KNACKPUNKT SCHULTER
Bildquelle: Deine Gesundheit, Ausgabe 5/2021
Deine Gesundheit: Wie funktioniert eine gesunde Schulter?
DG: Welche Bewegungen verursachen in der Regel Dr. med. Raul Borgmann: Zum einen ist sie ein langfristige Probleme? muskulär geführtes Kugelgelenk, bei dem die Gelenkpfanne im Vergleich zum Oberarmkopf relativ leme führen zu einer muskulären Dysbalance
R.B.: Einseitige Belastung und Haltungsprob- klein ausfällt und durch eine muskuläre Manschette der Rotatorenmanschette in Position gehalten, Schulter. Beispiel einer möglichen Überbelas- und damit langfristig zu einer Schädigung der geführt und über ein ausgeklügeltes muskuläres tung: Eine Kassiererin, die 40 Stunden pro Woche System im Gelenk-Mittelpunkt zentriert wird. Dies immer von rechts nach links Waren schiebt. In ermöglicht uns die Bewegung in allen Richtungen solchen Fällen ist es wichtig zum Beispiel durch zwischen circa 80 bis 90 Grad. Für den vollen Umfang des Bewegungsausmaßes zum Beispiel beim Abwechslung zu sorgen, damit nicht einzelne
Kassenwechsel oder andere Tätigkeiten für Anheben des Armes bis über den Kopf braucht Muskelgruppen monoton die gleiche Bewegung es noch weitere Bestandteile. Die „Gelenke“ des ausführen müssen. Abwechslung der Bewegungsabläufe ist natürlich kiosk_10/09/2021 nicht nur für die Deine Schultergürtels Gesundheit setzten Oktober/November sich insgesamt aus 2021_14/09/2021_united drei
Schulter Teilen zusammen: dem eigentlichen Schultergelenk (zwischen Gelenkpfanne und Oberarmkopf ), dem Gelenk zwischen Schulterdach und Schlüsselbein, durch das das Schultergelenk am Brustkorb aufgehängt wird sowie dem Gleitlager zwischen Schulterblatt und Brustkorb. Dieses ist natürlich kein Gelenk, vielmehr „schwimmt“ das Schulterblatt auf dem Brustkorb und gleitet hier hin und her, was die Stellung der Gelenkpfanne verändert und dadurch den restlichen Teil der Bewegung ermöglicht. von größter Bedeutung, sondern für alle Bereich unseres Bewegungsapparats zur Vorbeugung von Rücken- oder Nacken-, Hüft- und Kniegelenks- beschwerden. Ein weiteres Beispiel für monotone Belastungen ist PC-Arbeit und vor allem die Bedienung der PC-Maus beim Sitzen in der stets gleichen Position am Schreibtisch samt der Arm-Außen-Drehung zur Bedienung der Maus. Normalerweise ist das kein Problem, doch macht man dies acht Stunden täglich drei Mal pro Minute, werden jedes Mal dieselben Muskelfasern
Das biologische Alter hat aus meiner Sicht kaum eine Bedeutung.
DG: Welche Rolle spielt das Alter? R.B.: Das biologische Alter hat aus meiner Sicht kaum eine Bedeutung. Natürlich regeneriert unser Gewebe mit zunehmenden Jahren weniger schnell. Ich glaube, das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass im Alter muskuläre Dysbalancen, muskuläre Verkürzungen und Haltungsprobleme zunehmen. Diesem kann man vorbeugen! Von größter Bedeutung ist das Vermeiden von musku-aktiviert. So stellt dies ganz schnell eine Überbelastung Deine dar.
Gesundheit Ein weiterer Oktober/November Aspekt bei der Büroarbeit ist die Haltung: Man sitzt den ganzen Tag Zudem sollte man für eine gute sprich einseitigen Belastungen.
Beweglichkeit am PC mit nach vorne gezogenen Schultern und eher rundlichem Rücken und führt wenig große Bewegungsausmaße im Schultergelenk aus. Auch dadurch nimmt die Beweglichkeit im Gleitlager des Schulterblattes ab. Die Muskulatur, die das Schulterblatt steuert, verspannt und verklebt und fixiert das Schulterblatt, was dann, wollen wir größere Bewegung in der Schulter absolvieren, zu einer Einschränkung führt und folglich zu einer Mehrbelastung des Gelenks zwischen Gelenkpfanne und Oberarmkopf. Über die Zeit kommt es zu degenerativen Veränderungen bis hin zur Teilruptur an der Sehne, Schleimbeutelentzündungen oder Ähnlichem. des Schulterblatts sorgen. Das lässt sich erreichen, indem man in seinem Alltag kleine Bewegungs-
Unterbrechungen einbaut. Zudem ist es für den gesamten Bewegungsapparat unheimlich wichtig Positionswechsel zu machen. Beispiel: Bei der PC-Arbeit wäre der Stehtisch nicht nur für den Rücken von sehr hohem Wert, sondern auch für Schultern und Nacken. Grund: Im Stehen nimmt man eine andere Position ein und führt damit etwas andere Bewegungsabläufe aus als beim Sitzen, was dem gesamten Körper gut tut.
DG: Welche Sportarten empfehlen sich, um seine Schultern beweglich zu halten?
R.B.: Schwimmen und Klettern sind wertvolle Sportarten für das Schultergelenk. Aber auch beim Nordic Walking werden sie in einer Art wie wir sie sonst im Alltag nicht einsetzen, mobilisiert.
Damit schaffen Sie einen guten Ausgleich.
DG: Warum knackt es in der Schulter manchmal – auch bei jüngeren Menschen?
R.B.: Das sind in der Regel Schleimhautfalten der Gelenkkapsel oder gespannte Faszien-Anteile, die über einen knöchernen Vorsprung entweder um die Gelenkpfanne oder zwischen Schulterblatt und Brustkorb hin-und herspringen und dadurch Knack-Phänomene verursachen. Das ist prinzipiell nichts Schlimmes, deutet jedoch oft auf eine myofasziale Dysbalance hin.
DG: Was ist eine Kalkschulter und eine Frozen Shoulder?
Dr. med. Raul Borgmann ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und betreibt eine Privatpraxis für Orthopädie und Osteopathie in Freiburg im Breisgau. Zu seinen Schwerpunkten gehören: Manuelle Medizin, osteopathische Verfahren, Akupunktur, Sportorthopädie, Stoßwellentherapie, PRP Therapie (thrombozytenangereichertes Plasma aus Eigenblut), interventionelle Verfahren und Prolotherapie. www.orthopaedie-osteopathie-freiburg.de
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R.B.: Eine Kalkschulter entsteht durch einen Reizzustand im Sehnengewebe, bei dem die Fibroblasten aufgrund chronischer Überbelastung oder eines Reizzustands anfangen, Kalk einzulagern und sich dadurch ein kleines Kalkdepot in Sehne oder Sehnenansatz bildet. Dieses kann jahrelang unbemerkt bleiben und keine Probleme machen. Befindet es sich jedoch in einem Bereich, wo es unter dem Schulterdach einklemmt oder aufgrund anderer Faktoren aktiviert wird, kann es in einen akuten Entzündungsprozess wechseln, und über Nacht zu sehr quälenden Schmerzen kommen. Therapie der Wahl ist hier zum einen lokal eine hochenergetische fokussierte Stoßwellentherapie wie auch die myofasziale Behandlung der umliegenden Muskulatur, für die ich auch oft die Stoßwelle mit einsetze. Der Kalk bei einer Kalkschulter besteht aus einer zahnpastaartigen Konsistenz, sodass man bei den wenigen Patienten, die mit der Stoßwelle allein nicht schmerzfrei werden, mittels einer ultraschallgesteuerten Punktion die
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Kalkanteile aus der Sehne herausspülen kann. Operatives Vorgehen ist nur sehr selten nötig. Eine Frozen Shoulder ist schwieriger zu behandeln, wobei meiner Erfahrung nach nicht selten Schulterprobleme als Frozen Shoulder bezeichnet werden, obwohl sie eigentlich eine sehr gut zu behandelnde funktionelle myofasziale (also Muskel- und Faszien-)
Problematik darstellen. Die echte Frozen Shoulder ist eine Entzündung der Schultergelenkskapsel, bei der diese sich in ihrer Gesamtheit verdickt, wie ein narbiger Mantel ums Schultergelenk legt, und dadurch Bewegungen einschränkt. Der typischer Verlauf beginnt mit heftigen Schmerzen bei jeder Bewegung, dann folgt die Einsteifungs-Phase, bei der vor allem die Beweglichkeit massiv eingeschränkt wird und der Schmerz langsam nachlässt, während in der dritten Phase die Beweglichkeit langsam wieder zunimmt und sich die Problematik auflöst. Eine Frozen Shoulder hat langfrsitig eine sehr gute Prognose und in den allermeisten Fällen erreichen die Patienten nach dem Ausheilen wieder ein normales oder weitgehend normales Bewegungsausmaß der Schulter. Der Krankheitsverlauf lässt sich oft nur schwer vor allem in der Entzündungsphase mit Schmerzen und auch in der Steifheits-Phase beeinflussen. Man kann als Patient nur versuchen, Schonhaltungen zu vermeiden und als Therapeut eigentlich nur symptomatisch arbeiten und den gesamten myofaszialen Apparat ums eigentliche Schultergelenk herum behandeln. Die eigentliche Gelenkentzündung (Capsulitis) lässt sich wirklich effektiv erst in der dritten Phase behandeln, wenn die Schulter beginnt „aufzutauen“. Hier kann man mit verschiedenen Maßnahmen eingreifen, um diesen Prozess zu beschleunigen. Insgesamt ist vom Krankheitsbeginn bis zur weitgehend wieder normalen Beweglichkeit mit drei Monaten bis drei Jahren zu rechnen.
DG: Was lässt sich machen, um lebenslang vor Schulterschmerzen gefeit zu sein?
R.B.: Vermeiden Sie monotone Bewegungen und einseitige Belastung, sorgen Sie für regelmäßige Wechsel im Arbeitsalltag, und eine gute Schulterblatt-Beweglichkeit und achten Sie auf eine muskuläre Balance.
Gut zu wissen
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Muskuläre Dysbalancen sowie myofasziale Verklebungen spielen bei Schulterproblemen fast immer eine Rolle. Ganz wichtig ist eine gute Haltung: Hier sollte man am Becken beginnen, an dessen Mobilität arbeiten, den Hüftbeuger entspannen und dehnen. Damit wird eine Aufrichtung im Brustkorb bewirkt, die automatisch die Schultern etwas nach hinten bringt.
Zudem ist die Beweglichkeit des Schulterblattes von großer Bedeutung, um die Balance zwischen Innen- und Außenrotatoren der Schultermuskulatur zu erreichen. Die Stoßwellentherapie richtig eingesetzt, bewirkt oft wahre Wunder!
Ebenso sinnvoll sind neben Eigenübungen eine manuelle Behandlung der Muskulatur, Triggerpunkt-Behandlung, zum Beipsiel dry-needling (Triggerpunkt-Akupunktur), Stoßwellentherapie und elektromagnetische Transduktions-Therapie (EMTT).
DG: Welche Sportarten stärken unsere Schultern und fördern die Beweglichkeit?
R.B.: Ich empfehle stets die Sportart zu machen, die Freude bereitet, denn an dieser werden Sie langfristig dranbleiben. Speziell für die Schultern ist Schwimmen ein sehr gelenkschonender Sport, allerdings behandle ich aus dem Bereich der Leistungssportler auch Schwimmer mit Schulterproblemen, denn auch hier kann man sich mit ungünstiger Technik oder Überbelastungen Probleme einfangen. Mein Tipp: Achten Sie stets auf eine gute Technik – egal ob beim Schwimmen, Tanzen, Golfen oder Tennis und sorgen Sie für entsprechenden
DG