... Meter Rundbahn oder dem überdachten Football Field Runden zu drehen. Das Laufband diente allein dem Zweck, die tägliche „Mileage“ (zu Deutsch: Kilometerumfang) zu erfüllen, war aber mehr Feind als Freund.
Ganz im Gegensatz dazu wähle ich heute oft bewusst das Laufband und freue mich sogar darauf. Meine schönsten Läufe finden natürlich immer noch draußen statt - keine Frage. Aber das Laufbandtraining hat besonders im umfangreichen Marathontraining für mich einen neu entdeckten Charme. Manche Gründe dafür liegen auf der Hand, wie schlechtes Wetter mit Regen oder eisiger Kälte und glatten Straßen im Winter. Aber eigentlich kann man bei uns hier in Deutschland bei jedem Wetter noch draußen trainieren. Oft ist die Überwindung, rauszugehen, aber größer. Auf dem Laufband bin ich in dem Sinne freier, da ich ja zu jeder Zeit stehen bleiben kann. Das hilft besonders an psychisch harten Tagen. Freier fühle ich mich auch, weil ich bei jedem Wetter in „kurz-kurz“ laufen kann. Versuche ich, bei bestem Wetter im Park oder auf dem Radweg meinen Tempodauerlauf durchzuführen, für den ich nicht auf Nebenwege ausweichen kann, stelle ich mir spätestens dann die Sinnfrage, wenn ich Freunde beim Sonnen oder auf der Wiese treffe und mich jedes zweite ältere Ehepaar wie ein Auto anstarrt. Bin ich die Einzige, die sich hier so anstrengt? Sollte ich nicht vielleicht doch langsamer laufen?
Laura Hottenrott wurde 1992 in Kassel geboren und startet für den TV Wattenscheid 01. Sie hat Sportwissenschaft studiert und arbeitet derzeit an ihrer Promotion.
Foto: Norbert Wilhelmi
Alternativ dazu kann ich auf dem Laufband mit Gleichgesinnten virtuell laufen. Schon beim Einloggen auf Zwift bin ich fasziniert, wie viele Sportler sich gerade auf ihrem Rad oder Laufband verausgaben. Für diejenigen, die es nicht wissen: Zwift ist eine Online-Trainingsplattform, die anfänglich nur von Radfahrern genutzt wurde. Ich logge mich ein, synchronisiere meinen Radtrainer oder Schuhsensor mit meinem Tablet oder Computer und fahre oder laufe dann auf Strecken, umgeben von anderen Radfahrer*innen und Läufer*innen aus der ganzen Welt. Ich kann einfach nur mein eigenes oder ein vorgeschlagenes (Intervall-)Programm wählen. Es gibt verschiedene Orte, an denen ich laufen kann: Zwifts fiktive Welt von Watopia oder ein realitätsnaher Schauplatz wie London, New York, Innsbruck und Richmond. Schön finde ich auch, dass es einen realen Tag-Nacht-Zyklus gibt und unterschiedliche Wetterbedingungen, wie Regen, die die virtuelle Welt realer erscheinen lassen. Zudem gibt es eine Reihe verschiedener Arten von Challenges, darunter Gruppenläufe und Rennen. Anmerken möchte ich aber, dass die virtuelle „Traumwelt“ Watopia in erster Linie für Radfahrer entwickelt wurde und Traumradstrecken mit hohen Pässen, Vulkanen, Unterwasserwelten etc umfasst. Zum Laufen gibt es mittlerweile zwar eine blaue Tartanbahn, jedoch denke ich, dass es noch viel Potenzial gibt, um eine virtuelle Traumwelt von Läufern abzubilden.
Was ich jedoch für das Wichtigste halte, ist, das Gefühl zu haben, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein. Wenn wir uns in der virtuellen Welt begegnen, teilen wir die gleiche Leidenschaft und trainieren für uns und um unsere Fitness zu verbessern. In dieser virtuellen Welt muss ich mir keine Sorgen um Autos, Hunde oder auszuweichenden Passanten machen. Ich kann so lange laufen, wie ich will, ohne mich auf meine Umwelt konzentrieren zu müssen. Bei Triathleten liegt das virtuelle Training im sogenannten „Pain Cave“ schon länger im Trend, aber jetzt ist sogar Mo Farah auf Zwift unterwegs und beschreibt es: „I call it the Man Cave.“ Für mich dann „the Woman Cave“? Nein, ich denke, es beschreibt kein Gefühl der Enge, sondern eine andere Art von Freiheit!
Keine Rücksichtnahme, keine wetterfeste Kleidung und keine Ortskenntnis vonnöten und dabei ist mein Blick in eine vorbeirauschende virtuelle Welt mit hohen, schneebedeckten Gipfeln und der Weite des Meeres gerichtet, umgeben von Tausenden anderen Läufer*innen, die sich ihrer Liebe zum Ausdauersport hingeben.