... das Bild, das sich gerade auf dem Echolotbildschirm aufbaut. Von zwei Metern Tiefe bis ganz zum Grund des Unterwasserberges, über den wir gerade driften – alles ist rot! Hier muss ein riesiger Schwarm Seelachse stehen. Unter dem Klumpen aus roten Bildpunkten schieben sich immer wieder steil aufsteigende, gelbe Striche in den Schwarm. Große, raubende Pollacks! Einer dieser Striche zieht aus zwölf Metern Wassertiefe immer höher bis zur Oberfläche – ich verstehe nicht sofort, was der Fisch vorhat. Brauche ich auch nicht, denn er erklärt es mir: Meine Rutenspitze wird zur Wasseroberfläche gerissen und meine Bremse kreischt. Ich hatte ganz vergessen, dass ich den Pilker noch in der Wassersäule hängen hatte, so vertieft war ich in das Sonarbild!
Verlassen wir kurz das Geschehen auf dem Unterwasserberg und zoomen gedanklich ein ganzes Stück aus der Situation heraus. Ich werfe Ihnen einfach mal ein paar Begriffe vor die Füße: Heilbutt, Pollack, Seelachs, Seehecht, Lumb, Leng, Rotbarsch, Dorsch, Flunder. Jetzt suchen wir aus diesen Begriffen Gemeinsamkeiten: Fischarten, Meer, Norwegen. Den Begriff Norwegen greifen wir uns und zoomen wieder etwas herein. Wohin gelangen wir? Aufgrund der vielen Fischarten schließen sich ja einige Regionen aus, der Heilbutt lässt auf Nordnorwegen schließen, Leng steht für Hitra. Okay, ich kürze mein Rätsel etwas ab, sonst zieht es sich ja ins Unendliche: Ich befinde mich auf der Insel Storslåttøya, nur einige Kilometer nördlich von Hitra.
„TIEFEN VON 40 BIS 90 METERN ERGABEN LENG ODER LUMB.“
Die meisten Pollacks fingen wir im Süden und am westlichen Uferstreifen der Insel, entweder auf Bergen oder direkt am Rand an den Steinen.
Hier geht’s zum Fisch!
40 STUNDEN AUF DEM BOOT
Die vielen genannten Fischarten zu Anfang können Sie alle vor Storslåttøya fangen, das haben Sie mittlerweile bestimmt geahnt. Und genau die Artenvielfalt macht dieses Revier so spannend! Ob vom Ufer auf Pollacks und Plattfische oder vom Aluboot in 300 Metern Tiefe auf große Lengs – hier können Sie wirklich alles ausprobieren.
Diesen vielen tollen Möglichkeiten stehen leider zwei unvermeidbare Dinge im Weg: die (begrenzte) Urlaubszeit und der Schlaf. Im Sommer, als mein Kollege Derrik Figge und ich auf Storslåttøya waren, wurde es nicht dunkel. Wir zogen die ersten beiden Tage ziemlich knallhart durch – aber nach rund 40 Stunden Drillen an der frischen Seeluft kippt auch der verrückteste Angler irgendwann aus dem Boot ins Bett. Und so mussten wir uns an Tag drei erstmal richtig ausruhen. Natürlich gaben wir tags darauf wieder Vollgas – dieses Wechselspiel aus Dauerdrillen und Schlafen wiederholte sich einige Male, dann war unsere Woche schon vorbei. Die Zeit verging wirklich wie im Flug.
Obwohl wir „nur“ eine Woche vor Ort waren, hatten wir das Glück, jeden Tag bei maximal zwei Windstärken hinausfahren zu können. In den ersten beiden Tagen haben wir die ufernahen Bereiche um die Insel gar nicht verlassen, denn schon nach der Hafenausfahrt zeigten sich links und rechts überall große Köhlerschwärme. Größtenteils waren das Fische um 30 Zentimeter, allerdings fingen wir darunter immer wieder größere Pollacks. Außerdem war so die Köderfischbeschaffung absolut kein Problem! Innerhalb von zehn Minuten waren genügend Köhler zum Naturköderangeln gefangen. Und das sollten Sie unbedingt versuchen. Links vom Hafen befindet sich ein alter Bunker, die Steilwand davor läuft genau so unter Wasser weiter. Ein Köhlerfetzen am Grund, zehn Minuten Wartezeit und ein Tiefenspektrum von 40 bis 90 Metern ergeben hier Leng oder Lumb!
Guide Fabian führt Sie auf Wunsch zum Fisch. Falls Sie es allein probieren wollen: Ihnen stehen fünf Kværnø-Aluboote mit 50 PS zur Verfügung.
Eine gute Seelachsstelle? Das Meer! Wir fingen die Fische wirklich überall.
LENG IN DEN KORALLEN
Nach 90 Metern ist aber natürlich noch nicht Schluss. Falls Sie begnadeter Tiefseeangler sind, können Sie sich ja mal an den über 200 Meter tiefen Rinnen um das nordwestlich liegende Plateau „Svissaflua“ treiben lassen. Hier liegen Korallen am Grund, dazwischen kapitale Lengs. Wir fingen Fische bis 1,55 Meter Länge! Die Korallen sind aber auch Montagenfresser, also kurbeln Sie den Köder lieber fünf Meter nach oben, wenn er den Grund erreicht. Die heißen Rinnen sind recht schmal, hier hat uns Guide Fabian sehr geholfen, sie genau zu treffen. Der gebürtige Berliner kennt sich rund um die Inseln bestens aus.
Wenn wir uns schon gedanklich in der Nähe von Svissaflua befinden, will ich Sie nochmal mit auf den flachen Bereich des Plateaus nehmen. Hier sollten Sie unbedingt einige Driften ansetzen, denn die Erhebung geht bis zu 16 Meter unter die Wasseroberfläche, umringt von den 200 Meter tiefen Rinnen. An dieser Struktur schwimmen weder Dorsch noch Köhler ignorant vorbei. Vor allem in den Morgen- und Abendstunden ziehen die Räuber aufs Flache und schlagen sich die Bäuche voll. Setzen Sie sich einfach, je nach Wind und Strömung, vor den flachsten Punkt und lassen sich einmal darüber treiben. Der Pilker ist bei uns in 50 Prozent der Fälle nie zum Grund gekommen, sondern wurde schon im Mittelwasser von den Köhlern gestoppt. Falls der Köder doch mal auf Grund schlägt, halten Sie sich bereit: Dort stehen große Dorsche!
Naturködermontage: Blei, Perle, Schlauch, zwei Einzelhaken und eine Makrele.
Florian erwischte vor Storslåttøya seinen ersten Leng überhaupt: 155 Zentimeter!
Derrik hatte es voll auf Lumb abgesehen. Er fing tolle Fische bis Mitte 80 auf unsere Lengmontagen in etwas flacherem Wasser.
Neben Lumb und Leng schnappten sich auch Dorsche unsere Naturköder.
Fünf Ferienhäuser für je sechs Personen stehen den Gästen zur Verfügung.
Auf der Hälfte der Peilung zwischen dem Hafen und Svissaflua finden Sie auf der Seekarte eine Insel: Uggsteinen. Die Uferkanten fallen recht steil ab und laufen dann ab 100 Meter Tiefe flach aus. Hier lohnt eine Drift mit Naturködern. Direkt an den Steilwänden fingen wir außerdem gut Makrele und Pollack. Für Letzteren können Sie auch die „Ersatz-Hafeneinfahrt“ aufsuchen, wie Fabian sie betitelte. Die gut durchströmte Engstelle befindet sich vom Hafen aus gesehen auf der rechten Seite. Nachts beobachtete ich kleine Köhler, die an der Oberläche etwas fraßen. Ein Blick aufs Echolot ließ unsere Hände zu den Ruten wandern – die gelben, steil aufsteigenden Linien waren überall darunter gut zu erkennen. Wo wir schon einmal rechts von der Hafeneinfahrt sind, bewegen wir uns einfach noch etwas weiter in Richtung Nordspitze von Storslåttøya. Hier fallen drei Strukuren sofort ins Auge: Skjåholmflua, Larsgrunnen und der 23-Meter-Berg südlich der Untiefe Maltsekken. Hier erwarten Sie Dorsch, Köhler und an den tiefen Kanten Leng, Lumb und Rotbarsch. Spannend ist auch der Trichter zwischen Storslåttøya und der benachbarten Insel Storfosna. Die Wassertiefe bewegt sich kontinuierlich zwischen zehn und 20 Meter, außerdem herrscht hier gut Strömung. Klingt nach Heilbutt, oder? Ist auch so! Die Platten liegen verteilt am Grund, wer sucht, der findet auch irgendwann. Außerdem liegen hier nicht nur Butts, sondern auch andere Platten. Flundern und Schollen zum Beispiel! Herrscht zu viel Wind, um rauszufahren, können Sie einfach eine Buttmontage vom Ufer der Insel parallel zur Brücke werfen.
Passieren wir die Brücke und folgen dem Trichter, stoßen wir irgendwann an seine Verbreiterung. Ziemlich genau mittig erhebt sich hier ein Berg (Spissflua) von 30 auf neun Meter. Er bildet nach dem gleichbleibend tiefen Trichter die erste interessante Struktur. Hier kann Pollack, Seelachs und Butt stehen. Nun haben wir es fast einmal um die Insel geschafft, zwei Stellen (oder vielmehr Strecken) will ich Ihnen aber noch an die Hand geben. Zum einen die gesamte Südseite der Insel. Neben drei flachen Bergen ist hier auch die gleichmäßig auslaufende Tiefenzone spannend, hier konnten wir auch Rotbarsch fangen. Außerdem ist die Westküste bis zur Hafeneinfahrt gesäumt von Steilwänden und kleineren Bergen. Hier finden Sie auf jeden Fall Pollack und auch Seelachs.
Egal, wo Ihre Priorität liegt, die Region um Storslåttøya erfüllt jeden Anspruch. Ich empfehle Ihnen nur eins – nehmen Sie mehr als eine Woche Urlaub! So haben Sie genügend Zeit, das immense anglerische Potenzial auszuschöpfen.
Die hier markierten Stellen sollten Sie auf jeden Fall ansteuern. Alle brachten uns Fisch.
Neben dem Hafen befindet sich das Filetierhaus.