... von Karin und Jan Lüneburg, die seit Jahrzehnten Holsteiner Pferde züchten. Jan Lüneburg war Vorstandsvorsitzender des Holsteiner Verbandes und Mitglied des Vorstands der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Bereich Zucht. Er und seine Frau Karin, die Pferdewirtschaftsmeisterin und Forstwissenschaftlerin ist, haben Nisse jedoch nie dazu gedrängt, mit dem Sport anzufangen: „Als Kind hatte ich wenig Lust zum Reiten, erst mit elf Jahren hat sich das geändert“, erzählt er. „Dann bin ich öfter mit meinen Eltern und Geschwistern aufs Turnier gefahren, recht schnell auf Großpferde umgestiegen und die ersten Erfolge haben sich eingestellt.“ Diese Erfolge waren unter anderem Landesmeisterschaftsmedaillen, die Teilnahme an Deutschen Jugendmeisterschaften und die Berufung in den Bundeskader der Junioren. Trotz vieler Turniere an den Wochenenden und zum Teil auch in der Woche hat Nisse sein Abitur problemlos bestanden. „Ich war kein super Schüler, aber hatte nie Schwierigkeiten“, sagt er bescheiden. Schon während seiner Vorbereitung auf das Abitur haben ihn die Besitzer des Magdalenenhofs, Familie Herz, gefragt, ob er nach dem Abschluss bei ihnen reiten wolle. Nisse Lüneburg, der noch nicht genau wusste, wo sein beruflicher Weg hingehen sollte, sagte zu. „Die Entscheidung fiel mir leicht, ich wollte ohnehin nicht sofort studieren und so konnte ich erst mal einfach nur reiten.“ Das ist jetzt über zehn Jahre her und er ist dem Magdalenenhof bis heute treu geblieben.
Zwei, die sich verstehen: die Sieger im 90sten Deutschen Spring-Derby, Nisse Lüneburg und Cordillo
Foto: Stefan Stuhr
„Wer niemals enttäuscht ist, ist kein Sportler.“ Nisse Lüneburg
Lernen, mit Misserfolgen umzugehen
Elf Angestellte arbeiten hier, davon vier Bereiter, die sich um etwa 30 Pferde kümmern. Ein paar Einsteller gibt es, aber hauptsächlich stehen die Pferde der Eigentümerfamilie Herz auf dem Hof. Es sind ausschließlich Sportpferde, die Zuchtstuten und Rentner sind in Marne untergebracht. Auf dem benachbarten Moorhof, der ebenfalls der Familie Herz gehört und auf dem Springreiter Carsten-Otto Nagel sein sportliches Zuhause hat, steht Nisse Lüneburgs erster Derby-Sieger Calle Cool v. Concerto II-Landgraf I (ZG Gehrts/Zuba, Wesselburen) und ge-nießt sein Rentnerdasein. „Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Reitern vom Moorhof, wir trainieren auch mal dort und sie bei uns, das ergänzt sich hervorragend.“ Im Nachbarstall wurde zudem auch ein kleiner Derby-Parcours nachgebaut. Das Koppeltor und eine Mauer stehen zum Beispiel zum Üben bereit, sogar einen Wall gibt es. Dass der Wall eine entscheidende Klippe des Derby-Parcours‘ ist, hat Lüneburg schon mehrfach zu spüren bekommen: Nachdem er 2012 mit erst 23 Jahren zum ersten Mal das Spring-Derby mit Calle Cool gewann, war dieser noch kein Problem, auch in den beiden Folgejahren bezwang das Paar den Wall, 2014 gelang sogar der erneute Sieg. 2015 sollte Calles letzter Derby-Start folgen, danach seine Sportkarriere beendet werden. Der Wallach wollte jedoch den Wall nicht hinuntergehen und die Vorjahressieger schieden aus. „Calle war schon immer sehr leicht von äußeren Einflüssen zu beeindru-cken und hat sich an diesem Tag sehr von den Kameras und den Zuschauern ablenken lassen. Es war sehr schade, dass unser letzter Start endete, aber es war nicht überraschend“, stellt er fest. Über eine weitere Teilnahme mit Calle habe er jedoch nicht nachgedacht: „Man muss lernen, mit Misserfolgen umzugehen. Und man darf auch enttäuscht sein. Wer das niemals ist, ist kein Sportler.“
Auf dem großzügigen Grasplatz des Nachbarstalls werden jedes Jahr Derby-Hindernisse zum Üben aufgebaut. Sogar einen Wall gibt es.
Seit zehn Jahren sind Pflegerin Nicole Wezel und Nisse Lüneburg ein Team und kümmern sich aktuell um elf Pferde.
Fotos: Stefan Stuhr
Das richtige Training, genauso aber eine positive Einstellung und Optimismus sieht der 30-Jährige als Schlüssel zum Erfolg.
Das Blaue Band hängt noch im Stall, aber die nächsten sportlichen Herausforderungen sind schon geplant: „Mein Traum ist es, irgendwann in Aachen zu reiten“, sagt Lüneburg.
Der Magdalenenhof liegt in Wedel am Rande eines Waldstücks. „Wir haben richtig gutes Ausreitgelände vor der Haustür für Galopptrainings.”
Mir ist es wichtig, kein Pferd in seinem Wesen zu verändern.” So hat Nisse Lüneburg für Cordillo, der „nicht der Schnellste, aber mutig” sei, als Derby-Pferd die richtige Aufgabe gefunden.
Um zum benachbarten Moorhof zu kommen, wo auch der ehemalige Derby-Sieger Calle Cool seine Rente genießt, muss man lediglich ein kurzes Waldstück durchqueren.
„Ein Erfolg vor heimischer Kulisse ist etwas ganz Besonderes“, freut sich der Derby-Sieger über viele Artikel und positive Rückmeldungen.
Selbstvertrauen und Optimismus
Nach Calles Abschied aus dem Sport suchte er nach einem neuen Derby-Pferd und ein Wallach, den er ritt, seit er sechsjährig war, kam dafür in Frage: Cordillo v. Corrido-Candillo (Erik Schöning, Sipsdorf) zeichnet sich durch seine Unerschrockenheit und seinen abgeklärten Charakter aus. „Er ist zwar nicht der Schnellste, aber immer leistungsbereit, unkompliziert und mutig“, so Lüneburg. Bei ihrem ersten Derby-Start 2017 wurden sie Dritte, was für den Reiter „eine riesige Überraschung“ war, mit der er nicht gerechnet habe. 2018 dann der erneute Schock am Wall: Cordillo wollte ebenfalls nicht hinunter. „Ich muss zugeben, dass wir in dem Jahr nicht top-trainiert waren. Dennoch war es eine harte Niederlage, ich habe mir viel vorgenommen und meine Ziele nicht erreicht. Vor heimischem Publikum in Hamburg ist das noch schwieriger, zumal alle besonders hinschauen, wenn man beim Derby bereits gut war. Im Nachhinein kann ich aber positiv auf das Event zurückschauen. Niederlagen bringen Fortschritte. Sie sorgen dafür, dass man sich selbst und sein Training hinterfragt, man sieht sein Pferd aus einer anderen Perspektive und lernt es neu kennen.“ Optimismus ist für den Springreiter eine der wichtigsten Eigenschaften im Umgang mit Pferden: „Um im Sport erfolgreich zu sein, muss man an sich selbst glauben. Man muss mit Freude und Überzeugung dabei sein. Denn Pferde sind so viel sensibler, als wir es uns nur vorstellen können. Sie spüren es genau, wenn man unsicher ist oder sogar Angst hat – andersherum sind sie auch empfänglich für eine positive und optimistische Stimmung.“ Mit dem richtigen Training und einem guten Gefühl startete er in diesem Jahr in das 90ste Deutsche Spring-Derby – das Resultat ist bekannt.
Nisse Lüneburg und Little Lord v. Lord-Landgraf I aus der Familienzucht bei den Landesmeisterschaften in Bad Segeberg – mit ihm und der Stute Honey v. Campione-Coriolan (ZG Hansen, Ottenbüttel) feierte er die ersten Erfolge in der schweren Klasse.
Foto: Privat
Die ersten E- und A-Springen ritt Lüneburg im Sattel von Pony Marina.
Foto: Privat
Mit Charakter zum Erfolg
Eine gute Planung und Organisation gehört zu Lüneburgs Alltag, denn mit elf Pferden, die in seiner Obhut stehen, und 40 Turnierwochenenden im Jahr bedarf es eines eingespielten Ablaufs. Um halb acht am Morgen beginnt sein Arbeitstag, er reitet etwa acht Pferde täglich und um 18 Uhr ist Feierabend – „an einem normalen Tag“, wie er sagt. Doch häufig fahren er und seine Pflegerin Nicole Wezel schon am Mittwoch zum Turnier, am Sonntag kommen sie zurück. „Montag ist eigentlich mein freier Tag, aber wenn ich nur ein paar Pferde mit zu einer Veranstaltung genommen habe, reite ich am Montag natürlich die anderen.“ In dem großzügigen Stall mit Paddockboxen, in denen seine Pferde stehen, hängen mehrere Tafeln mit Wochenplänen für die Tiere und Zeiteinteilungen der nächsten Turniere. Freitag zwei Starts im M**-Springen, Samstag in S*- und S**-Springen und Sonntag im S* und Großen Preis – „aber das Turnier ist nur eine Stunde entfernt, das ist entspannt.“ Neben dem Sport bleibt kaum Zeit für anderes, jedoch trifft er sich einmal in der Woche mit Freunden zum Fußballspielen. Das sei ein guter Ausgleich und die meisten anderen Spieler auch Reiter und hätten denselben Tages- und Wochenrhythmus wie er. Die Arbeit als Berufsreiter habe er trotz ihrer Intensität nie in Frage gestellt. „Natürlich bin ich weniger gereist und habe nicht so viel von der Welt gesehen wie andere, aber für den sportlichen Erfolg zu arbeiten, lohnt sich auf jeden Fall.“ Seine aktuellen Top-Pferde sind die elfjährige Holsteiner Stute Alina v. Nekton-Cassini I (Maike Mohr, Haselau), das Oldenburger Springpferd Luca Toni und der KWPN-Wallach Westbridge. Mit ihnen hat er in der laufenden Saison zahlreiche Erfolge bis Vier-Sterne-Niveau erreicht. Am liebsten reitet der 30-Jährige blutgeprägte Pferde mit viel Go, meistens übernimmt er sie sechsoder siebenjährig und startet zuerst in Youngster-Touren, bis es an die ersten schweren Springen geht. „Ich mag Charakterpferde, die mitkämpfen und zum Sprung wollen. Mir ist es wichtig, kein Pferd in seinem Wesen zu verändern. Ab einem gewissen Level kann man nur erfolgreich sein, wenn Pferd und Reiter miteinander arbeiten und sich aufeinander verlassen können.“
Kurz und knapp
Foto: Stefan Stuhr
Ohne diese Person/en wäre ich heute nicht der, der ich bin…
…meine Eltern und Geschwister
Meine größte Schwäche…
…erledige zu viele Dinge auf einmal
Meine tägliche Motivation ziehe ich aus…
…dem Glauben, sportlich etwas erreichen zu können
Was ich am Pferdesport liebe…
… das Zusammenspiel zwischen Mensch und Pferd
Was mir am Sport nicht so gut gefällt…
…dass, man vieles anderes für den Sport aufgibt
Mein größter Kritiker…
…bin ich selber
Meine größte Stütze im Alltag…
…mein Team im Stall
Hier entspanne ich am besten…
…beim Sport
In zehn Jahren bin ich hoffentlich…
…bei guter Gesundheit