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Übergewicht ist die Folge von zu viel Futter bei zu wenig Bewegung. Eine reine Futterdiät reicht auch bei Pferden oft nicht aus, die überflüssigen Pfunde wieder loszuwerden. Ein cleveres Intervalltraining heizt die Fettverbrennung an und hilft Pferden schonend beim Abnehmen. Auch Pferde, die bereits durchs Übergewicht am Equinen Metabolischen Syndrom (EMS) erkrankt sind oder eine Hufrehe hatten, können mit Equikinetic sehr effektiv trainiert werden – dazu müssen sie aber unbedingt lahmfrei sein. Ein 20-minütiges Intervalltraining sorgt für Muskelaufbau und Fettabbau. Und das Beste daran: Es ist so leicht umzusetzen, dass es mit ein wenig Übung jeder Reiter und jedes Pferd bewältigen kann. Da es sehr schonend für die Gelenke und selbst im Schritt anstrengend ist, eignet es sich auch für Pferde mit leichten Handicaps.
Zu viel Futter fürs Steppentier
Dick ist nicht schick, und die Ursachen dafür sind oft schnell gefunden: Unsere Wiesen in Deutschland sind für Steppentiere wie Pferde zu fett, und auch Heu hat meist zu viel Energie – besonders dann, wenn es vor der Blüte geschnitten wurde. Besonders gefährdet sind robuste Rassen wie Isländer, Shetlandponys, aber auch Fjord-Pferde oder Haflinger, die ursprünglich aus kargen Regionen stammen. Auch viele Kaltblüter, Quarter Horses oder Barockpferderassen neigen zu Übergewicht, und auch unsere Warm- und Vollblüter können davon betroffen sein. Da nur noch wenige Pferde richtig arbeiten, steht einem hohen Futterangebot oft wenig Bewegung als Freizeitpferd gegenüber. Die wenigsten Pferde arbeiten täglich und dabei selten mehr als eine Stunde.
Gleichzeitig ist es schwierig, dem Dauerfresser Pferd das Raufutter zu reduzieren. Das Verdauungssystem ist darauf ausgerichtet, ständig Nachschub zu bekommen und beim Kauen Speichel zu produzieren. Kauen wirkt beruhigend, und der Speichel puffert die Magensäure. Pferde, die zu wenig Raufutter bekommen, neigen zu Magengeschwüren, sind gestresst und entwickeln im schlimmsten Fall sogar Verhaltensstörungen. Längere Fresspausen von mehr als vier Stunden sollten daher unbedingt vermieden werden. Eine gute Pferdefigur ist also eine Gratwanderung zwischen Dauerfressen und wenig Fresspausen, aber gleichzeitig sollen nicht zu viele Kalorien ins Pferd. Stroh hat wenig Kalorien, darf aber höchstens zu einem Drittel zur Raufutterration gefüttert werden, da es schwer verdaulich ist. Der hohe Rohfasergehalt des Strohs erhöht die Kauaktivität, kann aber bei empfindlichen Pferden zu Verstopfungen führen. Bei der Strohfütterung sollte auf eine gute Qualität geachtet werden.
Eine Diät ist nicht die Lösung
Übergewicht kann den Bewegungsapparat überlasten und auf die Gelenke gehen. Auch Herz-Kreislauf-Probleme können entstehen. Bei übergewichtigen Pferden entgleist oft der Stoffwechsel. Hufrehen oder EMS können Folgen davon sein. Eine alleinige Futterreduzierung schafft leider oft neue Probleme: Der Körper baut Muskeln ab und läuft nur noch auf Sparflamme.
Hier setzt Equikinetic als Bodenarbeitsprogramm an: Als Intervalltraining, bei dem sich Belastungs- und Erholungsphasen abwechseln, sorgt es für Muskelaufbau, das Pferd erhöht zudem seinen Energieumsatz. Ein gut bemuskeltes 500-Kilo-Pferd verbraucht deutlich mehr Energie als ein zu dickes 500- Kilo-Pferd. Denn Muskeln brauchen mehr Energie als Fett – auch im Ruhezustand. Da das Programm auch im Schritt einen hohen Effekt hat, eignet es sich als schonendes Speck-weg-Programm. Gerade Pferde mit hohem Übergewicht könnten bei einem zu harten Sportprogramm ihre Gelenke überlasten.
Mehr Muskeln brauchen mehr Energie
Warum ist dieses Intervalltraining so effektiv? Durch den Wechsel von Belastung und Erholung steigert das Herz-Kreislauf-System den Stoffwechsel, und nach dem Training wird auch noch lange Energie verbraucht – man spricht vom Nachbrenneffekt. Beim Intervalltraining wachsen Muskeln nach einem kurzen, intensiven Training. Bei dem anstrengenden einminütigen Workout auf einer acht Meter großen Volte in Stellung und Biegung folgt eine Erholungsphase, die mit 30 bis 45 Sekunden etwas kürzer ist als die Belastungsphase. Der Körper hat Zeit, sich zu regenerieren, aber nicht vollständig zu erholen, und das sorgt für den Trainingsreiz. In den Pausen füllt sich der Energiebedarf wieder auf, ohne dass es zu einem zu starken Sauerstoffdefizit kommt. In den Pausen geht vor allem die Herzfrequenz runter, während die Muskeln sich nicht komplett erholen.
Der Pferdekörper gleicht nun die Stoffwechsel- und Muskelbelastung an das Training an. Er passt sich an, damit er das nächste Mal auf die Belastung vorbereitet ist. Die Muskeln wachsen mit der Zeit, und die Gesamtausdauer steigert sich. Die Pausenphasen haben aber nicht nur einen physischen Effekt, sondern sind auch mental für unsere Pferde wichtig: Da die Arbeitsphasen in Stellung und Biegung sehr anstrengend sind, wissen sie nach kurzer Zeit, dass nach der kurzen, harten Anstrengung eine Erholung in Sicht ist. Das gibt Pferden Sicherheit und motiviert sie, weil es das Training vorhersehbar macht.
Wie funktioniert Equikinetic?
Doch wie genau funktioniert das Equikinetic-Konzept, und was ist dabei anders als beim einfachen Longieren in Innenstellung auf einer Volte? Es sind vor allem die blauen und gelben Gassen, die im Quadrat aufgebaut werden und es dem Pferd erleichtern, genau auf einer acht Meter großen Volte zu laufen. Die Gassen haben aber noch einen Trainingseffekt: Die Farben Blau und Gelb werden von Pferden sehr gut gesehen, wirken wie Signalfarben und aktivieren das Gehirn.
Messungen haben gezeigt, dass sich beim Training mit blauen und gelben Gassen die Hirnaktivität signifikant erhöht. Dadurch soll die Links-rechts-Verknüpfung im Gehirn verbessert werden, die bei Pferden deutlich schlechter ist als bei uns Menschen. Equikinetic hilft also nicht nur beim Abnehmen, sondern auch beim Geraderichten.
Aber warum soll das so anstrengend sein? Weil das Pferd sich vom Genick bis zur Schweifrübe biegen muss und die Biegung sehr anstrengend ist. Die äußere Körperseite muss dabei vom Pferd stark aufgespannt werden, und die Biegung lässt die Muskeln von hinten bis vorne gut zusammenarbeiten.
Während der Hals sehr leicht zu biegen ist, kommt das Pferd an der Wirbelsäule durch die Rippen schnell an seine Grenzen. Wirbelsäule und Rücken sind hier nur eingeschränkt biegsam – wir sprechen da von wenigen Zentimetern. Da viele Pferde dazu neigen, einfach im Hals stark abzubrechen, statt sich durch den ganzen Körper zu biegen, muss man darauf achten, dass das Pferd sich gleichmäßig biegt.
Die blauen und gelben Gassen helfen dem Pferd bei einer gleichmäßigen Volte und aktivieren sein Gehirn.
(Foto: Lisa Rädlein)
Dabei kommen die Muskeln der Vorhand, des Rückens, Bauchs und der Hinterhand ins Spiel. Sie bewegen die Gelenke und helfen dem Pferd, unter den Schwerpunkt zu treten und die Wirbelsäule zu krümmen. Die Rumpfaufhängung (thorakale Muskelschlinge) verbindet die Vorderbeine und sorgt dafür, dass der Rumpf sich frei zwischen den Schulterblättern bewegen kann. Das Pferd hat dabei im Gegensatz zum Menschen keine knöcherne Verbindung wie das Schlüsselbein – umso wichtiger ist deshalb hier eine gute, funktionale Rumpfmuskulatur. Dabei helfen dem Pferd insbesondere die Muskeln, die den Brustkorb zwischen den Schulterblättern anheben. So kann das Pferd die Vorhand auf den Kreis einstellen. Tritt das Pferd zusätzlich in der Biegung vermehrt mit dem inneren Hinterbein unter den Schwerpunkt, nimmt es mehr Last auf und die Bewegungen werden ökonomischer.
Equikinetic sorgt nicht nur dafür, überflüssige Pfunde zu verlieren, sondern auch für eine gleichmäßige Gymnastizierung. Da auf jeder Hand exakt gleich lang trainiert wird, verbessert es die Geraderichtung. Das bedeutet, dass das Pferd sowohl auf gerader als auch auf gebogener Linie mit den Hinterbeinen in die Spur der Vorderbeine tritt.
Equikinetic verbessert die Beziehung
Equikinetic ist nicht nur ein tolles Speck-weg-Programm, sondern auch ein hervorragendes Beziehungstraining: Beim Handwechsel können Sie Ihre Führungsqualitäten unterstreichen oder verbessern. Holen Sie Ihr Pferd frontal zu sich und schicken es über die Schulter in die neue Richtung. Sie selbst bleiben an Ihrem Platz und lassen das Pferd um sich herum wenden. Lassen Sie sich nicht anrempeln oder zur Seite schieben. Der Mensch bewegt das Pferd, nicht umgekehrt. Weichen Sie nicht rückwärts und lassen Sie sich nicht vom Pferd zur Seite schieben. In der Pferdeherde schickt der Ranghöhere den Rangniedrigeren und nimmt dessen Raum ein. Sobald Sie vom Pferd als ranghöher eingestuft werden, können Sie ihm Sicherheit geben, und es wird respektvoll weichen.
Aber nicht nur der Handwechsel sorgt für eine bessere Beziehung, sondern auch die Tatsache, dass Sie das Tempo bestimmen: Bei Equikinetic ist ein kräftiger Schritt gefragt, der leicht über dem Komforttempo des Pferdes liegt, also etwas zügiger, als das Pferd von sich aus anbietet.
Im Trab ist ein langsames Tempo gefragt, damit das Pferd seine Balance leichter findet und Last auf die Hinterhand aufnehmen muss. Durch ein konsequentes Training verschwinden oft auch Problemverhalten, da die Pferde durch eine bessere Balance und Koordination auch mental besser ins Gleichgewicht kommen und nicht immer Angst haben müssen, die Balance zu verlieren.
Aufbau der Quadratvolte
Sie benötigen für den Aufbau acht Schaumstoffgassen, die jeweils drei Meter lang sind oder vier Gassen und zwölf Pylonen. Bilden Sie aus vier Gassen ein Kreuz und legen Sie am Ende eine Gasse quer. Die Quergasse wird zur inneren Begrenzung der Quadratvolte.
Zum Schluss nehmen Sie die Gassen aus dem Kreuz heraus und legen sie mit etwa 1,5 Metern Abstand als Außengasse (Grafik aus FEINE HILFEN Ausgabe 31, S. 31). Statt der Außengassen können Sie auch jeweils drei Pylonen setzen, falls Sie nur vier Gassen haben. Bitte nutzen Sie auf keinen Fall Holzstangen bei Equikinetic! Da das Programm sehr anstrengend ist und die Pferde anfangs auch mal gerne seitlich drauftreten, ist die Verletzungsgefahr zu groß. Holzstangen könnten wegrollen oder das Pferd könnte sich vertreten.
Warum am Kappzaum?
Für Equikinetic brauchen Sie einen gut sitzenden Kappzaum. Nur am Kappzaum können Sie eine korrekte Stellung erarbeiten. Normale Stallhalfter oder Knotenhalfter eignen sich nicht fürs Longieren. Sie sitzen zu locker am Pferdekopf, rutschen leicht und können Signale nur sehr schlecht übertragen. Viele Pferde verwerfen sich am Halfter oder gehen in Außenstellung – der Trainingseffekt verpufft, wenn das Pferd nicht korrekt gestellt und gebogen ist.
Auf gar keinen Fall sollten Sie am Gebiss longieren. Eine Trense ist nur für den Gebrauch von zwei Zügeln gemacht. Zudem wollen wir das empfindliche Pferdemaul schonen. Achten Sie auf einen gut sitzenden Kappzaum – egal aus welchem Material er ist und ob mit oder ohne Eisen. Er sollte nicht auf dem Nasenrücken verrutschen. Er muss noch auf dem knöchernen Teil des Nasenrückens sitzen, damit die Nasentrompeten frei sind. Es sollte unter dem Jochbein noch zwei fingerbreit Platz sein, dann sitzt er korrekt. Der Kappzaum wird an der Nase so fest verschlossen, dass das Pferd noch kauen kann.
Der Genickriemen darf die Ohren nicht einklemmen, und der Ganaschenriemen hält die Backenstücke am Platz. Er wird im Gegensatz zu einem Kehlriemen – der locker verschnallt wird – mit der Zwei-Finger-Regel verschlossen.
Grundsatz: Funktion vor Form
Bevor es jetzt endlich in den Gassen losgeht, sollten Sie noch den Grundsatz „Funktion vor Form“ beherzigen: Eine gleichmäßige Stellung und Biegung auf beiden Händen sind das Ziel, doch anfangs kann das Pferd das oft noch gar nicht durchgängig leisten. Lassen Sie Ihrem Pferd Zeit, die korrekte Form zu finden, oft kommt das ganz von selbst im Laufe der Zeit. Achten Sie anfangs noch nicht zu sehr auf Stellung du Biegung, das Pferd muss erst mal in den Gassen laufen lernen und seinen Takt finden. Equikinetic folgt der Skala der Ausbildung: Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung, Versammlung.
Die Trainingszeiten
Ein gesundes Pferd kann mit acht Mal einer Minute Arbeitsphase und dazwischen mit 30 bis 45 Sekunden Pause starten (siehe Plan Heft 31 / S. 33). Davon können Sie die ersten vier Minuten im Schritt, die letzten vier Minuten im Trab arbeiten. Ein Intervalltimer als App (zum Beispiel „Gymboss“) läutet Ihre Arbeits- und Pausenphasen ein. Gut trainierte Pferde schaffen zwölf Mal eine Minute – das ist aber die maximale Zeit. Equikinetic ist ein sehr kurzes Programm und eignet sich gut für Reiter, die nicht viel Zeit haben.
Der Pausentag
Da Muskeln Zeit zum Erholen und Wachsen brauchen, folgt auf Equikinetic ein Pausentag. Pausentag bedeutet, dass Ihr Pferd an dem Tag keine Biegearbeit machen sollte. Planen Sie am Tag danach einen langen Spaziergang oder einen gemütlichen Ausritt – so können Sie das intensive Equikinetic-Training mit einem moderaten Training kombinieren. Sie können das Pferd am Pausentag auch dualaktivieren oder Kopfarbeit mit ihm machen. Bei Übergewicht empfiehlt es sich, anfangs jeden zweiten Tag oder mindestens drei Mal pro Woche zu trainieren.
So klappt der Einstieg
Equikinetic ist rasse- und reitweisenunabhängig. Michael Geitner und seine zertifizierten Trainer bieten Kurse und Unterricht, die den Einstieg erleichtern. Noch mehr Informationen und Anleitungen zu Equikinetic finden Sie in FEINE HILFEN, Ausgabe 31.