... Personenverkehr wurde 1934 größtenteils eingestellt. Man nutzte die Strecke jedoch noch bis in die 90er-Jahre für den Güterverkehr. Im Stadtbild sind die alte Ringlinie und diverse Bahnhöfe noch deutlich zu erkennen. Das liegt zum Teil daran, dass sich die Strecke im Besitz der RFF (Reseau Ferree de France) und die Bahnhöfe im Besitz der SNCF befinden. Ein kleiner Teil wird heute noch für die RER verwendet, das Netz der Regionalzüge in und um Paris. Andere Teile wurden, meist auf lokale Initiativen hin, als Parks mit Rad- und Wanderwegen oder botanische Gärten umgestaltet. Im Internet findet man dazu zahlreiche Informationen.
Die Idee für ein neues Modellbahnprojekt in H0 war also geboren! Um auch Personenzüge verkehren lassen zu können, wählte ich als Epoche die Zwischenkriegszeit. „Ceinture“ bedeutet Gürtel oder Ring, die Anlage musste daher eine Kreisform erhalten. Die Maße meines Hobbyraums bestimmten den Kreisdurchmesser. Durch den Bau in Teilstücken waren drei Meter als Außenmaß möglich, das entspricht einem Umfang von 942 Zentimetern. Nach eini- gem Überlegen wählte ich als Innendurchmesser 230 Zentimeter, das ergab einen Ring mit 35 Zentimetern Breite.
Die Trasse der „Petite Ceinture“ verlief vielfach als Hochbahn oberhalb des Straßenniveaus, oft aber auch im Einschnitt. Außerdem existierten ein- und zweigleisige Abschnitte. Diese Aspekte des Originals sollten sich auch im Modell widerspiegeln. Nach einigem Kopfzerbrechen und vielen Skizzen teilte ich den Kreis in sechs Abschnitte: drei sichtbare Teile mit 90 Grad und drei verdeckte mit 30 Grad. Die geschlossenen Teile sind als „black boxes“ gestaltet. Die drei sichtbaren Teile sind wie folgt angeordnet: Teil A zeigt einen Hochbahn-Abschnitt, Teil B eine Trasse im Einschnitt und Teil C ist eingleisig. Die Hochbahn liegt etwa acht Zentimeter höher als das Gleis im Einschnitt. Die eingleisige Strecke im Abschnitt C verläuft als Rampe, um den Höhenunterschied zwischen B und A wieder zu überbrücken. Bei etwas mehr als zwei Metern verfügbarer Länge ergab sich dabei eine Neigung von maximal vier Prozent. Im Zwischensegment zwischen A und B konnten die acht Zentimeter jedoch nicht überwunden werden. Die Lösung lag in einer Streckenüberführung und einem großen zweiten Kreis hinter der Hintergrundkulisse, auf dem der Höhenunterschied problemlos bewältigt wird (siehe Seite 80). Als Nebeneffekt ergab sich, dass die Zugfolge für die Zuschauer Überraschungen bietet. In den Zwischenabschnitten AC und BC liegt jeweils eine Bogenweiche zum Wechsel von einem auf zwei Gleise.
Die Ringbahn gliedert sich in drei Gestaltungselemente
Den Gleisplan legte ich im Maßstab 1:1 auf großen Blättern aus, um einen ersten Überblick über die drei großen Segmente zu erhalten. Natürlich sollte Paris darauf sofort zu erkennen sein. Markante Gebäude wie den Eiffelturm und die Kathedrale Notre-Dame im Modell nachzubilden, wäre aber etwas zu weit gegangen. Sie fanden ihren Platz auf der Hintergrundkulisse. Die Seine und viele Stadthäuser mit typischen Fassaden ließen sich sehr gut unterbringen.
Mein „Petite Ceinture“ sollte so leicht wie möglich sein. Für die Bodenplatten der Segmente wurden daher vier Zentimeter dicke Hartschaumplatten verwendet. Die Rückwand besteht aus dünnem, biegbarem Sperrholz, die Decken aus schwarzen, fünf Millimeter dicken Schaumstoffplatten. Nur die Seitenwände, mit denen die Segmente verbunden werden, entstanden aus Gründen der Stabilität aus acht Millimeter dickem Pappelsperrholz.
Für die Ausstellungsanlage ist Leichtbau wichtig
Kreis markiert. So konnte ich den Ring entsprechend der insgesamt sechs Segmente zuschneiden. Das restliche Material wurde zum Bau der Landschaft verwendet.
Die Zuschauerseite ist oben mit einer sieben Zentimeter hohen Blende und unten mit einer Frontplatte aus Sperrholz abgeschlossen. Nach dem Zusammenbau der Rückwand, der Blende und der Frontplatte waren die Segmente ausreichend stabil, um sie transportieren zu können.
Die elf Zentimeter breite Verbindungstrasse auf der Innenseite des Rings besteht ebenfalls aus Resten der Hartschaumplatten und wird mit Regalstützen gehalten.
Doch bevor die Rückwände, Deckenplatten, Blenden und Frontplatten endgültig montiert wurden, verlegte ich die Glei-Die verwendeten Hartschaumplatten waren 1250 mal 600 Millimeter groß. Um den Ring auszuschneiden, wurden sie auf dem Boden aneinander gelegt und mit Klebeband befestigt. Mit einem Zirkel, bestehend aus einer Latte mit einem Nagel als Zentrierung und einem Filzstift am anderen Ende, wurden der innere und der äußere se, platzierte alle Gebäude und gestaltete die Landschaft bis ins Detail.
Die Anlage liegt mit der Unterkante 110 Zentimeter über dem Boden. Unter den großen Segmenten befinden sich drei Stützen, wobei diese an den Enden so ausgebildet sind, dass die kleinen Zwischensegmente dort aufgesetzt werden können. Nach dem Verbinden der Segmente mit M8-Schrauben steht die Anlage so massiv wie ein Fels in der Brandung.
Das Gleismaterial (Flexgleise und Weichen) stammt aus dem Tillig-Elite-Sortiment. An der Hochbahnstrecke und auch im Einschnitt befindet sich für jedes Gleis je ein Signal mit Halteabschnitt. Die Signale sichern entweder die eingleisige Strecke oder dienen als Blockstelle. Da meine Züge analog gesteuert werden, sind die Halteabschnitte dreifach unterteilt. Über in Reihe geschaltete Dioden wird die Fahrspannung stufenweise reduziert, damit die Zü-ge langsam abbremsen. Auch im Innenkreis sind Halteabschnitte eingebaut, jedoch ohne die Bremsabschnitte. Die Halteabschnitte werden über bistabile Relais geschaltet, die von Reedkontakten in den Gleisen angesteuert werden. Ein bistabiles Relais dient auch zur Umschaltung der Polarität auf der eingleisigen Strecke.
Die Servoantriebe der Weichen werden von „ServoControl“-Bausteinen von Viessmann gesteuert und diese wiederum von bistabilen Relais, die auch die Herzstückpolarisation übernehmen.
Die Hochbahn der Segmente A und teilweise auch C verläuft auf Arkaden, die, wie in vielen anderen Städten auch, Raum für Geschäfte und Handwerker bieten. Für mein Projekt wurde ich bei der britischen Firma „Scale Scenes“ fündig. Sie bietet für wenig Geld PDF-Dateien zum Herunterladen an. Sie sind für die britische Baugröße 00 gedacht, mit einer Verkleinerung auf 87 Prozent können sie indes direkt für H0 gedruckt werden. Leider wirkte das Relief der Steine nicht sehr überzeugend. Um es gut sichtbar zu machen, wurden alle Arkaden auf 0,2-mm-Fotopapier gedruckt, das ich auf 0,5 Millimeter dicken Karton klebte. Anschließend schnitt ich Stein für Stein aus und platzierte alle einzeln auf 1-mm-Kartonstreifen. Auch alle Bauteile des Viadukts über die Seine und die Pfeiler und Brüstungen entlang der Strecke entstanden mühevoll auf diese Weise, teilweise aber mit anderen Skalierungen beim Druck.
Nachdem ich zunächst vorhatte, die Gebäude selbst zu lasern, habe ich sie schließlich alle bei „Architecture & Passion“ im französischen Labouheyre bestellt. Dort wird eine ganze Reihe von lasergeschnittenen Stadthäusern im Halbrelief angeboten, darunter etwa 15 Fassaden, mit denen sich typische Pariser Straßen gestalten lassen. Aufgrund der runden Anlagenform musste ich aber alle Bodenplatten, Dächer und Zwischenböden trapezförmig abschrägen. Auch die Gebäude, die lotrecht zur Anlagenvorderkante stehen, mussten passend zugeschnitten werden. Ein solches Haus, das an der Vorderseite fünf Zentimeter breit ist, misst an der Rückseite acht Millimeter weniger. Die Bausätze sind so konstruiert, dass man alle Stockwerke einzeln einschieben kann. Das brachte mich auf die Idee, einen Teil der Wohnungen auch einzurichten. Alle Räume und Geschäfte mit Preiser-Möbeln auszustatten, war mir aber zu kostspielig. Auch in diesem Fall half wieder das Angebot von „Scale Scenes“. Dort gibt es PDF-Dateien für Betten, Sofas, Tische, Herde und vieles andere, wie zum Beispiel Teppiche und andere Bodenbeläge. Es ist also kein Problem, daraus schöne Innenräume zu gestalten.
Die Gebäude entstehen aus französischen Bausätzen
Im Jahr 2017 reiste ich nach Paris, auf der Suche nach schönen Hintergrundmotiven für mein „Petite Ceinture“. Ich entdeckte einen phantastischen Aussichtsplatz am Panthéon. Von dessen höchstem Punkt aus hat man einen herrlichen Blick auf Paris, und diese Motive eigneten sich sehr gut für den Hintergrund meiner Anlage. Mit der Kamera auf einem Stativ fertigte ich mehrere Fotoserien an. Einen weiteren tollen Aussichtspunkt fand ich auf dem Achterdeck eines Ausflugsboots während einer Fahrt auf der Seine. Bilder der Seine mit Notre-Dame im Hintergrund konnte ich gut für meine Seine-Brücke im Modell verwenden. Mit viel Ausschneiden, Einfügen, Scrollen und Stempeln in Photoshop entwickelten sich die passenden Hintergrundbilder. Viele der Baukräne wurden allerdings genauso entfernt wie die modernen Gebäude von La Défense. Die fertigen Bilder wurden auf Leinwand gedruckt und auf der Hintergrundplatte verklebt.
Die Suche nach geeignetem Rollmaterial und vor allem dessen Beschaffung war ein Abenteuer für sich. Auf der „Chemin de Fer de Petite Ceinture“ verkehrten Loks der Reihe 030 T. Da davon keine Modelle existierten, wählte ich als Alternative die 030 TU aus dem Programm von REE, eine ehemalige USATC-S100 aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Sie passt also eigentlich nicht in die gewünschte Epoche, aber ihr Äußeres erschien mir passend. Auch die typischen Personenwagen waren nirgendwo als Modelle erhältlich. Im Internet fand ich jedoch Zeichnungen verschiedener Wagenbauarten. Diese selbst zu bauen, war mir etwas zu viel Aufwand. So entstand die Idee, die Wagenkästen lasern zu lassen und auf passende Fahrwerke anderer Waggons zu setzen. Ich fragte wieder bei „Architecture & Passion“ an, und nach einigen Testmodellen entstand als Ergebnis ein wunderschöner Aufbau für einen Wagen zweiter Klasse mit sechs Abteilen. Auch meine Anfragen nach einer Ausführung mit Bremserhaus und gleich auch noch nach einem 1. Klasse-Wagen mit fünf Abteilen hatten Erfolg. Schließlich standen alle Waggons sauber gelasert bei mir zu Hause. Für die Inneneinrichtung nutzte ich wieder PDF-Dateien von „Scale Scenes“. Die Nachbildungen der Holzbänke stammen von „Metcalf“ und sind eigentlich als Parkbänke gedacht. Als Spender der Fahrwerke dienten mir zweiachsige Personenwagen von Roco, die bekannten Donnerbüchsen. An deren Bodenplatten wurden alle modernen Kästen und Leitungen entfernt. Einige der Fahrwerke mussten auch gekürzt und andere etwas verlängert werden. Die langen Trittbretter an den Seiten entstanden aus Evergreen-Holzleisten. Nach der Lackierung in den richtigen Farben wurden die Modelle beidseitig mit dem Schriftzug „CEINTURE“ versehen und jedes erhielt eine eigene Nummer. Nun konnte der Betrieb auf „La Petite Ceinture de Paris“ im Maßstab 1:87 beginnen.
Paul de Groot/Gerard Tombroek/abp