BLICKPUNKT E.Home Alpen Challenge
Der Film zur E.Home Alpen Challenge
Wenn E-Autos richtig Gas geben, drückt es Fahrer und Beifahrer förmlich in die Sitze. Die Kraftentfaltung von E-Motoren von Null ist einfach gigantisch.
Kurze Zwischensprints werden zur Spielerei, die Geräuschentwicklung ist dezent und alles absolut emissionsfrei, wenn der Strom aus der Sonne kommt. Alles ideal für entspanntes Caravaning. Nur mit der Reichweite hapert es derzeit noch. Sie halbiert sich oft, wenn hinten was dranhängt.
Um das Caravaning mit einem Elektroauto zu ermöglichen, hat Dethleffs gemeinsam mit der Erwin Hymer Group (EHG) und dem Technologiekonzern ZF aus Friedrichshafen den E.Home entwickelt. Die Grundidee: Der Caravan soll mit E-Motoren den Zugwagen entlasten.
Ist das die Zukunft? Die Straßenverkehrsordnung sieht das bislang nicht vor – noch nicht. Aber man kann es ja mal probieren und das Dreigestirn aus Württemberg ist schon richtig weit. Vor drei Jahren hatte Dethleffs erstmals einen Coco mit E-Antrieb vorgestellt und ihn E- Home genannt. ZF war zuvor bei der Suche nach einem Sparingspartner in Sachen E-Mobility und Anhänger auf die EHG in Bad Waldsee gestoßen und dort hatte man die Ambitionen von Dethleffs auf dem Schirm. Ein Jahr später stand der heute verfügbare Prototyp mit zwei Motoren und zwei Batterien a 40 kWh. Doch dann kam Corona.
E.Home ist eine attraktive Anwendung, die wir mit unserer Erfahrung und unserem Portfolio für die Elektrifizierung aller Fahrzeuggattungen unterstützen.
Stephan von Schuckmann, ZF-Vorstand
Bei der EHG und ZF wurde die Zeit genutzt und intensiv geforscht. Insgesamt flossen bislang fünf Millionen Euro ins Projekt.
Anders als bei einem konventionellen Gespann, spürt man hier sehr wenig von der Last des Anhängers.
Emanuel Pfiffner, ZF-Entwicklungsingenieur
Auch wenn bis zur Serienreife und zur Zulassungsfähigkeit noch Hürden zu nehmen sind – der E.Home ist eine praxisgerechte und zukunftsfähige Lösung.
Alexander Leopold, Dethleffs Geschäftsführer
Das war auch gut so, denn Dethleffs-Geschäftsführer Alexander Leopold hatte damals vollmundig verkündet, dass er mit dem E.Home im nächsten Jahr die Alpen überqueren will. Wie gesagt, es kam Corona dazwischen und alles verschob sich um ein Jahr, aber nun ist der erste erfolgreiche Praxistest für den ersten elektrisch angetriebenen Caravan geschafft.
Mit der E.Home Alpen Challenge wollten die drei Partner auf der 386 Kilometer langen Route über die Alpen beweisen, dass der elektrische Antrieb des Anhängers den höheren Energieverbrauch im Gespannbetrieb kompensieren kann und das Zugfahrzeug die gewohnte Reichweite auch mit Caravan im Schlepp erreicht.
Die Route führt vom Dethleffs-Werksgelände in Isny im Allgäu über die Fernpassstraße und dann auf der Autobahn A12 und A13 vorbei an Innsbruck über den Brenner. In Italien geht es auf der A22 über Bozen und Trient bis nach Riva am nördlichen Gardasee. Beim Start am frühen Morgen sind die Akkus des Zugfahrzeugs und des Anhängers voll geladen. Schon auf den ersten Kilometern Richtung Fernpass zeigt sich, dass der elektrisch angetriebene Caravan die Fahrt nicht nur hinsichtlich der Reichweite positiv beeinflusst, sondern auch hinsichtlich des Fahrgefühls und der Fahrsicherheit. Eine Beschleunigung wie ein Solo-Fahrzeug, stabile Kurvenfahrt dank des tiefen Schwerpunkts und ein sicherer Geradeauslauf, weil das Gespann auch bei Bergabfahrt stets gestreckt bleibt, erhöhen die Sicherheit nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich messbar.
Mit 80 bis 84 km/h auf der Autobahn fährt das vollelektrische Gespann nach Süden. Am Brenner, 200 Kilometer nach dem Start und 180 Kilometer vom Ziel entfernt, sind beide Batterien noch zu mehr als 50 Prozent geladen. Starker Gegenwind bremst auf dem weiteren Weg jedoch nicht nur das E.Home-Caravangespann, son-dern auch den Optimismus im Team. Wird der Gegenwind zu einem höheren Energieverbrauch führen? Wird die Energie bis zum Ziel reichen?
Nach 6 Stunden und 12 Minuten und 386 Kilometern anspruchsvoller Alpenpassage erreicht das elektrifizierte Gespann das Zentrum von Riva am Gardasee – und das, ohne einmal unterwegs nachladen zu müssen. Im Gegenteil: Die Ladestandsanzeige zeigt sogar noch etwas Restenergie in den Akkus beider Fahrzeuge. Die Gesamtbilanz: 82 kWh verbrauchte Energie im Audi und 74 kWh beim Caravan. Und strahlende Gesichter bei den Entwicklungsingenieuren der Projektpartner Dethleffs, Erwin Hymer Group und ZF. Trotz einiger kleiner Pausen ist das eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 62 Stundenkilometer – Respekt! Die verbrauchten 156 kWh hätten je nach Ladesäule zwischen 50 und 90 Euro gekostet. Zum Vergleich: Ein Audi Q5 45 TDI braucht mit Caravan im Schnitt 10 Liter bei dieser Geschwindigkeit und in den Bergen, macht bei 150 Cent für den Liter Diesel auch rund 60 Euro.
Was hat die E.Home Alpen Challenge erbracht? Ein elektrifizierter Caravan hebt das Reisen mit Wohnanhänger auf ein gänzlich neues Niveau.
Wir haben drei Jahre an diesem Thema gearbeitet und jetzt haben wir bewiesen, dass unsere Idee funktioniert.
Dr. Rüdiger Freimann, Head of R&D EHG
Nicht nur Elektrofahrzeuge, sondern auch Kleinwagen würden uneingeschränkt möglich und dies mit maximaler Sicherheit.
Wieso Sicherheit? Ein wichtiger Aspekt wurde oben bereits erwähnt. Die ausgefeilte Technik im E.Home hat positive Nebenwirkungen. Der Schlüssel zur intelligenten Antriebsregelung liegt in der aktiven Zuglastbegrenzung. Anders ausgedrückt regelt ein Steuergerät in jeder Fahrsituation genau so viel Vortrieb zu, dass die Anhängekupplung mit einer stets gleichmäßigen Zuglast von 20 Kilogramm belastet ist.
Wir haben uns hervorragend vorbereitet und im Vorfeld viele repräsentative Fahrten absolviert.
Udo Gillich, Projektleiter für das E.Home-Projekt bei ZF
TOURDATEN DER ALPEN CHALLENGE MIT DEM DETHLEFFS E.HOME
● Entfernung Isny – Riva del Garda: 386 km
● Route über den Fernpass und Brenner
● Höhenmeter: 4.870 m bergauf/5.480 m bergab
● Audi e-tron mit 90 kWh, Reichweite: 393 km (WLTP, Solo)
● E.Home mit 2x 40 kWh
● Verbrauchte Energie Zugfahrzeug: 82 kWh
● Verbrauchte Energie E.Home: 74 kWh
● Rekuperation Zugfahrzeug: 11 kWh
● Rekuperation E.Home: 6 kWh
● Restkapazität Zugfahrzeug: 18 % brutto bzw. 13 % netto
● Restkapazität E.Home: 20 % brutto bzw. 6,5 % netto
Diese Kraftmessung ermöglicht eine permanente Streckung des Gespanns und damit eine Verbesserung der Fahrsicherheit. Die zentrale Steuerung erkennt zudem Querkräfte, etwa bei Seitenwind oder Kurvenfahrt, und kann auf diese sehr schnell und exakt reagieren – ein wichtiger Beitrag für mehr Fahrstabilität. Geht es bergab, erkennt dies das System und wandelt den Antrieb in einen Generator um, der Strom erzeugt und das Gespann bremst. Trotzdem sind hydraulische Scheibenbremsen installiert, denn sie lassen sich besser dosieren und haben kein Fading.
Weitere positive Nebeneffekte des elektrischen Antriebs im E.Home sind die Funktion als Rangierantrieb ohne Zugwagen, die Versorgung der Verbraucher im Aufbau mit Strom und die Funktion als Batteriespeicher am Haus, wenn man eine Solaranlage auf dem Dach hat.
Jetzt müssen nur noch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Der Prototyp hatte eine Einzelabnahme der Dekra. Das dürfte vorerst so bleiben, denn eine Fahrzeugkategorie „Anhänger mit Antrieb“ ist aktuell nicht definiert. Zudem ergeben sich aufgrund des Mehrgewichts durch den Antrieb zusätzliche Fragen zur zulässigen Anhängelast des Zugfahrzeugs oder nach der Führerscheinklasse.
Die Projektpartner haben daher drei Verbände miteingebunden: den Caravaning Industrie Verband (CIVD) , den Verband der Automobilindustrie (VDA) und den Bundesverband für Elektromobilität (BEM). Der CIVD hat eine Verbandsinitiative zum e-Caravan gestartet und erhält hierfür bereits Unterstützung vom Bundesverkehrsministerium für Fahrversuche. Auch der VDA hat mit der European Association of Automotive Suppliers (CLEPA) eine Initiative in die Europäische Kommission eingebracht, für Anhänger auch angetriebene Achsen zuzulassen. Im BEM gibt es die Initiative zur Definition elektrisch angetriebener Anhänger, sogenannter e-Trailer, als eigene Fahrzeugklasse.