... Psychiater an der Universität Regensburg. In einem neuen Ratgeber (siehe Buchtipp Seite 10) stellt er ein Konzept vor, wie wir Informationsmüll entsorgen und wieder klarsehen. Drei Faktoren sind dafür besonders wichtig.
1| Präziser wahrnehmen, das Gedächtnis verbessern
DAS PROBLEM „Manchmal habe ich das Gefühl, als würde man mir morgens einen riesigen Trichter ins Gehirn stecken und tonnenweise Geräusche, Bilder, Termine, Aufgaben und anderen Informationsmüll hineinkippen.“ So wie diesem Patienten von Prof. Busch geht es vielen. Eine Masse an Informationen – der Kopf fühlt sich voll an, kein klarer Gedanke ist mehr möglich. Eine häufige Folge ist Vergesslichkeit. Man kann sich kaum einen Namen merken, verwechselt Personen und weiß nicht mehr, was vor einer Stunde am Telefon besprochen wurde.
Extra-Tipp
GEDÄCHTNIS STÄRKEN
Schauen Sie eine interessante Fernsehsendung aufmerksam an. Verzichten Sie währenddessen auf eine zweite Bildschirmnutzung – etwa das Smartphone. Sobald die Sendung vorbei ist, schalten Sie erst einmal aus – statt um. Denken Sie über den Inhalt nach: Was habe ich gerade gesehen? Was fand ich spannend? Welcher inspirierende Gedanke kam mir? Machen Sie sich die relevanten Punkte noch einmal klar.
Keine Sorge! Eine ernsthafte Erkrankung wie Alzheimer steckt meist nicht hinter der schlechten Merkfähigkeit, vielmehr eine Überlastung des Arbeitsgedächtnisses, lokalisiert im präfrontalen Cortex des Gehirns. Hier muss alles durch, ehe es im Langzeitgedächtnis archiviert werden kann. Speicherplatz ist dort allerdings knapp bemessen, ebenso die Zeit, die für eine neue Information zur Verfügung gestellt wird. „Je mehr wir uns gleichzeitig abverlangen, desto oberf lächlicher arbeitet daher unser Arbeitsgedächtnis mit den bruchstückhaften Informationen, und die Spuren zerfallen rasch wieder“, warnt der Neurologe Prof. Busch.
DAS HILFT „Seien Sie geistig ganz bei dem, was Sie gerade tun, beispielsweise wenn Sie ihren Mitmenschen zuhören, etwas Interessantes lesen oder den Tagesablauf planen“, rät Volker Busch. „Wenden Sie sich nicht zu vielen Dingen auf einmal zu, sondern ausschließlich dem, was gerade wichtig ist.“ Die Präzision der Wahrnehmung erhöht sich so automatisch und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass deutlich mehr hängen bleibt.
Eine gute Übung ist, sich jeden Tag 15 bis 30 Minuten Zeit zu nehmen, um innezuhalten. Das kann im Café, im Stadtpark oder im Büro sein. „Beobachten Sie einmal ganz bewusst Ihre Umgebung und Ihre Mitmenschen. Was hören und sehen Sie?“,
Wir brauchen Kopffreiräume, Zeit, Geduld und den Mut, etwas Neues auszuprobieren.“
Prof. Volker Busch
empfiehlt der Neurologe und Psychiater. Ideal ist für diese Erfahrung ein Museumsbesuch – ganz allein, am besten mit abgeschaltetem Handy. Viele werfen nur f lüchtige Blicke auf die Ausstellungsstücke. Wer aber genauer hinsieht und sich nicht ablenken lässt, wird plötzlich faszinierende Details entdecken. Die Eindrücke vertiefen sich und bleiben länger in Erinnerung. Auch eine Gedächtnisübung wie diese schult die bewusstere Wahrnehmung: dazu 15 bis 20 Gegenstände nebeneinander auf einen Tisch legen und diese 60 Sekunden lang betrachten. Danach zudecken. An welche Objekte erinnern Sie sich?
Prof. Buschs Tipp: „Probieren Sie doch mal ein Dunkelrestaurant aus!“ Fällt das Sehen weg, und sind die Sinne einzig auf Geschmack und Geruch fokussiert, sind Geschmackserleben und Genuss viel intensiver. Auf diese Weise lernt man, den relevanten Dingen mehr Zuwendung zu schenken und auch die Kleinigkeiten im Leben mehr zu schätzen.
"Die Lebens- und Arbeitswelt ist dichter, schneller, komplizierter geworden. Und zunehmend fragmentiert.“
Dr. Volker Busch
2| Konzentration steigern, Fehler vermeiden
DAS PROBLEM „Wer zwei Hasen gleichzeitig jagt, wird keinen davon fangen“, wusste bereits der chinesische Philosoph Konfuzius (551 – 479 v. Chr.). Trotzdem tun wir genau dies immer wieder – im Beruf wie im Privaten. Multitasking nennt sich das heute. Gemeint ist der Versuch, verschiedene Aufgaben gleichzeitig zu erledigen: etwa Bügeln, Kochen und simultan dazu noch Telefonieren.
„Unsere Lebens- und Arbeitswelt ist dichter, schneller und komplizierter geworden – und zunehmend fragmentiert“, sagt Prof. Volker Busch. Stress, Hektik, permanente Störungen und Ablenkungen gehören bei vielen Menschen zum typischen Alltag, führen aber zu Fehleranfälligkeiten.
Manchmal mit dramatischen Folgen. Man denke nur an Unfälle, die beim Lesen von Smartphone-Nachrichten im Straßenverkehr passieren. Dass Multitasking gut funktioniert, ist eben leider nur ein Mythos. Auch dass Frauen darin talentierter seien als Männer. Nur etwa drei Prozent der Bevölkerung können ohne größere Einbußen ihre Aufmerksamkeit in schnellem Tempo zwischen den jeweiligen Tätigkeiten hin- und herschalten. Für den großen Rest sind hingegen Ungenauigkeiten und Fehler dabei fast unvermeidlich. Zudem braucht der Denkapparat bei jedem Aufgabenwechsel immer wieder eine gewisse Anlaufzeit. Der Zeitaufwand ist also im Endeffekt größer als beim Hintereinander- Abarbeiten – auch wenn leidenschaftliche Multitasker das womöglich anders sehen.
DAS HILFT Multitasking sollte man also möglichst vermeiden! Leider ist das nicht immer möglich. In diesem Fall rät Volker Busch: „Wechseln Sie nicht direkt von einer Sache zur nächsten, sondern lehnen Sie sich im Stuhl zurück, atmen Sie dreimal durch, und schauen Sie ein paar Sekunden lang aus dem Fenster.“ Bereits eine winzige Pause gibt dem inneren Scheinwerfer ausreichend Zeit, seinen Spot auf das neue Ziel auszurichten.
Extra -Tipp
AUFGABEN STAPELN
Fassen Sie beim Erledigen von Aufgaben bestimmte Dinge zusammen, die sich ähneln. Arbeiten Sie diese dann „im Stapel“ ab: etwa erst Telefonate, dann Mails, dann Aufräumen etc. Legen Sie für jede Tätigkeit eine bestimmte Zeit fest, erledigen Sie alles konzentriert, also „stapelweise“. Die Herangehensweise erhöht Ihre Leistung, weil die Aufmerksamkeit fokussiert ist und nicht immer wieder durch neue Aufgaben abgelenkt wird.
Der Mangel an Konzentration ist eine häufige Ur- sache für unstrukturiertes Arbeiten und Fehler. Diese Fähigkeit lässt sich aber trainieren. „Beginnen Sie damit, dass Sie sich eine Stunde pro Tag nehmen, in der Sie etwas tun, was Ihnen besonders wichtig ist“, schlägt Volker Busch vor. Der Neurologe nennt dies die „tiefe Stunde“, in der man seine volle Konzentration etwa dem Lesen eines Buchs widmet, ein Hörbuch hört, Rätselaufgaben löst oder andere geistig anspruchsvolle Arbeiten verrichtet.
" Viele kommen erst dann auf gute Ideen, wenn sie sich mit etwas anderem als ihrer Arbeit beschäftigen.“
Dr. Volker Busch
Es kommt darauf an, sich nur einer einzigen Sache zu widmen, dieser aber dafür richtig! Akustische Störungen sind unerwünscht, darum: Radio und Fernseher aus. Fenster zu. Auch das Smartphone abschalten, so verlockend der Blick auf das Display auch sein mag. Tipp: Es gibt verschiedene Apps, die einzelne Funktionen oder das ganze Handy stummschalten. „Versuchen wir, nicht überall zu sein, und dadurch letztlich nirgends richtig, sondern konzentrieren wir uns auf das, was wichtig ist“, empfiehlt Volker Busch. Regelmäßige kurze Pausen wie etwa ein Spaziergang helfen abzuschalten und die Aufmerksamkeit wiederherzustellen. Dabei tief und langsam durchatmen – aber nicht über den Brustkorb, sondern für den maximalen Entspannungseffekt über Zwerchfell und Bauch. Im Wald ist diese Wirkung sogar noch höher. Das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter, die frische Luft: Das alles senkt den Blutdruck, macht den Kopf wieder frei und sorgt im Übrigen oft auch für kreative Einfälle.
3| Bessere Entscheidungen treffen, neue Ideen zulassen
DAS PROBLEM Gerade wenn man eine gute Idee braucht, fällt einem nichts ein. Auch im Treffen von Entscheidungen tun sich viele schwer. Ist ein Mangel an Kreativität schuld? Keineswegs! Viele packen es schlicht falsch an, wenn sie auf Ideensuche gehen. Denn eben jene, die angestrengt über einem Problem grübeln, kommen oft nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Unser Gehirn funktioniert anders.
Extra-Tipp
EIN TAG OFFLINE
Nutzen Sie einen ganzen Tag lang weder Smartphone noch Laptop oder andere digitale Geräte. Am besten an einem Sonntag, denn werktags werden Sie dies vermutlich nicht umsetzen. Sie bieten damit nicht nur Ihrem Rücken und den bildschirmmüden Augen Entlastung, sondern haben auch die Chance, sich geistig von der Bildschirmwelt zu lösen. So entstehen längere Kopffreiräume am Stück, in denen Sie sich anderen Dingen widmen können.
DAS HILFT „Viele kommen meist dann auf gute Ideen, wenn sie sich mit etwas anderem als ihrer Arbeit beschäftigen“, weiß Prof. Busch. Bei Albert Einstein war das etwa beim Geigespielen oder beim Segeln. Offenbar verschafften dem Physikgenie diese Beschäftigungen genügend Zerstreuung. Die ist wichtig: Denn in diesen Phasen richtet sich die Aufmerksamkeit nach innen und nicht mehr nach außen. Die Gedanken gehen auf Wanderschaft. „Auf diese Weise entstehen kreative Räume für Ideenfindung, Problemlösung und Möglichkeiten zur Selbstref lexion“, verrät der Neurowissenschaftler Busch.
In solchen Situationen sind wir nicht etwa geistesabwesend. Im Gegenteil: Das Gehirn ist sehr präsent. Frei von sämtlichen Ablenkungen und ohne Druck von außen springt das sogenannte Ruhezustandsnetzwerk an. Diverse Hirnregionen interagieren nun besser miteinander, bilden Assoziationen, lassen Geistesblitze entstehen. Ein kreativer Prozess, der von allein in Gang kommt und keiner Anstrengung bedarf. Auch hier rät Prof. Busch regelmäßig zur „tiefen Stunde“, um diesen Zustand gezielt herbeizuführen. Anfangs genügen schon 30 Minuten. Wer Schwierigkeiten hat, in dieser Zeit „nichts“ zu tun, kann sich mal mit Stricken oder dem Ausmalen von Mandalas beschäftigen. Viele finden auch beim Bergwandern oder im Gottesdienst die nötige Zerstreuung. Wichtig ist: Locker lassen! Keinen Zeitdruck! Nur so kann das Ruhezustandsnetzwerk im Hintergrund seine Arbeit tun. Viele Dinge erscheinen in einem anderen Licht. Plötzlich wird einem klar, warum der Partner kürzlich so abweisend war. Auch eine Idee fürs Versöhnungsgeschenk taucht auf. Eine ganz entspannte Eingebung, weil der Kopf endlich mal frei war!
ALEXANDER WEIS
Unter Stress!
DAS PASSIERT DANN IM GEHIRN
Psychische Belastungen machen sich bemerkbar: Stresshormone wie etwa Adrenalin und Kortisol aktivieren den evolutionär ältesten Teil des Hirns, das sogenannte Reptiliengehirn. Hier wird u. a. das instinktive Verhalten gesteuert. Problem: Das bewusste Denken in der Großhirnrinde wird dabei stark unterdrückt. Kurz- sowie Langzeitgedächtnis leiden. Als Teil des limbischen Systems wird auch die Amygdala überaktiviert, das Angstzentrum unseres Gehirns. Folge: Entscheidungen werden emotionaler getroffen.