... unabhängig zu werden.
Wie ernst Einheimischen das Thema nehmen, sieht man direkt am Flughafen, wo zumindest alle Schilder zumindest zweisprachig sind. Auch unserem Fahrer, der uns vom Flughafen in Montreal ins Mont Tremblant Ski Resort, dem ersten Stopp unserer Safari, bringt, merkt man an seinem starken französischen Dialekt an, dass Englisch nicht seine Muttersprache ist. So merken alle aus unserer kleinen Reisegruppe schon direkt bei der Ankunft, dass es kein Fehler ist, wenn man zumindest ein klein bisschen Französisch spricht, wenn man eine Reise nach Quebec plant.
EIN KANADISCHER KATZENSPRUNG
Das Mont Tremblant Ski Resort ist so etwas wie der Hausberg von Montreal. Schließlich liegt er quasi direkt vor der Haustür, wie uns der Fahrer unseres Shuttles erklärt. Hier muss man allerdings von kanadischen Maßstäben ausgehen. Denn für das zweitgrößte Land der Erde sind 150 Kilometer und 1,5 Stunden Fahrt tatsächlich nur ein Katzensprung.
Leider bekommen wir außer einem Blick auf die berühmten, unendlich weit scheinenden kanadischen Wälder nicht viel von der Landschaft mit. Denn es dämmert bereits, und es setzt leichter Schneefall ein, was ja für eine Skisafari nicht das schlechteste Vorzeichen ist. Ohne weitere Vorfälle kommen wir im Resort an und beziehen unsere Zimmer im Fairmont Tremblant Hotel, einem angenehm zurückhaltenden Hotel mit drei großen Vorteilen: Es hat einen eigenen Skiverleih im Keller, es hat einen beheizten Außenpool, und es liegt direkt an der Skipiste. Von meinem Zimmer aus kann ich direkt auf die frisch verschneiten Pisten schauen. Doch leider stehen die Lifte schon, sodass wir noch ein Abendessen und eine jetlagbedingte kurze Nacht warten müssen, bevor wir uns in den berühmten kanadischen Powder stürzen können.
BÄUME, SO WEIT DAS AUGE REICHT
Als die Gondel oben ankommt, begrüßen uns erst einmal ein kalter Wind und eine herrliche Aussicht über die beinahe endlosen kanadischen Wälder. Spätestens jetzt wird klar, dass man sich nicht in den Alpen, sondern in den Laurentinischen Bergen befindet. Anstelle von verschneiten, felsigen Gipfeln oder weiten Schneefeldern mit vereinzelten Felsen oder Bäumen sieht man fast nur die verschneiten Bäume – egal, wohin man sieht. Nur im Skigebiet unterbrechen die Pisten, die in die lichteren Wälder geschlagen wurden, das endlose Spiel aus Weiß und Grün ein wenig.
Nun ziehen wir auch unsere ersten Spuren in den kanadischen Schnee. Auch hier merkt man schon optisch direkt einen Unterschied zu Europa. Denn während man in den Alpen oft breite Pisten findet, sind die Spuren im Wald eher schmal, dafür recht lang und recht verzweigt. Das macht aber nichts, da viele Pisten parallel die Hänge hinuntergehen, nur getrennt durch die typischen Wälder. Dafür ist der Schnee immer noch schön weich und griffig. Eisplatten müsste man schon suchen und hätte keine große Aussicht, welche zu finden. So genießen wir die Schwünge über die Pisten in Quebec, bis es Zeit zum Einkehren ist.
Eine Hütte zu finden ist hier in Tremblant tatsächlich gar nicht so einfach. Wobei – eigentlich schon. Denn wenn man nicht gerade zurück ins Hotel oder in die Ferienwohnung möchte, gibt es genau zwei Möglichkeiten oben am Berg: Entweder man geht in das doch eher steril anmutende riesige Gipfelrestaurant Le Grand Manitou, das direkt an der Bergstation der Gondel liegt.
Oder man findet die etwas versteckt liegende Refuge-Hütte, die genauso aussieht, wie man sich eine Hütte in Kanada vorstellt. Aus rohen Holzbalken gehauen, die Toiletten liegen außerhalb, und hinter dem Tresen stehen zwei kanadische Kellner, die mit gebrochenem Englisch, aber in perfektem Französisch die Bestellungen aufnehmen. Natürlich tragen sie Holzfällerhemden, um das touristische Klischee zu erfüllen. Zweimal am Tag trägt ein Gitarrenspieler und Sänger typische Kneipensongs vor.
Im Refuge empfiehlt es sich aber schon recht früh oder eher später reinzuschneien, da um die Mittagszeit alle Plätze restlos besetzt sind.
Aber das Essen ist hausgemacht, einfach und lecker, wie der Eintopf mit Süßkartoffeln und Ingwer beweist.
Tatsächlich gibt es auch nur drei Gerichte zur Auswahl, was die Hütte von den großen Massenrestaurants dann doch stark unterscheidet.
ERFRIEREN ODER VERBRENNEN?
Am Mittag komme ich auch noch auf meine Kosten. Denn unser Guide nimmt uns mit, die eine oder andere Treeski-Abfahrt zu unternehmen.
Die Hänge sind entsprechend gekennzeichnet. Dort wird von den Liftbetreibern regelmäßig das Unterholz zum Teil herausgeschlagen.
Sonst wäre nicht genug Platz zwischen den Bäumen, um auch nur den kleinsten Schwung zu ziehen.
Leider ist der Schnee schon etwas zerfahren, aber wir finden immer wieder kurze Passagen, bei denen wir eine Vorstellung bekommen, was Treeskiing in Quebec bedeutet.
Bevor es zurück ins Hotel geht, machen wir noch einen Abstecher ins Scandinave Spa, um die Beine einmal zu lockern. Die verschiedenen Pools reichen von 11 bis 40
Grad, sodass man beinahe zwischen Erfrieren und Verbrennen wählen kann. Aber erholsam ist es trotzdem. Die Angestellten weisen freundlich darauf hin, dass in den Pools nicht geredet werden darf, um die Erholung der anderen Gäste nicht zu stören. Für besonders Harte gibt es noch die Möglichkeit, über einen separaten Steg in den angrenzenden Fluss einzutauchen. Wer einmal das Erlebnis haben möchte, innerhalb von wenigen Sekunden zu erfrieren und sich dann unverwundbar zu fühlen, sobald man wieder heil aus dem Fluss aufgetaucht ist, sollte sich das Bad im eiskalten kanadischen Winterfluss nicht entgehen lassen.
Da im Spa Fotoverbot herrscht, gibt es allerdings keine Beweise für unser eisiges Bad.
Leider treibt uns unsere Skisafari schon weiter, und nach einem Morgen im Skigebiet brechen wir am Mittag auf nach Quebec City, in die Hauptstadt des Bundesstaats.
Vorher besuchen wir eine der typischen Micro Breweries, das Le Diable, das nicht nur leckeres Bier braut, sondern auch die beste Poutine der Stadt zubereitet.
Zugegeben: Man muss sich an die Mischung aus Pommes, Bratensoße und geschmolzenem Käse erst einmal gewöhnen, aber einmal getestet, besteht ein akutes Risiko für eine unstillbare Poutine-Sucht. Tremblant selbst ist ebenfalls eine Reise wert.
Die kleinen bunten Häuser mit ihren Geschäften und Bars laden zum Bummeln und Verweilen ein. Doch die Gelegenheit müssen wir uns für den nächsten Besuch aufsparen.
EIN GESCHICHTS- TRÄCHTIGER ORT
Rund vier Stunden dauert die Fahrt in die Hauptstadt von Quebec. Wir folgen dabei dem massiven St.- Lorenz-Strom, der die „Great Lakes“ in den Atlantik entwässert, zu dieser Jahreszeit aber fast komplett vereist ist. Quebec City ist zwar nicht so groß wie Montreal, aber wer einmal in der Nähe ist, sollte unbedingt einen Abstecher in die „Capitale“ machen. Denn anstelle von Hochhäusern, Beton und Wolkenkratzern stehen hier mehr Bauwerke von Anfang des 20. Jahrhunderts in engen Straßen, die mit Erkern, Säulen und Stuck verziert sind. Ein Gebäude sticht besonders hervor: das Fairmont Le Château Frontenac. Dieser riesige Hotelkomplex ist mit seiner backsteinfarbenen Fassade und den kleinen kirchenähnlichen Gebäuden nicht nur mehr als ein Foto wert, es hat auch Geschichte geschrieben.
So fand in den ehrwürdigen Hallen unter anderem im Zweiten Weltkrieg die Taktikbesprechung der späteren Siegermächte über den Angriff auf das Deutsche Reich statt. Zudem stand es im Mittelpunkt zahlreicher Filmproduktionen – und es sollte für die kommenden zwei Nächte unser Zuhause sein.
Warum das luxuriös eingerichtet Hotel das Ziel vieler Prominenter ist, die in einer Fotogalerie in einem Hotelflur verewigt sind, zeigt sich nicht nur in den aufwendig inszenierten Zimmern und Suiten, sondern auch beim Abendessen. Hier ist auch klar der französische Einfluss bei den Gerichten erkennbar. Ein Höhepunkt sind die Meeresfrüchte, die teilweise direkt aus dem benachbarten St.- Lorenz-Strom stammen.
ZUGEFRORENE WASSERMASSEN
Nach einer angenehmen Nacht steht nun das zweite Skigebiet auf dem Programm, das Le Massif de Charlevoix oder kurz Le Massif. Hier warten – typisch kanadisch – nur sechs Lifte, aber rund 40 Kilometer Piste, zumeist von der Schwierigkeit her nach europäischem Maßstab im roten und schwarzen Bereich anzusiedeln, auf die Wintersportler. Wir fahren am überwiegend zugefrorenen St.-Lorenz-Strom entlang, der ein paar Hundert Kilometer weiter östlich in den Atlantik mündet.
An dieser Stelle ist der Fluss noch wenige Hundert Meter breit. Doch je weiter er nach Osten fließt, desto breiter wird er, bis er schließlich ein mehrere Kilometer breites Delta bildet. Der Anblick der zugefrorenen Wassermassen allein ist schon eine Reise wert. Und wir sollten diesen Anblick noch öfter genießen können.
Für ein Skigebiet ist es ungewöhnlich, dass der Parkplatz oben am Lift auf rund 850 Metern liegt. Aber praktisch ist es schon. Man stellt das Auto auf den Parkplatz, schnallt die Ski an und fährt los.
Genau das machen wir. Allerdings fahren wir nicht weit. Denn nach ein paar Schwüngen muss ich anhalten. Der Ausblick verschlägt einem beinahe den Atem. Direkt unter uns erstreckt sich der zugefrorene St.-Lorenz-Strom mit verworfenen Eisschollen, die in verschiedenen Farben leuchten, eingefrorenen Felsen und in der Sonne glitzernden Eiskristallen und lassen mich erst einmal staunend verweilen. Wolfgang, ein Journalist aus unserer Gruppe, der schon öfter in Kanada war, grinst und meint, dass das jedem so geht, der zum ersten Mal in Le Massif Ski fährt.
Auch in Le Massif gibt es attraktive Treeskiing-Areale – und wir fi nden immer wieder Möglichkeiten, in die Bäume bzw. zwischen ihnen zu fahren. Zurück auf den Pisten, genießen wir dann wieder den Ausblick auf den St.-Lorenz-Strom, der uns so sehr in seinen Bann gezogen hat. Viel zu schnell endet der Skitag, und bevor uns das Shuttle zurück nach Quebec City bringt, gönnen wir uns noch ein Megadeath-Bier, das es im Restaurant neben einigen anderen lokalen Biersorten zu trinken gibt.
KARNEVAL IN QUEBEC
Abends haben wir noch Zeit für einen Stadtbummel durch Quebec City. Einen besseren Zeitpunkt hätten wir uns auch kaum aussuchen können. Denn es ist Karneval in Quebec. Allerdings muss man sich diesen Karneval anders vorstellen, als man ihn aus Deutschland kennt. Die ganze Stadt ist beleuchtet und geschmückt, und es gibt auf verschiedenen Plätzen Jahrmarktsangebote, die wohl jedem kanadischen Klischee entsprechen. Es gibt Spiele wie Axtwerfen, Baumstammsägen, Eishockey – auf Straßenschuhen und mit entsprechenden Fatsuits, damit man sich auf dem blanken Eis nicht wehtut – oder Eisskulpturen.
Für Freunde von Ahornsirup gibt es einen besonderen Stand. Hier wird in eine Theke aus aufgehäuftem Schnee zunächst eine kleine Kuhle ausgeschabt, in die heißer Ahornsirup gegossen wird. Dann bekommt man einen Holzstiel in die Hand, mit dem man die sich langsam festigende Masse zu einem Lutscher aufrollt. Eine süße Angelegenheit, an die man sich erst einmal gewöhnen muss.
SKITOURING IN DER KANADISCHEN WILDNIS
Am nächsten Tag geht es zur letzten Etappe unserer Safari. Wir fahren weiter am St.-Lorenz-Strom entlang rund 500 Kilometer bis nach Sainte- Anne-des-Monts im Nationalpark Gaspésie. Spätestens hier stoßen wir in Regionen vor, in denen Englisch zur Fremdsprache geworden ist. Im Nationalpark ist Skitouring angesagt, da hier keine Lifte gebaut werden dürfen. Also ist Muskelkraft in der kanadischen Wildnis gefragt. Und Wildnis ist das richtige Wort.
Denn zum Startpunkt unserer geplanten Skitour gibt es keine Straße, sodass wir mit dem Motorschlitten fahren müssen. Mittlerweile ist es so kalt geworden, dass uns unsere Gastgeber nicht einfach so auf den Schlitten setzen wollen. Eine Plastikplane wird wie ein Zelt auf den Anhänger des Schlittens gestellt, sodass wir wenigstens vom Fahrtwind geschützt sind. Wie kalt es ist, stellen wir fest, als wir die Steigfelle auf die Tourenski kleben wollen. Durch die Kälte sind die Felle so stark aneinandergeklebt, dass wir es sogar mit zwei Mann kaum schaffen, die Felle voneinander zu lösen.
Aber irgendwann ist das Anfellen geschafft, und wir können durch die lichten kanadischen Wälder den Aufstieg angehen. Skitouring in Quebec hat mehrere Vorteile. Zum einen starten wir fast auf Meereshöhe, sodass die Höhenluft im Gegensatz zu den Alpen keine Rolle spielt. Da wir im Wald aufsteigen, gibt es weder Lawinen noch Gletscherspalten.
Drittens gibt es so viel Platz, dass man garantiert keinen bereits verspurten Hang fahren muss. Und viertens gibt es kanadischen Champagne Powder, der uns den restlichen Skitourentag begleitet. So kommen wir abends glücklich und rechtschaffen müde ins Hotel zurück und genießen ein letztes Mal die kanadisch-französische Küche, die im Hotel Gîte du Mont-Albert aus einer Fischsuppe als Vorspeise und einem Entrecôte- Steak besteht, das ungefähr die Größe eines Wagenrads hat.
Wie jede Reise endet auch unsere Quebec-Safari viel zu früh. Dabei hätte es noch so viele Berge zu befahren gegeben. Wir nehmen ins Flugzeug neben einem deutlich verbesserten Französisch vor allem die Erkenntnis mit, dass Kanada für Skifahrer weit mehr zu bieten hat