... Schnabel greift er eine Kugel, steckt sie oben durch den Spalt und lässt sie so die Ebene hinunterrollen, dass sie die Nuss unten nach draußen kegelt.
Im nächsten Schritt wird’s schwieriger. Die Forscher am „Kea Lab“ der Veterinärmedizinischen Universität Wien bauen in die schiefe Ebene eine Fallgrube ein: Zielt der Papagei nicht exakt, plumpst die Kugel in das Loch. Doch der Vogel hat keine Lust mehr auf Spielchen: Er rüttelt so lang an der Box, bis die Nuss von allein herausrutscht. Ziemlich schlau – wenn auch anders als erwartet. Die Forscher müssen ihre Versuchsanordnung festschrauben, bevor der Test geordnet weitergehen kann.
„Keas haben große Gehirne und eine hohe Neuronendichte, die ausschlaggebend für Intelligenz ist“, sagt Dr. Raoul Schwing. Der Verhaltensbiologe arbeitet seit zehn Jahren mit den Vögeln: in der Forschungsstation südlich von Wien und auf der Südinsel Neuseelands, wo sie heimisch sind. Bei einem komplexeren Versuch mit vier verschiedenen Lösungswegen sei einer seiner Keas schneller zum Ziel gekommen als Raben und Nebelkrähen, ja, schneller sogar als Primaten, berichtet Schwing.
RANDALIERER Weil Keas gern Dichtungen zerfleddern sowie Antennen und Scheibenwischer abknicken, sind sie in Neuseeland nicht allzu beliebt
SPIELERNATUR Die Bergpapageien kennen keine strengen Hierarchien. Rangkämpfe sind eher selten, Keas spielen und kuscheln lieber
Kreativ müssen die Papageien auch in der Wildnis sein, etwa im Winter, wenn es in den Bergen nicht genug Futter gibt. Dann ziehen sie ins Flachland zu den Menschen, vor denen sie keine Furcht haben. Touristen sind entzückt, wenn ihnen Keas auf die Schultern flattern oder Schnürsenkel aufziehen. Wenn sie Proviant aus Taschen klauen oder Autodichtungen zerlegen, ist jedoch Schluss mit lustig. Weil Keas ab und zu Schafe attackieren, wurden sie früher gnadenlos gejagt. Erst seit 1986 sind sie geschützt. Heute gibt es schätzungsweise nur noch 2000 bis 4000 Tiere.
Spielen verbindet und machttoleranter
Bis die ersten europäischen Einwanderer Säugetiere wie Wiesel oder Frettchen nach Neuseeland brachten, hatten Keas so gut wie keine Feinde. Das machte sie so arglos. Und so schlau. „Sie mussten nicht so stark ums Überleben kämpfen“, sagt Schwing. „Das Hirn braucht viel Energie. Keas konnten ihres weiterentwickeln, da sie wenig Energie aufwenden mussten, um sich zu schützen.“ Deshalb haben sie auch eine verlängerte Kindheit – offenbar ebenfalls positiv für die Entwicklung des Verstands. „Sie sind die verspieltesten Tiere der Welt, auch als Erwachsene“, so Schwing. Wer denke, Spielen sei sinnfreier Zeitvertreib, irre: „Keas kämpfen nicht. Spielen stärkt ihren sozialen Zusammenhalt und macht sie toleranter “
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