... tatsächlich nicht nur aus München, auch wenn die Marketingaussage dort gut gepflegt wird: Ferrari setzte zum Beispiel 1994 bei den Straßenwagen auf einen F512 M. Jetzt nutzen die Italiener den Buchstaben beim überarbeiteten Portofino wiederum, der hier für „modificata“ („verändert“) steht. Verändert sind auch die Bedingungen, den Wagen zu testen: in Coronazeiten statt rund um Maranello nun rund um den Starnberger See. Zugegeben, das ermöglicht keine Grenzerfahrungen, sondern nur eine bajuwarische Frühlingsfahrt (bei etwa sieben Grad), weil die Polizisten hier weit weniger Verständnis haben für die roten Renner als jene im „Land der Motoren“. Aber immerhin – es kann einen Eindruck geben, was die italienischen Ingenieure modifiziert haben.
Zum Beispiel den Klang. Aber vorher ein paar neue wichtige Daten: Mit 620 PS nun 20 PS mehr im bewährten V8-Biturbo (wie im Ferrari Roma), im Vergleich zum normalen Portofino unter anderem dank neuer Nockenprofile, mehr Ventilhub und höherer Turbodrehzahl. Der M besitzt das Achtganggetriebe aus dem SF90 Stradale, allerdings mit mechanisch statt elektrisch einzulegendem Rückwärtsgang sowie veränderten Übersetzungen, und verfügt damit über einen (Vorwärts-) Gang mehr als der Vorgänger – das „variable Boost- Management“ sorgt für ein gangoptimiertes Drehmoment, sodass beim Hochschalten vom 3. bis in den 8. Gang das verfügbare Drehmoment bis auf die vollen 760 Nm im siebenten und achten Gang erhöht wird. Die neue Kupplungsgruppe benötigt rund 20 Prozent weniger Platz, während das übertragene Drehmoment um 35 Prozent gesteigert werden konnte. Das bedeutet, dass beim Schalten ein maximales dynamisches Drehmoment von 1.200 Newtonmeter übertragen wird. Der Wagen besitzt natürlich jede Ferrari-Elektronik zur Kontrolle der Fahrzeugdynamik, die man sich nur wünschen kann.
Laut Ferrari ist der gesamte Antriebsstrang neu. Erstmals in einem 2+-GT von Ferrari beinhaltet das Manettino fünf Einstellungen dank neuem „Race“-Modus. Zur Verfügung stehen also nun „Wet“ für maximale Stabilität und Kontrolle bei schlechten Wetterverhältnissen, „Comfort“ für das Cruisen auf trockener Straße, „Sport“ für Sporengeben beim Cavallino Rampante, „Race“ sowie „ESC-off“ für die Freigabe zum Abflug. Die „Race“-Einstellung soll für „maximales Fahrvergnügen“ sorgen, wie Ferrari es formuliert.
FACTs
Ferrari Portofino M
V8-Biturbo
3.855 cm3
456 kW (620 PS) bei
5.750–7.500/min
760 Nm bei 3.000– 5.750/min
Achtgang-Doppelkupplung
Hinterradantrieb
4.594/1.938/1.318
L/B/H mm
1.664 kg
0-100 km/h in 3,45 s
320 km/h Vmax
199.550 Euro
GRIP Faktor
Drivestyle ★★★★★★
Performance ★★★★★★
Preis 321,85 €/PS
Ferrari hat nicht nur den Antrieb modifiziert, sondern auch wieder ausgiebig am Sound gebastelt
Das bedeutet hauptsächlich: wenig ESP. Die Beschleunigungsversuche in „Sport“ und „Race“ lassen das Heck schon mächtig schwänzeln, und die erlaubten 100 km/h sind zwar nicht in Nullkommanix, aber in fast so schnell vorbeiziehenden Dreikommairgendwas erledigt, hinterlassen ein Leichtigkeitsgefühl im Magen und ein Grinsen im Gesicht. Hohe Tempi auf der Autobahn (das geht ausnahmsweise in Deutschland und nicht in Italien) sind absolut unaufgeregt zu erreichen, wobei man heutzutage allerding auch bei jedem Sportwagen Stabilität in solchen Regionen erwarten kann. Das Bremspedal reagiert jetzt präziser auf Druck als früher, dafür wurde unter anderem der Pedalweg um zehn Prozent reduziert.
An den Abmessungen und den weiteren technischen Daten ändert sich nicht viel.
Der Motor des M kommt nach wie vor mit 760 Newtonmeter maximalem Drehmoment. Das Auto wiegt mit fahrbereiten 1.664 Kilo exakt so viel wie der Ur-Portofino, und während sich Höhe und Breite um keinen Deut ändern, ist der M um ganze acht Millimeter länger. 320 km/h schaffte auch der Vorgänger, und der Sprint soll gerade mal in 0,5 Sekunden schneller vonstattengehen. Siehe oben. Nachdem wir das nicht genauso exakt nachprüfen können und die Top-Speed gar nicht erst versuchen, genießen wir das Cruisen in dem Renner. In der legalen Straßen-Praxis machen sich die 20
Mehr-PS nicht wirklich bemerkbar, die Schaltgeschwindigkeit des Getriebes war schon vorher irrwitzig hoch. Wie schon beim Siebenganggetriebe schaltet die Elektronik sehr schnell in den verbrauchsgünstigen achten Gang hoch, wenn keine Leistung gefordert wird und man nicht manuell eingreift.
Hier in Bayern können wir vor allem den Sound beurteilen – man darf ja auch bei 100 km/h einen niedrigen Gang finden und so zumindest etwas automobilen Gesang produzieren. Tatsächlich hat sich Ferrari darüber wieder viele Gedanken gemacht und ist auf eine neue Geometrie des Abgasstranges gekommen. Beide hinteren Schalldämpfer fallen nun weg, was nicht nur den Sound verbessert, sondern den Abgasgegendruck reduziert. Die Bypass-Ventile werden proportional gesteuert – je nach Fahrsituation.
Beim Dach hat sich gar nichts geändert. Das Klappdach öffnet in 14 Sekunden und schließt auch so schnell, und zwar bis 50 km/h. Wir nutzen lieber die Sitzheizung statt der neuen optionalen Sitzlüftungsfunktion und nehmen auch die neue und ebenso optionale Nackenheizung dankend an, auch wenn wir uns damit zum Weichei abstempeln.
Das Ergebnis: ein fast sozialverträgliches Grollen beim Rollen und ein mächtiges Brüllen beim
Speeden. So müssen moderne Sportwagen klingen.
Natürlich haben auch die Designer das Modell dem neuen Technikanspruch angepasst. Eine aggressiver gestylte Front, neue Entlüftungsmöglichkeiten zur Senkung des Luftwiderstandes, ein deutlich kompakteres Heck auch dank der neuen Auspuffanlage, ein nun für sich gestellter Heckdiffusor, der sich nicht nur optisch gut macht, sondern dem Kunden auch ermöglicht, ihn aus Carbon zu bekommen, und neue Felgen runden das neue Aussehen ab.
Innen wurde das Portofino-Design vorsichtig weiterentwickelt, allerdings kann nach wie vor niemand ernsthaft in einer der beiden hinteren Sitzschalen hocken. Dorthin legt man am besten den Einkauf. Ferrari hofft zwar unter anderem auf „junge Familien“ als neue Kunden, aber vielleicht meinen die Italiener so junge Familien, dass Kinder erst noch in Planung sind und das Leben noch ohne sie genossen wird.
Aber auch für zwei ist der Portofino M sein Geld wert – was übrigens im günstigsten Fall 199.550 Euro bedeutet, somit knapp 10.000 Euro mehr als beim Vorgänger (189.704 Euro).
Wer jetzt bestellt, muss allerdings mindestens ein Jahr auf seinen M warten …