... SN 1987A hervor, links unten der Röntgendoppelstern LMC X-1. Ansonsten tummeln sich auf dem Bild Vordergrundsterne des Milchstraßensystems und ferne aktive Galaxien im Hintergrund.
Drei Monate nach dem gelungenen Start vom russischen Raketenstartplatz Kosmodrom Baikonur in Kasachstan am 13. Juli 2019 (siehe SuW 10/2019, S. 38) ging es los: Alle sieben Kameras von eROSITA waren eingeschaltet, getestet, die Filterräder aufgedreht, und das Röntgenteleskop war auf unsere Nachbargalaxie, die Große Magellansche Wolke (engl.: Large Magellanic Cloud, LMC), ausgerichtet. Das war natürlich nicht wirklich das erste Mal, dass eROSITA Sternenlicht erblickte: Zum Test der einzelnen Kameras - bei dem eine nach der anderen an der Reihe war - gehörte auch ein kurzer Blick an den Himmel. Doch ein Anvisieren mit allen sieben Kameras gleichzeitig geschah erstmalig am 18. Oktober 2019. Zu diesem Zeitpunkt war die Mission bereits in die Umlaufbahn um den Lagrange-Punkt L2 eingeschwenkt, der etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist und sich auf der sonnenabgewandten Seite befindet. Der Vorteil: An diesem Lagrange-Punkt herrschen stabile thermische Verhältnisse, was ideal für ein Röntgenobservatorium ist.
Performance-Test bei der Nachbarin
Normalerweise hat ein »First Light« keine hohe wissenschaftliche Bedeutung, und die Astronomen wählen als erstes Zielobjekt etwas Bekanntes aus. Bei eROSITA hing es mit der Geschichte der Röntgenastronomie zusammen: Die LMC als nächstgelegene Sterneninsel war zuvor schon vom deutsch-britischen Röntgenteleskop ROSAT im Jahr 1990 und vom ESA-Röntgensatellit XMM-Newton im Jahr 2000 als Allererstes angepeilt worden. Im Bereich der Röntgenstrahlung erscheint unsere Nachbarin ganz anders als im sichtbaren Licht: Die LMC zeigt diffuse Strukturen, welche die Verteilung von heißem Gas mit Temperaturen von einigen Millionen Grad wiedergeben, das sich zwischen den Sternen der Galaxie befindet (siehe Bild oben). Außerdem lassen sich kompakte nebelige Gebilde ausmachen, die in der Regel Überreste von Supernova-Explosionen darstellen. Das jüngste Relikt dieser Art erkennen wir in der Bildmitte, und es stammt von der berühmten Sternexplosion, die sich im Jahr 1987 ereignete. Diese SN 1987A war damals selbst mit bloßem Auge zu sehen, nicht jedoch im Röntgenbereich. Die eROSITA-Aufnahme der Supernova bestätigt, dass diese Quelle langsam schwächer wird, während sich die Explosionsfront zunehmend in die Umgebung ausbreitet.
Ansonsten zeigt das erste Röntgenbild von eROSITA eine Vielzahl weiterer Quellen in der LMC, Vordergrundsterne aus unserer Heimatgalaxie und weit entfernte aktive Galaxienkerne. Die Struktur am unteren linken Bildrand, die einer »weißen Taube« ähnelt, ist die extrem helle, punktförmige Röntgenquelle LMC-X1. Es ist die hellste Quelle von Röntgenstrahlen (engl.: X-rays) in unserer Nachbargalaxie - daher der Name. Dabei handelt es sich um einen Röntgendoppelstern, in dem sich ein normaler Stern vom Spektraltyp O und ein stellares Schwarzes Loch umkreisen. Wir hatten LMC X-1 bei der Ausrichtung des Teleskops absichtlich an den Rand des Bildfelds gelegt. Das klingt unsinnig, war aber ein Test. Denn damit wollten wir den Einfluss von technisch unvermeidbarer Streustrahlung solch heller Quellen bestimmen. Die Streuung am Instrument erzeugt die kaum sichtbaren Ringe, die von dem Objekt LMC-X1 ausgehen. Uns Röntgenastronomen hat es besonders gefreut, dass der unvermeidliche Hintergrund, verursacht durch energiereiche kosmische Strahlung, relativ gering ausfällt. So erscheinen die diffusen Strukturen sehr kontrastreich. Diese Störstrahlung ist für Röntgenteleskope im Weltraum generell problematisch und stellt bei Aufnahmen eine Herausforderung dar. Trotz aller erdenklichen Maßnahmen zu deren Abschirmung, können wir ihren Einfluss nicht völlig unterbinden.
Jagd auf das Dunkle in und um Galaxienhaufen
Bei der zweiten Aufnahme von eROSITA geht es ebenfalls um Galaxien. Das Ziel war es, die filamentartigen Strukturen zwischen Galaxienhaufen (engl.: cluster) über große Entfernungen abzubilden - auch hier ist ein niedriger Hintergrund von Vorteil. Für die Leistungsfähigkeit von eROSITA lieferte das Röntgenbild der Haufen Abell 3391 (A3391) und Abell 3395 (A3395) ein erstes Beispiel (siehe Kasten rechts). Die beiden Galaxienhaufen sind rund 800 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und haben einen Abstand von einigen Millionen Lichtjahren zueinander. Sie enthalten jeweils Tausende von Galaxien. Im Röntgenbereich erscheinen die gigantischen Haufen als nebelige Objekte. Der Grund: Das Gas, in das beide Galaxienhaufen jeweils eingebettet sind, ist mit bis zu hundert Millionen Grad so heiß, dass es thermische Röntgenstrahlung abgibt. eROSITA ist so ausgelegt, dass wir mit dieser Methode rund 100 000 Galaxienhaufen finden werden. Das mit dem neuen europäischen Röntgenteleskop sichtbar gemachte heiße Clustergas folgt der Gravitationswirkung der unsichtbaren Dunklen Materie. Die großräumige Anordnung sämtlicher Galaxienhaufen hängt wiederum gleichermaßen von der rätselhaften Dunklen Energie ab, die das Universum auseinandertreibt. Wenn wir solche Haufen bei unterschiedlichen kosmologischen Rotverschiebungen mit eROSITA erfassen, können wir so ihre Entwicklung über kosmische Zeiträume hinweg verfolgen. Das erlaubt es uns, kosmologische Parameter wie die Energiedichten von Dunkler Materie und Dunkler Energie sowie die Hubble-Konstante präzise zu messen, so dass wir das kosmologische Standardmodell testen und besser verstehen können.
Mittlerweile sind die Instrumente von eROSITA kalibriert, einzelne wissenschaftlich wertvolle Beobachtungen wurden durchgeführt und bestätigen die erwarteten, hervorragenden Eigenschaften des neuen Röntgenobservatoriums. Nun hat die vier Jahre andauernde kontinuierliche und vollständige Himmelsdurchmusterung von eROSITA im Röntgenbereich begonnen. Nach ROSAT ist es die zweite Durchmusterung mit einem abbildenden Teleskop, allerdings mit einer erheblich größerer Empfindlichkeit und Detailtreue.
PETER PREDEHL ist Röntgenastronom am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und veranwortlicher wissenschaftlicher Leiter von eROSITA.