vorkommen, sind viele gut behandelbar, etwa Fehlstellungen der Gelenke oder Hüftprobleme. Fazit: Kinder lernen von ganz alleine laufen, Eltern können sie dabei sanft unterstützen. Im Frühling und Sommer ist es besonders schön, wenn man sich mit den Kleinen barfuß auf dem Spielplatz aufhalten kann: Mit nackten Füßen ist der Bodenkontakt optimal, die Sinneseindrücke, die die Fußsohlen ans Gehirn schicken, helfen beim Finden der Balance.
SO WIRD DIE WOHNUNG KINDERSICHER
Das Kind krabbelt los – und die Eltern kriegen zu tun: Wenn der Nachwuchs mobil wird, müssen Schutzvorkehrungen her.
Leider finden Kinder oft gerade die unfallträchtigen Dinge besonders faszinierend: Treppen sind höchst spannende Orte; wenn Mama oder Papa kocht, will man dabei sein; und auch Experimente erfreuen sich großer Beliebtheit – was wohl passiert, wenn man die Tischdecke vom Tisch zieht oder einen Finger in die Steckdose steckt …?
Unverzichtbar sind Steckdosensicherungen und Türstopper in der ganzen Wohnung, damit vorwitzige Finger sich nicht einklemmen können. Generell sollten Eltern ein Auge darauf haben, dass nichts herumsteht, was auf das Baby stürzen könnte, was Flüssigkeiten enthält oder was verschluckt werden kann.
In der Küche muss der Herd besonders gut gesichert werden: Optimal dafür sind ein Herdschutzgitter und eine Sicherung für die Backofentür. Beim Kochen sollte man die hinteren Kochplatten nutzen und Pfannenstiele nie über die vordere Herdkante hinausragen lassen. Auch scharfe Gegenstände wie Küchenmesser müssen selbstverständlich außer Reichweite des Kindes gebracht werden.
An alle Schranktüren, hinter denen sich mehr oder weniger giftige Putzmittel und Ähnliches verbirgt, gehören auf jeden Fall Kindersicherungen. Auch die Vorratsschubladen sollten gesichert werden: mit einer Kilopackung Mehl beispielsweise, deren Hülle gut zu „knacken“ ist, kann ein Einjähriges sehr kreativ werden!
Der Küchentisch muss von nun an eine Weile ohne Decke auskommen: Tischdecken sind in Haushalten mit Krabbelkindern und Laufanfängern tabu; ebenso, Gegenstände so nahe an die Kante von Tischen, Schränken oder Arbeitsflächen zu stellen, dass sie sich im Greifradius des Kindes befinden. Auch die unteren Fächer von Regalen werden besser leer geräumt.
In allen Räumen mit einem Boden aus Fliesen oder PVC ist es wichtig, dass der Fußboden nicht nass ist und dadurch rutschig wird, was für Laufanfänger erhöhte Sturzgefahr bedeutet. Um schmerzhafte Kollisionen mit Tischkanten zu vermeiden, sollte man generell Eckenschutz-Aufsätze anbringen. Schließlich gehören oben und unten an Treppen Sicherungsgitter; ebenso vor Kaminöfen.
Zur Hochsicherheitszone muss die Wohnung deshalb nicht werden. Die wichtigste Regel des Krabbelalters lautet schlicht: Lassen Sie Ihr Kind nie längere Zeit unbeaufsichtigt!