... kommt nicht allein. Hunderte Tiere strecken ihre Flügel in den australischen Abendhimmel. Eine regelrechte Vampirinvasion!
Kugelrunde Äuglein, eine zarte Schnauze und dazu riesengroße Flügel – die skurrile Optik ist das Markenzeichen der Flughunde. Beinahe 200 Arten gleiten weltweit durch die Lüfte (siehe Kasten Seite 26). Mit anderthalb Metern Flügelspannweite besonders eindrucksvoll: der Graukopf-Flughund. Das flatternde Flügelwunder mit dem bräunlichen Nacken gehört in seiner Heimat Australien zu den größten Vertretern der Art. Die Schwingen sind Fluch und Segen zugleich. Zwar ermöglichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 60 Stundenkilometern, machen das Tier durch ihre große Oberfläche aber auch hitzeempfindlich.
ANHÄNGLICH In den ersten Wochen begleiten die Babys ihre Mutter beim Futtersuchen
GESCHICKT Eine lange Kralle hilft den Tieren, sich an Ästen festzuhalten
HUNGRIG Flughunde fressen gern leckere Knospen und Blüten
„Die Tiere sind wegen ihrer gut durchbluteten Flughautmembran sehr anfällig für Sonneneinstrahlungen“, sagt Dr. Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. „Flughunde können Wärme bei hohen Umgebungstemperaturen nur schlecht ableiten, sondern führen sie dem Körper über die Blutgefäße direkt zu.“ Um sich bei starker Hitze abzukühlen, fächern sich die Tiere mit ihren Flügeln Luft zu. Doch das reicht nicht mehr: Ganze Kolonien an Graukopf-Flughunden fielen in den vergangenen Jahren den verstärkt auftretenden Hitzewellen zum Opfer. Die Erderwärmung entpuppt sich für die Tiere als tödliche Falle!
Leben in kleinen Harems
Da es daheim an der australischen Ostküste schon immer recht warm war, hat sich der Rhythmus der Graukopf-Flughunde den Temperaturen angepasst. Tagsüber hängen sie in Kolonien von bis zu tausend Exemplaren in den Bäumen. Innerhalb der Gruppe gibt es klare Strukturen: Die Tiere bilden kleine Harems, die während der Paarungszeit von den Männchen verteidigt werden. Die Aufgabe der Damen: Nachwuchs bekommen. Pro Jahr bringen sie meist ein Baby zur Welt. Die Jungtiere klammern sich in den ersten Lebenswochen an Mutter Flughund und begleiten sie bei der Nahrungssuche. Diese beginnt für die nachtaktiven Tiere zu später Stunde. Erst mit dem Aufkommen der kühlen Abendbrise werden Flughunde munter und verlassen den heimischen Baum. Praktisch: Etliche potenzielle Fressfeinde genießen dann bereits ihre Nachtruhe.
Anders als ihre Verwandten, die Fledermäuse, orientieren sich Graukopf-Flughunde bei der nächtlichen Futtersuche nicht per Echolot. „Ihr Sehsinn ist dank der großen Augen sehr ausgeprägt“, sagt Voigt. „Sie können bereits geringe Lichtintensitäten nutzen, um sich bei Nacht zu orientieren.“ Die fliegenden Hündchen sind sehr heimatverbunden. Auf ihren Futtertouren legen sie zwar Strecken von bis zu 50 Kilometern zurück, entfernen sich jedoch nie weit vom Schlafplatz. Leibspeise der Flughunde: Früchte, Pollen und Blüten. Ganz nebenbei tun sie beim Schlemmen auch etwas für die Umwelt, wie der Experte betont. „Sie verteilen die Samen der gefressenen Früchte über weite Strecken und helfen so bei der großflächigen Aufforstung von gerodeten Flächen“, so Christian Voigt. „Auch die Blüten manch landwirtschaftlich relevanter Pflanze bestäuben sie.“
In den vergangenen Jahren zog es Graukopf-Flughunde vermehrt in Richtung der Städte. Nahe den Menschen locken Obstbäume, und die Anzahl an Fressfeinden ist gering. Problematisch: Die Tiere gelten unter Infektionsforschern als Hauptquelle für gefährliche Viren. Doch keine Sorge, Flughunde greifen selten an. Die Minivampire sind schließlich Vegetarier – ihr Interesse gilt den Früchten.
VERBREITUNG: Wo Flughunde sich heimisch fühlen
Knapp 200 verschiedene Flughundarten flattern über die Erde. Ihr Verbreitungsraum ist vielfältig: Die Tiere leben in Australien, den tropischen und subtropischen Regionen Afrikas, in Ozeanien und im Süden Asiens. Doch die Anzahl an Flughunden geht weltweit zurück. Die zunehmende Rodung von Wäldern raubt ihnen die Lebensräume. Acht Arten sind laut IUCN mittlerweile ausgestorben, 22 weitere gelten als gefährdet – unter ihnen der Graukopf-Flughund.
FOTOS: DOUG GIMESY/NATUREPL.COM