... die Dame auch persönlich ansprechen und ihr einen Namen geben, etwa „Frau Müller“ oder so. Und dann ist da dieses Kopfkino: Was, wenn sie sagt, dass meine Co-Pilotin bei der letzten Ausfahrt ganz anders aussah?
Kopfkino aus, Realität an.
Wir sind unterwegs mit dem vollelektrischen Funky Cat, ja, so heißt dieses 4,26-Meter-Autochen wirklich. Das ist ein Modell der Marke Ora, die wiederum zu Great Wall Motor gehört, einem China-Autobauer. Letztes Jahr hat die Company von Firmenchef Jack Wey 1,28 Millionen Autos verkauft. Tendenz rapide steigend.
Funky Cat bedeutet so viel wie „irre Katze“, wir finden allein die Form echt irre. Vorn zwei runde Augen und konturierte Haube wie bei Mini, hinten ein runder Popo wie einst beim Käfer. Sieht schon putzig aus, dieser Ora. Die Chinesen sagen, das sei „RetroFuturism“ und dass das alles auch ziemlich europäisch wirken solle. Wir meinen, dass du das Auto vor Aldi oder Lidl schnell wiederfindest.
Bevor wir weiterfahren auf den Großen Feldberg, mit 881 Metern der Gipfel des Taunus, müssen wir Ora kurz erklären. Die kommen 2023 nach Deutschland, Importeur ist die deutsche Emil-Frey-Gruppe in Friedberg (Hessen), die bislang Autos von Mitsubishi und Subaru zu uns bringt. Es gibt schon 140 Händler, 200 sollen es 2023 sein. „Der stationäre Handel hat eine große Bedeutung für uns“, sagt Frey-Mann und Ora-Sprecher Jörg Machalitzky, „wir rechnen mit bis zu 80 Prozent Privatkunden.“ 6000 Autos wollen sie im nächsten Jahr verkaufen, die ersten sind schon auf Schiffen unterwegs.
Ora Funky Cat
171 PS 310 km Reichweite (WLTP)
50 Min. Ladezeit (0-80 %) ab ca. 36 000 Euro
! Der Ora Funky Cat will nicht nur praktisch sein, sondern mit Optik und Charme auffallen. Was ihm auch gut gelingt!
Unser schwarzer Testwagen ist ein Prototyp, Jörg von Ora sagt: „Es funktioniert noch nicht alles so, wie es später sein wird.“ Und doch geht schon einiges. Sprachbedienung etwa: „Hallo Frau Müller, fahr mich nach Friedberg in die Emil-Frey-Straße 2.“ Nach zehn Sekunden geht es los. Die Dame öffnet auf Zuruf auch die Kofferraumklappe. Nach drei Sekunden ist sie oben, nach weiteren drei wieder unten. Bedienung per Sprache geht auch mit Heizung, Fenster, Massagesitz. Wenn jetzt Stau wäre, könnten wir ein Spiel spielen oder „Frau Müller“ würde Witze erzählen. Irre!
Aber es geht ja immer noch ums Fahren. Können die Chinesen da auch punkten? Sagen wir so: Sie müssen noch mal ins Feintuning!
Die Straße zum Großen Feldberg ist kurvig und heute nass, es regnet immer mal wieder. Auf den Reifen haben wir vor Abfahrt neben dem Format 215/50 R 18 noch den Namen „Giti“ gelesen, jetzt wünschen wir uns mehr „Gripi“. Also mehr Bodenhaftung. Selbige verliert der Ora, wenn man nicht sensibel genug mit dem Gaspedal umgeht. Dann schiebt der Fronttriebler über die Vorderachse, sein ESP greift ein, du musst gegenlenken, um die Spur zu halten. Ist das der letzte Stand? „Nee“, sagt der Ora-Sprecher, „und auch die Reifen ändern sich noch.“
Was sich nicht ändern sollte: Der China-Mini fährt sich leichtfüßig, 171 Elektro-PS machen Spaß und sorgen mit der leichtgängigen Lenkung und dem knackigen Fahrwerk dafür, dass man den City-Floh angenehm dirigieren kann. Haben wir „Floh“ gesagt? Stimmt sogar! Wir sind unterwegs mit dem kleinen Akku, 48 kWh bedeuten 310 Kilometer Reichweite, mit der 64-kWh-Batterie sind gut 100 Kilometer mehr drin. Aber beide Male steht ein riesiger Nachteil auf der Anzeige der Schnellladesäule: 67 kW ist das maximale Ladetempo, also von leer auf 80 Prozent in 50 Minuten mit kleinem Akku, in einer Stunde mit dem großen. Viel zu langsam!
Obwohl: Man kann im Auto sogar Fußball gucken, da ist eine Stunde nichts! Da wir drin sitzen, müssen wir konstatieren: viel Platz, gute Bein- und Kopffreiheit auch hinten, Kofferraum eher mini und wegen diverser Ladekanten unpraktisch. Dafür feine Materialqualität: Alles, was man anfassen kann, ist aufgeschäumt, nichts wirkt lieblos, vieles eher Premium. „Ist ja auch keine Billigmarke“, sagt Machalitzky. Und dann orakeln wir über den Preis. Wir tippen auf 36 000 Euro für den kleinen und 40 000 Euro für den größeren Akku, beides abzüglich Umweltprämie. Kein Schnäppchen! Dafür flirtet einen die Dame im Cockpit permanent an. Hmm, ob sie auch merkt, wenn ich das Portemonnaie mit dem Geld für den Bohnenkaffee im Auto liegen lasse?
Ora Funky Cat (48-kWh-Akku)
Motor E-Motor vorn
• Leistung 126 kW (171 PS)
• Antrieb Frontantrieb/ Automatik
• L/B/H 4235/1825/1603 mm
Radstand 2650 mm
• Leergewicht 1540 kg (ohne Fahrer)
• Kofferraum 228-858 l
• Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
• 0–100 km/h 8,3 s
• Verbrauch 16,7 kWh/100 km
• Batterie 48 kWh
• Ladeleistung 67 kW (CCS)
Ladedauer 5,5 Stunden (AC, 0-100 %), 50 Min. (DC, 0-80 %)
• Preis ab ca. 36 000 Euro (abzüglich Förderung)
FAZIT
ANDREAS MAY
Jetzt bauen Chinesen auch noch einen Lifestyler! Der Ora Funky Cat ist fein verarbeitet, bietet viel Platz und feine Multimedia. Hat aber noch Fahrwerksschwächen – und wird teuer!
URTEIL ?????
????? = sehr gut, ???? = gut, ??? = befriedigend, ?? = ausreichend, ? = mangelhaft