Schloss Ahlden versteigert vier bedeutende Majolikafiguren von Joseph Wackerle
Bildquelle: Kunst und Auktionen, Ausgabe 13/2019
LIMIT 24 000 € Joseph Wackerle (1880 – 1959), „Vier Erdteile”, Fayence, Nymphenburg, um 1922 – 1927, H. 159 – 164 cm
Das Kunstauktionshaus Schloss Ahlden veranstaltet am 7. / 8. und 14. September seine große Kunstauktion und wird mit seiner breitgefächerten und qualitätsvollen Offerte aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk wieder eine große Zahl kunstbegeisterter Käufer anziehen.
Aus dem Angebot des Porzellans und der Keramik hebt sich eine überaus seltene und wunderbare Arbeit von Joseph Wackerle (1880 – 1959) deutlich hervor: Die weiß glasierten Majolikafiguren „Vier Erdteile” (Abb.), die aus einer Bochumer Privatsammlung eingeliefert wurden und in den zahlreichen Publikationen zu den Erzeugnissen der Nymphenburger Manufaktur im allgemeinen und zu Joseph Wackerle im speziellen bisher unbekannt waren und keine Erwähnung fanden. Die Taxierung auf 24 000 Euro scheint bei der Seltenheit der Figurengruppe sehr zurückhaltend und fast etwas zu moderat.
Im Jahre 1888 begann für die Nymphenburger Porzellanmanufaktur eine neue Ära, als der Unternehmer Albert Bäuml die Manufaktur in „desolatem Zustand” übernahm. Die Anknüpfung an die technische Perfektion sowie die Verbesserungen und Steigerung der künstlerischen Leistungen führten schließlich zu wirtschaftlichem Erfolg. Die offensive Hinwendung zur Produktion von Porzellanfiguren fiel auch zusammen mit dem Aufkommen des dritten Rokoko. So schien der Rückgriff auf den Figurenbestand des 18. Jahrhunderts, der maßgeblich durch das Werk und den Einfluss von Franz Anton Bustelli dominiert wurde, fast selbstverständlich. Als Berater und Künstler konnte Joseph Wackerle ab 1905 für die Manufaktur gewonnen werden.
Wackerle war zu diesem Zeitpunkt, als er diese beachtliche Aufgabe übernahm, 25 Jahre alt und prägte für ein halbes Jahrhundert das künstlerische Profil der Porzellanerzeugnisse in Nymphenburg. Selbst in den Jahren von 1909 bis 1917, als er an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums lehrte, blieb Wackerle der Nymphenburger Manufaktur aufs Engste verbunden. Seine ersten Porzellanfiguren, wie beispielsweise „Dame mit Muff” und „Dame im Sessel” wurden für die Manufaktur künstlerisch und ökonomisch zu einem großen Erfolg.
Der Kunstkritiker Erich Haenel schrieb schwärmend über deren Präsentation auf der 3. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden: „Seine ebenso ungeniert wie süffisanten Damen haben im Nu ihre Liebhaber gefunden. Aber sie verdienen ihre Eroberungen: sie sind mit so überraschendem Feingefühl für die Gesetze des Porzellanstils, mit soviel Schmiß und Frische erfunden und so brillant durchgeführt, daß man sie am liebsten als Erstlinge einer neuen, echten und ganz und gar modernen Porzellanplastik begrüßen möchte.
Vivant sequentes!” Alfred Ziffer, der große Kenner der Geschichte und der Erzeugnisse der Nymphenburger Manufaktur, zählt Joseph Wackerle „zu den bedeutendsten Porzellanplastikern des 20. Jahrhunderts.”
Die Figurengruppe der „Vier Erdteile” – selbst im frühen 20. Jahrhundert blieb Australien als fünfter Kontinent in der Kunst „unentdeckt” – schuf Wackerle für einen freistehenden Ehrentempel oder Gartenpavillon, dessen leicht geschwungene Segmente ebenfalls aus weißglasierter Majolika gefertigt waren. Die Plastiken waren außen an den Pfeilern plaziert. Dieses Ensemble war das Hauptstück mit dem sich die Nymphenburger Manufaktur auf der viel gerühmten „Deutschen Gewerbeschau” in München im Jahre 1922 präsentierte. Diese Schau sah sich weder als Präsentationsschau für Kunstgewerbe noch als Verkaufsmesse, sondern vielmehr als „geschmackserzieherische Qualitätsschau”. Die künstlerische Gestaltung der Präsentation stand unter dem Vorsitz von Richard Riemerschmid. Im Jahre 1927 wurde der Pavaillon mit den Figuren nochmals auf der legendären Ausstellung „Europäisches Kunstgewerbe” im Grassimuseum in Leipzig präsentiert. Von der nur in wenigen Exemplaren ausgeführten Gruppe waren bisher lediglich einige spätere, farbige Ausformungen einzelner Figuren im Nationaltheater (Bayerische Staatsoper) in München, in Garmisch und im Manufaktur-Archiv bekannt. Diese wurden in den Jahren 1935 beziehungsweise 1958 / 59 in Nymphenburg gefertigt.
”Wackerles Porzellanfiguren bescherten Nymphenburg einen großen Erfolg”
Große, bedeutende Majolikarbeiten von Wackerle aus der frühen Schaffensperiode vor und kurz nach dem Ersten Weltkrieg sind auf dem Kunstmarkt äußerst selten. Lempertz (Köln) versteigerte 2001 in der Auktion 811 mit großem Erfolg die Figur „Knabe mit Vogelhaus” von 1908 aus der Sammlung des Kunsthistorikers und ehemaligen Direktors des Deutschen Textilmuseums in Krefeld Carl-Wolfgang Schümann. Das Objekt wurde bei 17 000 Euro zugeschlagen und befindet sich heute in einem spanischen Privatmuseum. Thomas Kemper
SCHLOSS AHLDEN Ahlden, Auktionen 7. / 8. und 14. September,
Besichtigung 25. August bis 5. September, www.schloss-ahlden.de
Abb.: Schloss Ahlden