... Sprachlosigkeit in der DDR war tief verankert und wirkt bis heute nach“, sagt die politische Bildnerin, Wissenschaftlerin und Aktivistin. Kontakt zu anderen Schwarzen Frauen und einer lesbischen Szene, wie es sie in Berlin und Leipzig gab, fehlten ihr gänzlich.
Früh engagierte sich Piesche in der Friedensbewegung und besuchte in den späten 1980ern evangelische Friedenssommercamps. „Ich war nie religiös, aber die Kirche bot Raum für Widerständigkeit.“ Das blieb auch dem Ministerium für Staatssicherheit nicht verborgen und hatte direkte Folgen: Ihr wurde das Literaturstudium verwehrt. Also studierte sie Deutsch-Russisch auf Lehramt in Erfurt. Als Günter Schabowski am 9. November 1989 die Grenzöffnung verkündete, verfolgte Piesche das aus dem Erfurter Studierenden-Club. „Erst einmal habe ich mich genauso gefreut wie viele andere.“ Der historische Moment blieb für sie jedoch zweischneidig. „Ich gehöre einer Generation an, deren Erwartungen weitgehend aufgegangen sind. Die Generation meiner Eltern – ich komme aus einer Arbeiterfamilie –, ist die Verliererin von 1989. Wer keine Beziehungen hatte und nicht bürgerlich-intellektuell abgesichert war, hat alles verloren. Ich konnte in den Westen gehen und studieren, was ich wollte.“
Rein ins Berliner Leben
Nachdem sie im Februar 1991 im badenwürttembergischen Tübingen für Literatur eingeschrieben war, folgte schnell der Umzug in eine Berliner Lesben-WG und der Kontakt zur Gruppe „Adefra – Schwarze Frauen in Deutschland”, ein Netzwerk, in dem sie bis heute aktiv ist. „Ich habe in der Schwarzen queeren Community mein politisches Zuhause gefunden und damit mein queeres und Schwarzes Coming-out erlebt.“ Die biografische Chance, die sich für sie ergab, sieht sie heute differenziert. Der Transformationsprozess war von einem enormen Anstieg rassistischer Gewalt begleitet, der öffentliche Räume für Schwarze Menschen immer gewaltbesetzter und exklusiver werden ließ. „Im Verhältnis DDRBRD blicken wir selten darauf, dass wir auch ein emanzipatorisches, gesellschaftliches Selbstverständnis in der DDR hatten.“
Piesche kennt den Preis des Umbruchs. „In der DDR wurde der weibliche Körper nicht kriminalisiert. Das fiel 1989 weg. Wir haben eine historische Amnesie, gerade wenn es um die Geschichte des Feminismus geht. Die DDR-Erfahrung muss sich immer räuspernd Gehör verschaffen. So nach dem Motto: Wir waren auch dabei. Für eine intersektionale Aufarbeitung bedeutet das auch auf die Probleme zu schauen. So lebten Vertragsarbeiterinnen unter katastrophalen Bedingungen und wurden in Sachen Reproduktionsrechte sanktioniert“, erinnert Piesche an die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen, die aus anderen sozialistischen Staaten, wie Mosambik oder Vietnam, kamen. „Diese Stimmen müssen zentriert und Feminismus nicht weiter weiß gedacht werden.“ Es ist unter anderem der kontinuierlichen Arbeit von Peggy Piesche zu verdanken, dass marginalisierte Stimmen in Gedenk- und Erinnerungsnarrative Einzug finden.
FOTO: Agnieszka Budek; Privat; Alex Peters; Privat