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Businessart - epaper ⋅ Ausgabe 4/2021 vom 23.11.2021

Als Erich Steindl am 1. Jänner 2018 die Geschäftsführung der Druckerei Janetschek in Heidenreichstein im Waldviertel übernommen hat, hat er mit einer Sache nicht gerechnet: „Es hat mich sehr überrascht, wie viele Mitarbeiter*innen ihre persönlichen Fragen und Probleme an mich herantragen.“ Das damit einhergehende Vertrauen wertet der 45-Jährige positiv, entspricht es doch seinem Führungsstil, den er als empathisch und sozial beschreibt – auf jeden Fall als „nicht autoritär“: „Ich unterscheide mich da etwas von Herrn Janetschek, meinem Vorgänger, der sich viel mehr an den Zahlen orientiert hat“, sagt Steindl. „Mitarbeiter*innen fördern und fordern ist eine meiner Stärken. Auch wenn ich merke, dass sich manche eine strengere Hand und mehr Konsequenz wünschen würden.“

Erich Steindl, Geschäftsführer der Druckerei Janetschek

Manches unterschätzt

Vor über 30 Jahren hat Erich Steindl in der Druckerei Janetschek als Lehrling begonnen, später von der Produktion in den Verkauf gewechselt und sich weitergebildet. Vor vier Jahren hat ihn Christian Janetschek gefragt, ob er sich vorstellen könne, sein Nachfolger zu werden und das über hundert Jahre alte Unternehmen mit rund 50 Mitarbeiter*innen zu führen. „In der Familie Janetschek hat es niemanden gegeben, also habe ich relativ kurz entschlossen zugesagt“, erzählt Steindl. Manches habe er unterschätzt, gibt er zu. „Die Komplexität, die auf einen zukommt, ist enorm. Schwierig war für mich außerdem, mich von heute auf morgen aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen.“ Steindls größte Herausforderung: Der Wechsel vom Kollegen zum Vorgesetzten. „Manche der Mitarbeiter*innen haben mich damals ausgebildet. Um sich da durchzusetzen, muss man konsequent seinen Weg gehen.“

JEDER MENSCH, DER EINE FIRMA ÜBERNIMMT, MUSS DIE MITARBEITER*INNEN FÜHREN. IST DER FÜHRUNGSSTIL DEN MITARBEITER*INNEN UNBEKANNT, SORGT DAS ERST EINMAL FÜR UNRUHE.

Was Erich Steindl beschreibt, sind ganz typische Anfangsschwierigkeiten bei der Übernahme eines Unternehmens, sagt der Unternehmensberater Guido Schwarz. „Die Aufteilung des eigenen Workloads beispielsweise wird zu Beginn oft falsch eingeschätzt. Da meint jemand, er müsse viel im Betrieb sein und mit den Leuten an den Maschinen stehen. Dabei wäre es wichtiger, dass er alle Großkunden durchtelefoniert, um sich vorzustellen.“

Erwartungen proaktiv kommunizieren

Die Mitarbeiter*innen für sich zu gewinnen, sei eine der größten Herausforderungen für die neue Person an der Unternehmensspitze. Und das unabhängig davon, ob diese von außen kommt, den Betrieb als Mitarbeiter*in schon lange kennt oder die nächste in der Generationenfolge im Familienunternehmen ist, betont Schwarz: „Jeder Mensch, der eine Firma übernimmt, muss die Mitarbeiter*innen führen. Ist der Führungsstil den Mitarbeiter*innen unbekannt, sorgt das erst einmal für Unruhe.“ Schwarz empfiehlt, die eigenen Erwartungen proaktiv an die Mitarbeiter*innen zu kommunizieren. Das könne Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen betreffen, die Rauchpausen ebenso wie Sicherheitsmaßnahmen. „Zuerst bringt man in Erfahrung, welche Regeln bisher gegolten haben. Dann teilt man seine eigenen Regeln mit. Zum Beispiel: Mir ist wichtig, dass alle am Montagvormittag anwesend sind, weil wir da unsere Wochenbesprechung machen.“ Ein absolutes Muss seien Einzelgespräche mit Mitarbeiter*innen, sagt Guido Schwarz. „Die kosten zwar immens viel Zeit. Aber wenn man sie nicht macht, geht’s fast immer schief.“ Auch Erich Steindl meint: „Viel zu kommunizieren ist das Um und Auf.“ In der Druckerei Janetschek gab es vor allem zu Beginn – was ohnehin der Firmenphilosophie von Janetschek entspricht – viele Einzelgespräche, Mitarbeiter*innen-Informationen und Newsletter. „Wir haben außerdem unsere ‚Montagsrunde‘, bei der sich alle Führungskräfte austauschen. Grundsätzlich haben unsere Mitarbeiter*innen viel Mitspracherecht. Alle Veränderungen werden mit ihnen besprochen.“

„Schaffe ich das?“

Was neue Chef*innen auf jeden Fall reichlich mitbringen müssten, sei Geduld, sagt Guido Schwarz. Denn der Erfolg eines frisch übernommenen Unternehmens stelle sich selten sofort ein. Im Gegenteil. „Die Fieberkurve geht normalerweise erst einmal nach unten. Aufgrund der Veränderungen rennt es nicht gut. Das muss man aushalten und nicht zu früh das Handtuch werfen.“ Hilfreich seien in dieser Phase ein finanzieller Polster, aber auch private Ressourcen, auf die man zugreifen könne. Und etwas für die Nerven: „Zum Beispiel 20 Kilogramm Schokolade.“ Die Erfahrung der sinkenden Fieberkurve hat auch Erich Steindl gemacht – wobei Corona daran einen erheblichen Anteil hatte. Konkurrierende Onlineanbieter, Rohstoffverknappung, Facharbeiter*innenmangel, steigende Energiekosten: All das machte der Druckerei zu schaffen. „Zwischenzeitlich habe ich mir gedacht: Was habe ich mir da angefangen? Schaffe ich das wirklich?“ Mittlerweile geht die Kurve wieder deutlich nach oben, Erfolge stellen sich ein. „Wenn man konsequent in kleinen Schritten weitergeht, wird das irgendwann Früchte tragen. Die zeigen sich jetzt auch“, ist Steindl zuversichtlich.

Sich das Erbe zu eigen machen

Nachfolger*innen finden sich im Zuge einer Unternehmensübergabe im Spannungsfeld von Altem und Neuem. Bewährtes gilt es zu pflegen, gleichzeitig will ein Unternehmen weiterentwickelt werden, damit es bestehen kann. „Es heißt: Du musst dir dein Erbe erarbeiten, um es zu besitzen“, sagt Guido Schwarz. „Erarbeiten kann man es sich nur, wenn man es sich zu eigen macht und mit seinen Kräften, Zielen und Visionen führt.“ Die Beziehung zum ehemaligen Chef, sofern dieser noch präsent ist, kann dabei für Konflikte sorgen. Gerade in Familienunternehmen sind klare Absprachen und symbolkräftige Rituale notwendig, die ausdrücken, wer das Sagen hat. Ideal läuft es in der Druckerei Janetschek. Die Beziehung mit Christian Janetschek sei gut, berichtet Erich Steindl. Der „Altchef“, wie er von den Mitarbeiter*innen genannt wird, kommt zwei- bis dreimal pro Woche in die Druckerei. „Spannungsfelder gibt es da nicht. Im Gegenteil: Die 35 Jahre Erfahrung von Herrn Janetschek sind wahnsinnig wertvoll. Wir tauschen uns oft aus.“ Christian Janetschek habe die Übergabe sehr überlegt durchgeführt und koste seine Pension aus. Auch das hat Erich Steindl als Neo-Geschäftsführer überrascht: „Dass er sich so zurücknehmen kann, hätte ich mir nicht gedacht.“

DU MUSST DIR DEIN ERBE ERARBEITEN, UM ES ZU BESITZEN – ERARBEITEN KANN MAN ES SICH NUR, WENN MAN ES SICH ZU EIGEN MACHT UND MIT SEINEN KRÄFTEN, ZIELEN UND VISIONEN FÜHRT.“

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