... Boxermotor, dunkelgrau nebelte es aus den Endrohren. Egal. Udo wollte ihn sofort, den Karmann. Weil er gold war, eine atemberaubende Form hatte und den Studenten mit seinem Motorklang betörte. Er kaufte, steckte einen Haufen Geld in die Sanierung – und verlor ihn kurz darauf durch einen Unfall. Karmann Nummer 2, ein 71er Cabrio, wurde ebenfalls Unfallopfer, Nummer 3 war ein 71er Coupé und irgendwann in 2002 tauchte Nummer 4 auf, Udos aktuelles 56er Typ-14-Coupé. Nummer 3 wurde verkauft, um die Restauration finanziell zu stemmen und Udo war seinem Jugendtraum, ein möglichst frühes Coupé zu fahren, näher gekommen. Die „Lowlight“ genannten Ghias der ersten Serie wurden bis September 1959 gebaut, Erkennungszeichen: tiefer sitzende Scheinwerfer und Chromstege für den Lufteinlass.
Um es kurz zu machen: Alles, wirklich alles wurde getauscht, Kotfl ügel, Türen, Haube und Scheinwerfer sind NOS-Originalteile. Die Arbeiten wurden von einem Karosseriebaumeister der alten Schule durchgeführt, Lackierung und Innenausstattung entsprechen dem Auslieferungszustand 1956. Während der Zeit der Restauration von 2002 bis 2007 hatte Udo reichlich Gelegenheit, die erste Serie intensiv kennenzulernen, machte unzählige Fotos, ging zu Karmann-Treffen und hat heute ein profundes Wissen, mit dem er weltweit Lowlight-Restaurationen unterstützt. Dabei ist es alles andere als einfach mit den frühen Ghias. Viele Veränderungen im laufenden Produktionsprozess wurden weder von Volkswagen noch von Karmann dokumentiert, Bauteilunterschiede im Detailbereich sind auf den ersten Blick nicht sichtbar, zudem legten sich weder die Historienabteilung in Wolfsburg, geschweige denn die Nachlassverwalter bei Karmann besonders ins Zeug, um Udo zu unterstützen.
Als das runderneuerte Coupé 2007 erstmals wieder Asphalt sah, zickte der Motor herum. Kurzerhand wurde er ausgetauscht, seitdem fährt Udo seinen Osnabrücker Beau bei gutem Wetter und mit großer Leidenschaft durch ganz Europa. 1,2 Liter, 30 PS, 6 Volt, weder Radio, Tankuhr noch Kilometerzähler, Trommelbremsen und ein 40-Liter-Tank: Da wird Reisen wieder zum Abenteuer. Doch Udo ist glücklich mit seiner Passion. „Deutsche Sachlichkeit mit italienischem Chic – mehr geht nicht“, hält er seinem roten Renner die Treue. Und wer meint, er hätte jetzt genug in Sachen Recherche – weit gefehlt. Das nächste Projekt läuft bereits: Udo hat sich auf die Fährte des rosa Karmann Ghia der seligen Romy Schneider geheftet. „Irgendwann fi nde ich ihn“, ist er siegesgewiss. Und dann gibt’s ein Buch über das verschollene 56er Coupé. Mit geballtem Insi-derwissen zu den Lowlights, versteht sich ...
Fotos: Udo Dreisörner