... zeigen, dass die Beipackzettel viele Menschen vor allem verängstigen. Apothekerin Dr. Viktoria Mühlbauer von der Universität Hamburg gibt Hinweise, wie Sie am besten mit den Informationen im Beipackzettel umgehen.
In einer Umfrage glaubten ca. 80 Prozent der befragten Fachleute, das Arzneimittel verursache die Nebenwirkung mit der im Beipackzettel gelisteten Häufigkeit. Aber: Das stimmt so nicht!
In den Beipackzetteln der Statine findet sich alsolediglich die Angabe, wie häufig Beschwerden in der Statingruppe aufgetreten sind . Um beurteilen zu können, ob ein Arzneimittel eine Nebenwirkung verursacht oder ob es sich um alltägliche Beschwerden handelt, muss man aber wissen, wie häufig die Beschwerden auch ohne Arzneimitteleinnahme auftreten.Diese Informationen fehlen im Beipackzettel. Dadurch kann der Abschnitt „Nebenwirkungen“ im Beipackzettel in seiner aktuellen Fassung gar nicht verstanden werden!
Wissen zumindest Fachleute Bescheid?
Wir aus denGesundheitswissenschaften der Universität Hamburg wollten wissen, ob wenigstens die Fachleute mit dem Abschnitt Nebenwirkungen im Beipackzettel umgehen können. Dazu haben wir Angehörige der Gesundheitsberufe befragt, insgesamt knapp 400 Ärzte, Apotheker, Krankenschwestern, medizinische Fachangestellte und Studierende der Medizin, Pharmazie und Gesundheitswissenschaften. Das Ergebnis war eindeutig:Von den Befragten war sich niemand dessen bewusst. Ca. 80 Prozent glaubten, das Arzneimittel verursache die Nebenwirkung mit der im Beipackzettel gelisteten Häufigkeit. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker? Manchmal vielleicht lieber nicht …
Studienergebnisse können täuschen
Statine haben den Ruf, Muskelschmerzen zu verursachen. In den großen klinischen Studien konnte dies, wie gesagt, nicht bestätigt werden: Sowohl in der Statingruppe als auch in der Placebogruppe traten Muskelschmerzen gleich häufig auf. Allerdings nehmen an solchen Studien meist „fitte“ Patienten ohne Begleiterkrankungen teil. Werden Patienten mit einem höheren Risiko für Muskelschmerzen von der Teilnahme an der Studie ausgeschlossen,kann das Ergebnis verfälscht sein .
Eine andere Studie zu den Statinen hat hingegen gezeigt: Solange die Teilnehmernicht wussten , ob sie ein Statin oder ein Placebo bekamen, hatten beide Gruppen gleich häufig Muskelschmerzen. Am Ende der Studie wurden die Teilnehmer aufgeklärt, ob sie ein Statin oder ein Placebo bekommen hatten. Bei der nächsten Befragung hatten plötzlich viel mehr Teilnehmer aus der Statingruppe Muskelschmerzen.
So wird der Beipackzettel verständlicher
Wir von der Universität Hamburg haben uns auch gefragt, wie der Beipackzettel verständlicher werden könnte. Gemeinsam mit demMax-Planck-Institut für Bildungsforschung haben wir alternative Darstellungen der Nebenwirkungen entwickelt. Diese untersuchten wir in einer Befragung mit knapp 400 Laien im Vergleich zum Standardbeipackzettel als Kontrolle. Auch hier war das Ergebnis eindeutig:Alle alternativen Darstellungen der Nebenwirkungen waren deutlich besser verständlich als im Standardbeipackzettel. Während mit diesem nur 2 bis 3 Prozent der Teilnehmer die Fragen korrekt beantworten konnten, waren es mit den alternativen Formaten bis zu 82 Prozent. Eine dieser alternativen Darstellungen sehen Sie links.
Was bedeutet das für die Praxis?
Die Beipackzettel, wie wir sie heute kennen,haben gravierende Schwächen . Sie sind für Patientenund für Angehörige der Gesundheitsberufe nicht verständlich. Die Beipackzettel sind juristische Dokumente zur Absicherung der Hersteller, keine Patienteninformationen. Ob ein Arzneimittel eine Nebenwirkung verursacht, erfährt man nur durch den Vergleich, wie häufig die Beschwerden auch ohne Arzneimitteleinnahme aufgetreten wären.Diese Information sollte im Beipackzettel ergänzt werden. Bis dahin müssen Ärzte und Apotheker selbst die Studienergebnisse heraussuchen, um ihre Patienten gut zu beraten.
Um realistische Daten zu Nutzen und Schaden von Arzneimitteln zu bekommen,braucht es gute klinische Studien . An diesen sollten auch gebrechliche Patienten mit Begleiterkrankungen teilnehmen. In der Praxis ist das ja auch die Patientengruppe, die die meisten Arzneimittel einnimmt.
Alternative Darstellung der Nebenwirkungen im Beipackzettel eines fiktiven Arzneimittels „Suffia“ (Format: Faktenbox nach Schwartz und Woloshin)
Beispiel: Nebenwirkungen von „Suffia“
Wie alle Arzneimittel kann auch Suffia Nebenwirkungen haben. Dabei sind aber nicht alle unerwünschten Symptome auch zwangsläufig auf das Einnehmen von Suffia zurückzuführen. Unerwünschte Symptome können auch auftreten, wenn das Arzneimittel Suffia gar nicht eingenommen wird.
Kontakt: Dr. Viktoria Mühlbauer // Universität Hamburg // MIN-Fakultät, Gesundheitswissenschaften // Martin-Luther-King-Platz 6 // 20146 Hamburg // E-Mail: viktoria.muehlbauer@uni-hamburg.de
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