... unmöglich. Kopfweh und Migräne gehören zu den häufigsten Schmerzerkrankungen. So lange der Spuk nur hin und wieder auftritt, besteht kein Grund zur Sorge. Doch bis zu vier Prozent der Weltbevölkerung haben an 15 oder mehr Tagen pro Monat Kopfschmerzen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO gehören Kopfschmerzen mit zu den zehn häufigsten Erkrankungen, die mit funktionellen Einschränkungen einhergehen.
KOPFSCHMERZ IST NICHT GLEICH KOPFSCHMERZ
Die International Headache Society unterscheidet drei Formen von Kopfschmerzen: Zu den primären Kopfschmerzen zählen Spannungskopfschmerzen und Migräne, sekundäre Kopfschmerzen entstehen als Folge von Schädel- Hirn-Traumata oder Infektionen. Unter der dritten Form von Kopfschmerzen werden sogenannte kraniale Neuralgien (auf den Schädel bezogene Nervenschmerzen), Gesichtsschmerzen und andere Kopfschmerzen zusammengefasst. Kopfschmerzen können gelegentlich, anfallsartig oder chronisch auftreten. Gerade die chronischen Verläufe gehen mit einem hohen Leidensdruck einher und beeinträchtigen die Lebensqualität meist erheblich. Auslöser für Kopfschmerzen können Stress und emotionale Belastungen, hormonelle Schwankungen im weiblichen Zyklus, Veränderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus, Alkohol, Nikotin oder auch Nahrungsmittel sein.
Die Ursachen von Kopfschmerzen und Migräne aus schulmedizinischer Sicht sind noch nicht vollständig erforscht. Verschiedene Migräne-Studien geben Hinweise darauf, dass eine Kombination aus genetischer Disposition sowie inneren und äußeren Einflüssen zusammenwirken müssen, damit Migräne entstehen kann. Auch wird die Theorie vertreten, dass das erblich vorbelastete Gehirn und Nervensystem die betroffenen Menschen besonders sensitiv auf äußere und innere Reize reagieren lässt.
Neben der westlichen Schulmedizin steht uns auch die Chinesische Medizin zur Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne zur Verfügung. Angewandt wird neben den entsprechenden Arzneimitteln vor allem die Akupunktur, um die Schmerzen auf natürliche Weise zu behandeln. Die WHO weist ausdrücklich auf die Eignung und auch Überlegenheit der Akupunktur zur ursächlichen und auch symptomatischen Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne hin.
Die Akupunktur ist nur eine Möglichkeit, Kopfschmerzen und Migräne auf natürliche Weise zu behandeln.
DIE RESIDENZ DES KLAREN GEISTES
Die (Traditionelle) Chinesische Medizin hat eine differenzierte Sichtweise auf das Krankheitsgeschehen. Sie beobachtet, wo, wie und wann der Schmerz auftritt – und auch, was ihn verbessert oder verschlimmert. Daraus ergeben sich unterschiedliche Formen des Kopfschmerzes, die auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Zudem wird die beschwerdefreie Zeit außerhalb der Kopfschmerzoder Migränephasen ausdrücklich einbezogen, um neuerlichen Schmerzen vorzubeugen. Die Unterscheidung zwischen Symptom- und Ursachenbehandlung ist in der Chinesischen Medizin sehr wichtig, da jeweils sehr unterschiedliche Therapiestrategien verfolgt werden müssen. In der chinesischen Arzneimitteltherapie kommen hier je nach Behandlungszeitpunkt verschiedene Rezepturen zum Einsatz. In der Akupunktur müssen – je nach aktueller Diagnose – differenzierte Punktkombinationen angewendet werden.
Unser Kopf wird in der Chinesischen Medizin als die Residenz des „klaren Geistes“ gesehen. Blut und Qi (einfach übersetzt: Energie) durchströmen ununterbrochen unseren Schädel, um eine optimale Versorgung des Gehirns sicherzustellen. Daher kann jeder Faktor, der die Entstehung, den Transport oder die Zirkulation von Qi und Blut zum oder im Gehirn behindert, zu Kopfschmerzen führen. Unterschieden wird eine Vielzahl an Ursachen, die für Kopfschmerzen verantwortlich sind. Zu den häufigsten Ursachen von Kopfschmerzen gehören das sogenannte „aufsteigende Leber-Yang“, der „Qi- und Blut-Mangel“, die „Blut-Stase“, die „Schleim-Nässe“ und eine Nieren-Schwäche. Migräne wird als „Bian Tou Tong“ bezeichnet und stellt eine Sonderform des Kopfschmerzes dar. Die verschiedenen Syndrome stehen in engem Zusammenhang mit den Organsystemen von Leber, Milz und Nieren. Details zu den Krankheitildern folgen auf den Seiten 14 und 15.
DR. ANDREA HELLWIG-LENZEN führt als Heilpraktikerin eine eigene Praxis für Chinesische Medizin in Berlin und ist Gastprofessorin an der TCMUniversität Chengdu.
DIE INNEREN ORGANE BEI KOPFSCHMERZEN UND MIGRÄNE
Nach dem Verständnis der Chinesischen Medizin hat jedes unserer inneren Organe bestimmte Eigenschaften und Aufgaben. Die Organe stehen aber auch noch mit weiteren Aspekten unseres Daseins in Verbindung, wie etwa unseren Sinnesorganen und bestimmten emotionalen und mentalen Zuständen. Daher wird nicht unbedingt von einzelnen Organen, sondern von Funktionskreisen oder Organsystemen gesprochen. Die eigentlichen Ursachen, die die Entwicklung von Kopfschmerzen oder Migräne ermöglichen, sieht die Chinesische Medizin primär in dem Organsystem Leber. Darüber hinaus können eine Schwäche der Niere und der Milz für das Krankheitsgeschehen verantwortlich sein.
DIE ZENTRALE ROLLE DER LEBER
An den meisten Kopfschmerz-Arten ist eine Disharmonie im Lebersystem beteiligt. Die wichtigste Funktion der Leber besteht in ihrer Verantwortung für den freien Fluss des Qi im Körper. Ist die Leber in Harmonie, fließt das Qi reibungslos, entspannt und gleichmäßig. Sie mobilisiert und zerstreut das Qi in alle Teile des Körpers und auf alle Körperebenen. Sie wirkt sich damit auch auf die Verdauung aus, indem sie das Magen-Qi nach unten fließen lässt (die natürliche Richtung des Magen-Qi) und die Milz bei der Extraktion der wichtigen Substanzen aus der Nahrung und damit bei der Qi- und Blut-Bildung unterstützt. Die Leber beeinflusst damit auch den Prozess der Blutbildung. Da Qi und Blut eng miteinander verbunden sind, trägt die Leber auch zum freien Fluss und zur Verteilung des Blutes im Körper bei.
DIE GRUNDLAGEN AUS DER NIERE
Die Niere gilt als Ursprung der Schöpfung oder auch Wurzel des Lebens – in ihr liegt die Grundlage für alles Qi im Menschen. Sie speichert das angeborene Qi, die sogenannte Essenz. Die Essenz legt die konstitutionelle Stärke und Vitalität fest. Ist die Kraft der Niere geschwächt, ist auch die körperliche Verfassung beeinträchtigt.
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