... werden. Dafür stehen die Koreaner schon länger, wie der Kia e-Niro zeigt, dessen Nachfolger nun als Niro EV am Start steht und sich der internationalen Konkurrenz stellen muss.
Karosserie
Gegenüber seinem Vorgänger ist der Niro um 45 Millimeter auf 4,42 Meter gewachsen. Damit passt er, wie das Gros seiner Testrivalen, immer noch in die Kompaktklasse. Nur der Polestar 2,ein Vertreter von Volvos Elektro-Tochter, tendiert mit gut 4,60 Metern Richtung Mittelklasse. Überraschenderweise bietet seine Schrägheck-Karosserie aber zumindest vorn am wenigsten Platz. Im Fond am engsten ist es dagegen im Renault, dessen Architektur, wie die des Cupra, an die fünftüriger Kompaktwagen erinnert, wodurch die Passagiere nach dem Einsteigen den Kopf einziehen müssen. So beschert schließlich der Koreaner mit seinem SUV-artigen Aufbau seinen Fahrgästen das beste Raumgefühl, ordentliche Übersichtlichkeit inklusive.
Am anderen Ende würde der Renault rangieren, besäße er nicht einen Innenspiegel mit Heckkamera-Display, das eine freie Sicht auf das Geschehen hinter dem Auto gewährt. Geht es ans Beladen setzt sich der Niro EV abermals in Szene: 475 bis 1392 Liter Gepäck- raum plus einem 20 Liter fassendes Fach unter der vorderen Haube bleiben in diesem Test unerreicht. In Sachen Praktikabilität stehen beim französischen Stromer ein recht tief liegender Kofferraumboden und eine störende Stufe im Ladeboden im Soll, die sich nach Umklappen der asymmetrisch geteilten Rücksitzlehne zeigt.
Hinsichtlich der Bedienung nervt der Born mit unpraktischen Slider-Tasten im Lenkrad und für die Temperaturregulierung sowie einem Touchscreen, der sich mitunter von Eingabebefehlen völlig unbeeindruckt zeigt. Die Menü-Gliederung ist ebenfalls nicht auf Anhieb selbsterklärend.
Das gilt auch für den Renault mit seinen verstreut erscheinenden Bedien-Icons. Wer sich hier etwa unter dem Fahrzeugsymbol in das Menü „Einstellungen“ verirrt, findet sage und schreibe elf untereinander aufgelistete Unterpunkte, die beim Lesen während der Fahrt viel Aufmerksamkeit binden.
An der Schnellladesäule lädt der Kia Niro EV mit nur 72 kW
Prima im Polestar 2: große Bedienkacheln, die auch auf schlechter Fahrbahn leicht zu treffen sind, eine Top-Sprachbedienung und ein Google-basiertes Navi, das bei der Zielführung neben Ladesäulen und dem Ladebedarf bis zum Ziel auch die Bezahlmöglichkeiten für den Strom vor Ort anzeigen kann. Perfekt!
Vorbildliches leisten auch die Koreaner, in diesem Fall auf dem Feld der Sicherheitsausstattung. So bietet der Niro EV eine nahezu unüberschaubare Assistenz-Armada: Einen Ausstiegs-Helfer (Serie), der beim Türöffnen vor von hinten herannahendem Verkehr warnt, einen Abbiegeassistenten (Serie), einen Autobahnassistenten II (opt.), der den Sicherheitsabstand selbstständig vergrößert, falls der Hintermann zu dicht auffährt, oder der Insassen-Alarm (Serie), der vor zurückgelassenen Kindern auf den Fondsitzen warnt, findet man in dieser Klasse selten.
Kia
Mit gut 4,60 Meter Länge ragt der Polestar 2 fast in die Mittelklasse
Fahrkomfort
Einzig der Spanier rollt mit optional adaptiven Dämpfern zum Test, seine Konkurrenten vertrauen auf ungeregelte Fahrwerke. Nicht die schlechteste Entscheidung, wie sich später noch zeigen wird. Bereits auf den ersten Metern zeigt der Cupra einen recht geschmeidigen Umgang mit Asphaltverwerfungen, kann dabei aber eine straffe Grundnote nicht verbergen. Diese äußert sich beispielsweise beim Überfahren von welligem Kopfsteinpflaster in steten zittrigen Karosseriebewegungen. Davon bleiben die Passagiere seines koreanischen Konkurrenten verschont, denn der Niro legt im Umgang mit schlechten Fahrbahnen deutlich mehr Sanftmut an den Tag. Was ihm unter die Räder kommt, verebbt auch ohne elektronische Regelung weitgehend in seinen Feder-Dämpfer-Elementen, ohne die Insassen zu belästigen. Allenfalls Fräskanten werden deutlich und auch akustisch wahrnehmbar weitergeleitet.
Apropos Geräusch: Speziell der Polestar informiert auf Schlaglochpisten das Fahrpersonal mit teils poltrigen Geräuschen über seine Feder-Dämpfer-Arbeit und absorbiert Fahrbahnunebenheiten währenddessen eher hemds- ärmelig. Da stößt es hier und zittert dort, was deutlich darauf hinweist, dass ihm die Souveränität seiner vorgenannten Konkurrenten fehlt. Beachtlich: Vollgepackt bis an die Zuladungsgrenze rollt er demgegenüber spürbar geschmeidiger ab und hält Asphältmängel besser von der Besatzung fern, ohne jedoch an die Qualitäten des Born und des Niro EV heranzureichen.
Polestar
Der Renault schließlich zeigt im Fahrkomfort zwei Gesichter. Auf Fahrbahnunebenheiten federt er einerseits sensibel an, hat aber andererseits Mühe, Bodenwellen und Schlaglöcher so zu verarbeiten, dass das Bordpersonal davon unbehelligt bleibt. Im Gegenteil: Voll Beladen werden die Insassen vor allem im Fond auf Rüttelpisten kräftig durchgeschüttelt. Buch lesen oder am Tablet arbeiten? Zwecklos! Derlei würde unabhängig davon auch durch die mäßige Sitzposition eingeschränkt, denn die Passagiere sitzen im Fond mit stark angewinkelten Beinen.
Beispielhaft im positiven Sinne ragen hier der Spanier und der Koreaner heraus. Beim Platz nehmen auf den Vordersitzen heimst der Cupra dank ordentlicher Polsterung, einer ausziehbare Schenkelauflage und der optionalen Massagefunktion abermals die größten Sympathien ein.
Motor / Getriebe
Während Cupra, Kia und Polestar auf permanenterregte Synchronmaschinen setzen, installiert Renault im Megane E-TECH eine fremderregte Synchronmaschine. Diese kommt bei der Herstellung ohne seltene Erden aus, was ihre Produktion günstiger und umweltfreundlicher macht. Eine permanenterregte Synchronmaschine hat allerdings den höchsten maximalen Wirkungsgrad.
Die Leistungsspektren der Testkandidaten bewegen sich zwischen 150 kW (204 PS) im Niro EV und 170 kW (231 PS) im Polestar 2 und im Cupra Born. Der Born erreicht eine Maximal-Leistung übrigens per Boost-Funktion und hält sie über 30 Sekunden. Das reicht, um ihn bei der Beschleunigungsmessung nach vorn zu katapultieren: Nur 6,7 Sekunden vergehen bis zur 100-km/h-Marke. Für diese Übung benötigt der Kia fast eine Sekunde mehr. Doch darf der Koreaner mit 167 km/h etwas schneller rennen als seine Konkurrenten, die bei 160 km/h abgeregelt werden. Da die Höchstgeschwindigkeit auf verkehrsreichen deutschen Autobahnen einen zunehmend theoretischen Wert hat, reichen die Fahrleistungen der Testkandidaten im Alltag aus.
Mit einem bewerteten Preis von 34.770 Euro ist der Born der Günstigste
Beeindruckend ist dagegen die Zugkraft, die alle vier Kandidaten – elektromotortypisch – beim Tritt aufs Strompedal umgehend spüren lassen. Zwar bietet der Polestar mit 330 Nm das höchste Drehmoment, ist aber bei der Kraftentfaltung wegen seines hohen Gewichts eher mit dem schwächsten des Quartetts, dem Niro EV, vergleichbar. Dieser benötigt von allen Wettbewerbern am wenigsten Strom. Sein Testverbrauch liegt bei 17,0 kWh auf 100 Kilometern, was im Verbund mit seiner Batterie-Nettokapazität von 64,8 kWh die höchste Reichweite im Testfeld ergibt: 381 Kilometer.
Davon kann der Cupra-Pilot nur träumen. Der Stromspeicher des Born bringt es nur auf 58 kWh, so sind infolge des höchsten Testverbrauch von 19,4 kWh nur 298 Kilometer möglich, und mit sehr zurückhaltendem Strom-Fuß auch nur 358 Kilometer (Kia: 469, Polestar: 416, Renault: 397 Kilometer). Abhilfe schüfe die optionale 77-kWh-Version, die aber 5700 Euro mehr kostet.
Nähert sich die Reichweite dem Ende, lässt sich der Renault an der Stromtankstelle mit bis zu 22 kW Wechselstrom laden, während die Konkurrenten hier nur mit maximal 11 kW „betankt“ werden können. An der Schnellladesäule brauchen Kia-Kunden Geduld, denn der E-Niro lädt Gleichstrom mit höchstens 72 kW Ladeleistung. Der Cupra erreicht bis zu 120, Polestar und Renault 130 kW.
Renault
Mit Rücksicht auf die Reichweite werden die Testkandiaten bei 160 km/h abgeregelt. Einzig der Kia darf 167 km/h schnell sein
Fahrdynamik
Um es gleich vorwegzunehmen: Dem sportlichen Habitus der Marke Cupra wird auch der Test-Born gerecht. Mit seiner serienmäßigen Progressiv-Lenkung folgt er überaus spontan den Richtungsvorgaben seines Piloten und wirkt entsprechend lebhaft. Dank der montierten „Hochleistungsbereifung“ samt der adaptiven Dämpfern (im Paket für 1790 Euro) stellt er eine gute Traktion und ein hohes Querbeschleunigungspotenzial zur Verfügung, was ihm zu den schnellsten Handling- und Slalom-Zeiten verhilft. Das ist alles Stoff für gehobenen Fahrspaß, gleichzeitig bei diesem Testwagen aber auch nur die halbe Wahrheit, denn der Born hat eine sehr lebhafte Hinterachse, die je nach Lenkwinkel und Lastzustand eine ausgeprägte Übersteuertendenz an den Tag legt.
Diese rechtzeitig einzufangen, ist normalerweise Aufgabe des ESC (ESP), das in der Testwagenkonfiguration (Bereifung und Fahrwerk) auch vollständig deaktivierbar ist. Rollt man nun das elektronische Fangnetz ein, was im öffentlichen Straßenverkehr tunlichst unterbleiben sollte, keilt die Hinterachse bei Lastwechseln in Kurven je nach Lenkwinkel und Tempo recht heftig aus. Der folgende überraschende Heckschwenk erfordert blitzschnelles Gegenlenken und kann leicht in einem Dreher münden. Zweifelsohne gibt es Autos, die sich im Grenzbereich wesentlich gutmütiger benehmen. Immerhin schafft es der Cupra, trotz seiner mäßig dosierbaren Bremse die kürzesten Bremswege zu realisieren.
Der Neuzugang unter den kompakten Stromern zeigt sich weit weniger sportlich und absolviert Kurvenpassagen mit deutlich mehr Seitenneigung. Das große Manko des Kia ist allerdings seine mäßige Traktion. Leistungseinsatz am Kurvenscheitelpunkt lassen die Vorderräder vergeblich scharrend um Haftung ringen. Obendrein sind seine Bremswege die längsten des Testquartetts. Dennoch verkneift er sich tückische Fahrwerksreaktionen.
Über eine gutmütige Abstimmung freuen sich auch Polestar 2-Piloten. Dessen Lenkung arbeitet zwar mit vergleichsweise großen Lenkwinkeln, und an der Haftgrenze setzt moderates Untersteuern ein, trotzdem fühlt er sich schwerfälliger an als Born und Niro EV. Das trägere Einlenken und das sanfte Eindrehen des Hecks beim Stromwegnehmen in Kurven macht ihn sehr berechenbar.
Der Megane E-TECH ist da deutlich lebhafter unterwegs, er setzt vorgegebene Richtungswechsel sehr spontan um. Allerdings kommt der Aufbau dabei über Gebühr in Bewegung, was zu Lasten der Fahrpräzision geht. Gerät der Franzose dann in den Regelbereich des ESC, reagiert dieses eher ruppig. In Sachen Abstimmung hat der Renault also eindeutig Luft nach oben.
Umwelt / Kosten
Die derzeit noch happigen Batteriekosten sorgen bei Elektro-Fahrzeugen für ein immer noch ziemlich hohes Preisniveau. Die Umweltprämie von Herstellern und Vater Staat in Höhe von jeweils 9570 Euro lässt die Preise aber deutlich schmelzen.
Wider Erwarten verlangt der Renault den höchsten finanziellen Einsatz. Der Franzose kostet inklusive der testrelevanten Extras 38.380 Euro, das sind immerhin 3610 Euro mehr als für den Günstigsten im Quartett, den Cupra Born.
Auf lange Sicht freuen sich Polestar-Besitzer über den geringsten Wertverlust. Mit 23.222 Euro ist aber binnen vier Jahren auch hier der Gegenwert eines gut ausgestatteten Kleinwagens abzuschreiben. Ansonsten profitiert bei den laufenden Kosten der Spanier in der Summe von der günstigsten Typklasseneinstufungen. Allen Kandidaten gemein ist dagegen die zehnjährige Steuerfreiheit für Elektro-Autos.
Bekanntermaßen verlangen E-Mobile nach weniger Wartung als Verbrennerfahrzeuge. Da der ADAC aufgrund einer unzureichenden Datenlage keine Berechnungen für den Polestar anstellen konnte, wurde dieser Punkt auch nicht bewertet. Am Ende ist es schließlich der Kia Niro EV, der mit seiner Siebenjahres-Garantie der Konkurrenz im Kostenkapitel auf und davon stromert. n