... habe ich gemerkt, wie Kaffee zu jedem Gericht eine Vollmundigkeit beiträgt und wie sehr es jedes Gericht potenzieren und abrunden kann.Wir haben uns sehr intensiv mit dem Thema Umami auseinandergesetzt. Kaffee hat aber einen geringen Umamigehalt, ungefähr den einer mittelreifen Tomate. Was Kaffee aber ausmacht ist diese Vollmundigkeit. In der japanischen Küche heißt das „kokumi“. Vollmundigkeit bekommt man auch von Bohnen oder wenn man eine Rindfleisch- oder Tomatensauce einkocht. Da kriegt man auch dieses kokumi.Innerhalb einer Speisenfolge muss man eine gewisse Spannung aufrechterhalten. Wenn ein Koch vier oder fünf Mal hintereinander gleiche oder ähnliche Geschmacksprofile bei dem Gast hervorruft, wird es nicht unbedingt langweilig, aber er gewöhnt sich an diese Geschmacksbilder. Wir verstehen den Kaffee als Würzmittel. Grundsätzlich muss man den Kaffee also nicht unbedingt rausschmecken und er muss nicht in jedem Gericht eingesetzt werden.Wir setzen in fast jedem Gericht bis zu zwei Prozent Kaffee ein, also minimal, wie eine Prise Salz. Was wir dabei gelernt haben: durch den Einsatz von Kaffee in Speisen können wir andere Würzmittel – gerade Salz – auch weglassen bzw. reduzieren. Es harmonisiert einfach viele Gerichte.Ich finde, Kaffee passt zu allen Gerichten. Es gibt auch wirklich schräge Kombinationen. Man kann Kaffee zum Beispiel mit Mango kombinieren. Wenn man einen Sud mit Kaffee macht, Zitrone und etwas Zuckersirup einrührt, funktioniert das. Ein Lachstatar mit Kaffee abgeschmeckt ist total schön. Wir würzen unsere rote Bete mit Kaffee, damit die erdigen Noten weiter runtergehen. Ein abgekühlter Espresso, etwas Olivenöl und Balsamico sowie ein bisschen Salz dazu: So entsteht eine 1A Vinaigrette zu einem Feldsalat mit gerösteten Pinienkernen. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich Rezepte von Grillprofis sehe, die mittlerweile ihre Rubs und Würzungen mit geschroteten Kaffeebohnen versetzen.Wir haben viele Abläufe in unserer Küche hinterfragt und neu gestaltet. Für Saucen rösten wir keine Knochen mehr, sondern holen uns die Röststoffe aus dem Kaffee.Man muss schon darauf achten, wie man den Kaffee einbringt. Ich war mal bei einer italienischen Mama, die in ihr Risotto frisch gebrühten Espresso gegossen hat. Man hat es nicht rausgeschmeckt. Als ich sie gefragt habe, wieso sie das macht, sagte sie: „Weil es schmeckt!“Sie können aber nicht immer wieder in jedes Gericht einen Espresso einbinden! Sie müssen manchmal ein Pulver nehmen oder eine Sauce extrahieren. Wir haben auch ein Kaffeeöl hergestellt. Wir nehmen aber auch einen sehr feinen, verwalzten Kaffee, den wir mit Salz mischen, und würzen damit. In einem Fischfond lassen wir die Kaffeebohnen warm ausziehen. Wir nutzen auch unterschiedliche Anbaugebiete. Bei einem Gericht, das gedanklich nach Südamerika passt, passt natürlich auch die Bohne aus Südamerika dazu.Wir nutzen grundsätzlich sehr schonende Zubereitungsmethoden. Ich mag zum Beispiel das Sous Vide-Garen. Was wir neu gelernt haben ist eine Kaltreduktion. Wir extrahieren den Kaffee mit üblichen Methoden und kochen ihn weiter ein. Dann nutzen wir einen Rotationsverdampfer, um den Kaffee ohne Hitze weiter zu konzentrieren. Damit kann ich auch einen Cold Brew ohne Hitze „einkochen“, damit ich noch sehr präzise Geschmacksbilder rausarbeiten kann. Durch das Nicht-Erhitzen ist der typische Geschmack des Kaffees noch besser schmeckbar.Man muss einfach nur Mut haben. Wenn man sich spielerisch dem Thema nähert, ist man genau richtig aufgehoben. Da ist Neugier der beste Berater.
Foto: Heiko Antoniewcz