... Hotelbar in Strande bei Kiel, Blick aufs Meer, Schilf und den Steg, an dem im Sommer ihr Boot liegt.
„‚Und meine Frau‘“, ergänzt Annette Marberth-Kubicki die Anekdote, ebenso schnell redend wie er, „‚muss mir jetzt aus Kiel frische Hemden bringen!‘“
„Nee!“, ruft Wolfgang Kubicki, „Das habe ich nicht gesagt!“ Sie: „Doch! So hast du das gesagt. Es stand sogar im Spiegel.“ Er: „Quatsch! So was wäre nie über meine Lippen gekommen!“ Sie: „Eine Journalistin rief mich daraufhin an und fragte, ob ich meinem Mann nun die Hemden brächte.“ Ihm, dem „Flirt-Profi“, dem „Macho“, dem „Schuft“, wie er gelegentlich charakterisiert wird? Annette Marberth-Kubicki erwiderte: „Nö, es ist Freitagmorgen, und ich bin berufstätig, als Strafverteidigerin. Wir sehen uns frühestens Sonntag in Berlin wieder.“ Und ihr Mann sei durchaus in der Lage, das Problem selbst zu lösen.
So war es, doch so ganz ist die Sache mit dem Hemd noch nicht bereinigt. Streiten können die Kubickis auch sonst gut. Freunde gaben ihnen, als sie sich kennenlernten, nicht mehr als sechs Monate. Das ist nun 30 Jahre her.
Annette Marberth ist Strafverteidigerin mit Kanzlei in Kiel. Ihr Mann Wolfgang Kubicki ist Vizepräsident des Bundestags, stellvertretender FDP-Vorsitzender, Anwalt und Segler. Beide mögen das Meer
Am 1. September 1989 stieg Annette Marberth, damals knapp 30, in seinen Wagen ein. „Keck“, „schnippisch“, „schräge Brille“ und „tiefrote Fingernägel“: So beschreibt Wolfgang Kubicki sie in seiner Autobiografie „Sagen, was Sache ist!“ (Econ, 22 Euro). Sie arbeiteten gemeinsam an einer Verteidigung. Ein Jahr später trennte sich Kubicki von seiner zweiten Frau, die Zwillingstöchter waren zehn. Zu ihnen entwickelte Annette Marberth bald ein gutes Verhältnis, alle drei lieben Pferde. Kubickis Ex-Frau Birgit traf sie zum ersten Mal 15 Jahre später, auf der Hochzeit der Tochter, die Anwältin in der Schweiz geworden war. Die andere, sie ist Richterin, hatte ohne Gäste geheiratet, das kann Familienangelegenheiten erleichtern.
Nach einem Streit ist meist er derjenige, der sich entschuldigt
Auf der Hochzeit von Annette und Wolfgang Kubicki 1997 sang ihr gemeinsamer Freund Jürgen Möllemann. Annette Marberth-Kubicki nahm sich damals vor, ihren Mann vor Größenwahn und Überheblichkeit zu schützen. Sie unterscheiden sich in manchem, auch wenn beide gute Restaurants, Golfplätze und schlagfertige Diskussionen schätzen.
Sie etwa liebt Tiere, als junge Frau in Hildesheim war sie Vielseitigkeitsreiterin, eine Disziplin, die sich aus Dressur, Geländereiten und Springen zusammensetzt. Er hingegen nutzte als Kind in Braunschweig die Hundehütte nur dazu, um sich darin zu verstecken, wenn er etwas tun sollte, das ihn langweilte. Langeweile ist für Wolfgang Kubicki ein Graus. Und er hat Schiss vor Pferden.
Sie steht früh auf, geht zeitig ins Bett und will auch mal allein zu Hause ihre Ruhe haben. Er ist dauernd unterwegs. Heute Lübeck, Fraunhofer-Institut, morgen Frankfurt, BKA in Wiesbaden, FDP-Wahlkampf. Übermorgen Hamburg, Buxtehude, wieder Hamburg, Freitag Bayreuth und am Wochenende Berlin. Sie pendelt jetzt immer mit ihm nach Berlin, 14 Tage im Monat ist sie dort. Während er in Sitzungswochen dem Bundestag vorsitzt, arbeitet sie an ihrem Laptop, besucht Museen und begleitet ihn abends zu Veranstaltungen.
Nachts sieht er dann noch ein bisschen fern, mit einem Glas Wein. Und ist genervt, wenn sie ihm morgens auf dem Frühstückstisch Aufgabenzettel hinterlässt.
Daheim in Strande zum Beispiel: Handwerker empfangen und anleiten. Gerade haben sie ihr Haus dort abreißen lassen, bauen es altersgerecht wieder auf und wohnen so lange in der Nachbarschaft auf 55 Quadratmetern.
Er: „Mit diesen Aufgabenzetteln dokumentiert sie, dass wir gerade nicht miteinander reden.“
Sie: „Wie soll ich es denn sonst mitteilen?“
Er: „Vor allem anfangs wollte sie mich immer auf die Palme bringen.“
Sie: „Er war so verkrustet, er ging Diskussionen aus dem Weg!“
Er: „Ich mach’s wie im Aikido, ich nehme den Schwung des Angreifers auf.“
Er schmunzelt, sie auch, es ist ein fröhlich-frotzelnder Schlagabtausch. Nach richtigen Streitereien sei er dann meist derjenige, der sich entschuldige. Nur einmal nicht. Da gab’s einen Aufgabenzettel, er reagierte mit einem spitzen Kommentar. Und wollte mal sehen, was passiert. Stunden später erhielt er eine SMS aus Hamburg: „Ich nehme deine Entschuldigung an!“
Er: „Welche Entschuldigung?“
Sie: „Du hast mir gerade einen Ring von Bulgari geschenkt, das finde ich angemessen.“
Sie hatte mit seiner Kreditkarte gezahlt, er fand das witzig und „eine intelligente Form, sich bei mir zu entschuldigen“. Seither kursiert im Hause Kubicki, wenn es ernst zu werden droht, ein geflügeltes Wort: Bulgari. „Erstaunlich, dass die hier in Strande noch keine Filiale aufgemacht haben“, beinahe synchron kommt Annette und Wolfgang Kubicki dieser Satz über die Lippen.
Doch nicht immer ist ihr Leben witzig. Wie etwa an dem Tag im Sommer 2003, als Jürgen Möllemann mit dem Fallschirm in den Tod sprang. Er war wegen Steuerhinterziehung und Verstoßes gegen das Parteiengesetz beschuldigt worden, Annette Marberth-Kubicki hatte seine Verteidigung übernommen. Am Morgen des 5. Juni war seine Immunität als Abgeordneter aufgehoben worden. Er rief seinen Freund Wolfgang Kubicki an. „Vor meinem Haus stehen mehrere Autos, was will mir das sagen?“, fragte er. Kubicki antwortete, da stünde wohl die Staatsmacht vor der Tür. Er versuche zu helfen, sei aber leider in Berlin.
Wortgewandt und schnell im Kopf – das gilt für beide
Hätte er ihn aufhalten können, fragt sich Kubicki noch heute, wenn er gesagt hätte: „Ich komme sofort zu dir nach Münster“? Er ist sich ziemlich sicher. Er sei in der Politik vorsichtiger geworden. Aus politischem Schlagabtausch dürfe nie eine persönliche Hexenjagd werden.
Noch ein harter Bruch. Die Nacht, als Wolfgang Kubicki ins Wasser gehen wollte. Er war in der Affäre um die Mülldeponie Schönberg beschuldigt, das Land Mecklenburg-Vorpommern durch überzogene Honorarforderungen übervorteilt zu haben. In jener Nacht im Februar 1994 habe er mit sich diskutiert, ob er aus dem Leben scheiden solle. Das Wasser war eiskalt, eine Waffe nicht in Reichwei-te. Annette Marberth-Kubicki hört jetzt still zu. Dieses Selbstgespräch macht ihr noch rückwirkend Angst. „Warum hast du mich nicht geweckt?“ – „Meinst du, ich wollte das mit dir diskutieren?“ Er hat sich dann entschieden, lieber noch eine Flasche Wein aufzumachen und darüber zu schlafen. Den Rechtsstreit entschied der Bundesgerichtshof Jahre später zu seinen Gunsten.
Wie sie sich verändert haben, in ihren 30 gemeinsamen Jahren? Wolfgang Kubicki: „Meine Frau ist schöner geworden.“ Annette Marberth-Kubicki: „Und mein Mann weicher, er lässt mittlerweile Emotionen zu. Wir weinen jetzt auch mal zusammen bei einer Schnulze.“
Und die Sache mit dem Hemd? Ein Blick ins Archiv gibt Aufschluss. Es war so: Wolfgang Kubicki im „Morgenmagazin“, dunkelgrauer Anzug, sauberes Hemd, sagt schmunzelnd in die Kamera: „Ich muss meine Frau jetzt anrufen, dass sie nach Berlin kommt, um mir neue Hemden zu bringen, weil ich nicht habe waschen können, ich bin ja nur unterwegs!“ Moderatorin Christiane Meier: „Die ist bestimmt schon auf, hat das gehört und macht sich jetzt auf den Weg.“