... Umweltforschung (UFZ) in Halle. Der Falter war ihr erster Schmetterling 2018, erspäht bei einer Wanderung in der Sächsischen Schweiz.
Die Schmetterlingskundlerin weiß, warum ihr gerade dieses zarte Geschöpf begegnete. „Zitronenfalter gehören zu den robustesten Schmetterlingen überhaupt“, erklärt Kühn. „Als Falter trotzen sie auch strengem Frost. Nach ein paar warmen Sonnentagen erwachen sie dann als Erste.“
Nur ein halbes Dutzend der ungefähr 140 heimischen Tagfalter überwintert in geflügelter Form, etwa der samtige Trauermantel, der Kleine Fuchs oder das eindrucksvolle Tagpfauenauge. Sie kommen meist im März aus ihren geschützten Verstecken, den Dachböden, Kellern oder Höhlen. Einen solchen Rückzug hat der Zitronenfalter nicht nötig. Sein Trick: Vor der Winterruhe sondert er Wasser ab, außerdem fließt Glyzerin in seinen Gefäßen, ein körpereigenes Frostschutzmittel. Doch die meisten Schmetter-linge überdauern die Kälte als Ei, Raupe oder Puppe. Wärme löst die jeweils nächste Phase ihrer erstaunlichen Metamorphose aus. Sie schlüpfen aus dem Ei, fressen sich als Raupe durchs Grün oder sprengen den Panzer ihrer Puppe. In der oft nur Wochen währenden Flugphase widmen sie sich der schönsten Nebensache der Welt: der Fortpflanzung. Viele Insekten verwandeln sich schrittweise, doch nur die Schmetterlinge zeigen am Ende ein solches Feuerwerk an Farben, Formen und Mustern. Auch deshalb sind sie die Lieblinge der Menschen. Als Lichtgestalten gaukeln sie durch Märchen, Mythen und Sagen.
FARBTUPFER Nur der männliche Aurorafalter zeigt orangefarbene Flecken
FRÜHLINGSSCHWARM Kleine Füchse laben sich an einem Schmetterlingsstrauch
GROSSE GRAZIE Der blau gefleckte Trauermantel hat bis 7,5 Zentimeter Spannweite
Auf zur großen Zählung der Falter!
Doch wie viele dieser fragilen Geschöpfe gleiten durch die Lüfte? Wie stark trifft sie das Insektensterben? Kühn koordiniert die bundesweite Zählung der Schmetterlinge am UFZ, das Tagfalter-Monitoring, . 500 Freiwillige zählen auf einer persönlich gewählten Route Tagfalter: alle 14 Tage, von April bis September. Seit dem Start des Projekts 2005 wurden über drei Millionen Tiere zwischen Flensburg und dem Bodensee gemeldet. „Neue Mitzähler sind herzlich willkommen“, so Kühn. Die Aktion ist mehr als ein Zeitvertreib im Grünen: Die Helfer leisten einen wichtigen Beitrag zur Naturforschung. „Schmetterlinge sind gute Umweltbarometer, weil sie schnell auf äußere Einflüsse reagieren“, sagt Kühn.
Die erste Bilanz: Zwischen 2005 und 2015 ging die Artenvielfalt um zehn Prozent zurück. Doch neuere Zahlen geben Anlass zu gedämpfter Hoffnung. „Insgesamt stellen wir nur einen verhaltenen Rückgang der Artenvielfalt fest, aber keine massiven Einbrüche wie in Großbritannien“, führt Kühn aus. „Anders als bei den Briten können bei uns südliche Arten zuwandern.“
Doch auch bei uns leiden Insekten unter intensiver Landwirtschaft und dem Verlust an Lebensraum. Beispiel Schachbrettfalter, Schmetterling des Jahres 2019: Die Zahlen des einst häufigen Falters mit dem markanten Muster gehen zurück. Das Schachbrett braucht artenreiche Wiesen. Doch die gibt es immer seltener. „Außerdem werden viele Grünflächen zu häufig gemäht“, klagt Kühn. Sie rät: „Wer nur einmal im Herbst mäht, hilft den Schmetterlingen und dem Lebensraum Wiese.“DAGO WEYCHARDT
FOTOS: S. 18-19: ALAMY (2), PAVES/SHUTTERSTOCK; S. 20: VARNDELL/GETTY IMAGES, ALAMY (2)