... spät, und die Winsch kann so noch relativ einfach wieder befreit werden, bevor sich das Knäuel endgültig festgezogen hat?
Passiert ist uns das allen schon einmal – und häufig ist ein Überläufer auch eher Ärgernis als wirkliche Gefahr und lässt sich auf diese Art meist relativ problemlos wieder entwirren. Aber wenn man ihn zunächst gar nicht bemerkt, es wirklich kräftig weht, widrige Bedingungen wie Wellen oder schlicht Platzmangel ein schnelles In-den-Wind-Gehen unmöglich machen, hat die Zugkraft den Überläufer in Sekundenschnelle festgezogen, sodass er sich nicht mehr ohne Weiteres lösen lässt. Häufig passiert ein Überläufer gerade dann, und wenn er ganz unten beim ersten Turn entstanden ist, wo die einlaufende Kraft am größten ist, kann aus einem kleinen Malheur schnell auch ein mittleres Problem werden. Denn mit jeder Umdrehung um die Winsch nimmt die Zugkraft signifikant ab. Die Kraftverhältnisse variieren zwar abhängig von Vorsegelgröße und Winschendurchmesser, aber wenn beispielsweise die Genua mit 300 Kilogramm direkt an der Schot zieht, kann der erste Turn diese Zugkraft durchaus schon auf 30 Kilogramm reduzieren, der zweite auf drei Kilogramm und der dritte Turn auf 300 Gramm, was ein Lösen des Überläufers am oberen Ende der Winschenwicklung recht unproblematisch macht: Man kann ihn dann per Hand in einem spitzen Winkel nach oben herausziehen.
Je weiter unten der Überläufer, desto schwerer wird es, die Schot wieder zu lösen
Die beste Möglichkeit: Schot gegen den Uhrzeigersinn auf eine zweite Winsch legen
Je schneller der Druck rausgenommen wird, desto größer die Chance auf Rettung
Der richtige Einlaufwinkel?
Leider entwickelt sich die Verwicklung aber oft unten am ersten Turn; speziell dann, wenn der einlaufende Schotwinkel vom Holepunkt des Genuatravellers auf die Winsch zu steil ist, sodass die Schot sich am Winschensockel aufhängen kann und dann, auf die eigentliche Winschfläche rutschend, einen Überläufer produziert. Umgekehrt sollte die Schot auch nicht zu spitz (waagerecht) auf die Winsch einlaufen. Der optimale Einlaufwinkel beträgt circa fünf Grad aufsteigend und kann durch ein einfaches Schotführungsauge, das in das Seitendeck geschraubt wird, leicht erreicht werden.
Zu viele Wicklungen
Daneben gibt es natürlich auch Handlingsfehler, die Überläufer begünstigen: Wer mit vier Wicklungen durchwendet, erhöht stark das Risiko eines Überläufers. Ein bis zwei Turns sind vollkommen ausreichend, wenn das Segel auf der neuen Seite dichtgeholt wird und bis das Segel auf neuem Kurs Winddruck und die Schot Zugkraft bekommt; erst dann sind gegebenenfalls weitere Wicklungen zum Eintrimmen per Winsch ratsam. Auch kurze Schotwege minimieren die Gefahr des Überläufers, sodass man die neue Leeschot schon vor der Wende so weit wie möglich durchziehen sollte.
Fehler beim Fieren
Gerade wenn eine Genuaschot richtig unter Dampf steht, sollte man überlegt auffieren: Statt unüberlegt einhändig die Schot aus dem Selbstholkranz zu nehmen, wodurch die Schot unkontrolliert durchrauschen und überlaufen kann, ist es ratsam, mit der einen Hand die Schot zu halten und mit der anderen die Schot kontrolliert an der Winsch quasi aufzuschieben. Die Profis auf den Ocean Racern, wo Tonnen auf den Schoten lasten, machen nichts anderes – aus diesem Grund.
Auswinschen
Wenn es aber zum schlimmsten Fall gekommen ist und die Winsch einen festgezogenen Überläufer hat, ist es die schnellste und einfachste Möglichkeit, sie über eine zweite Spi-Winsch (sofern vorhanden) oder aber die Fallwinsch wieder aufzuwinschen. Dazu fällt man zunächst auf einen raumen Kurs ab, bei dem das Vorsegel vom Groß weitestgehend abgedeckt wird, sodass das Vorsegel keinen Druck mehr aufbaut und die Schot entlastet wird. Manchmal reicht es dann schon, den Überläufer per Hand nach oben abzuziehen. Falls nicht, wird das lose Ende entgegen des Uhrzeigersinns von der blockierten Winsch auf die Fallwinsch (oder Spi-Winsch) geführt. Falls die Lose nicht ausreicht, kann per Kreuzknoten eine Verlängerung angeknotet werden. Speziell dann sollten Sie vorsichtig beim Winschen sein: Ein zweiter, durch den Knoten verursachter Überläufer auf der Fallwinsch führt zwangsläufig zu ernsthafteren Problemen.
Ein einfaches Auge für die Schotführung sorgt für einen passenden Einlaufwinkel
So sieht kontrolliertes Fieren aus: mit der Hand auf der Winsch langsam lösen
Alternative zur zusätzlichen Entlastung
Manchmal ist der Überläufer durch die Zugkraft so festgezurrt, dass zu einer anderen Option gegriffen werden muss: Um zunächst die Spannung auf der Schot zu entlasten, setzt man einen Stopperstek auf die blockierte Schot (circa 80 Zentimeter vor der Winsch) und führt ihn von dort auf die achterliche Spi-Winsch. Ist keine Spi-Winsch vorhanden, reicht auch ein Spi-Block am Süll (zur Not auch die achtere Festmacherklampe), durch die man die Entlastungsleine führt, um sie von dort auf die Fallwinsch auf dem Oberdeck umzulenken. Alternativ ist auch die Schotwinsch der unbelasteten Seite denkbar. Die Hilfsleine wird jetzt bedächtig dichtgeholt, sodass die Schot langsam lose kommt. Nicht mehr unter Zug, kann sie nun klariert und wieder sauber auf die Winsch gelegt werden, wodurch das Problem ebenfalls gelöst ist.
VARIANTEN DES STOPPERSTEKS
Es gibt zwei Varianten beim Stopperstek: Die normale, in den meisten Fachbüchern gezeigte und eine zweite, wo die zweite Windung über der ersten liegt, was noch mehr Reibung und eine höhere Rutschfestigkeit erzielt.
1. Umwickle das eine Ende der Ersatzleine mit einem Turn um die blockierte Schot. 2. Lege einen weiteren Turn, sichergehend, dass die zwei Turns nicht gegeneinander liegen. 3. Die beiden Turns sollten parallel liegen und der zweite von einem halben Schlag gekontert werden. 4. Festgezurrt wird ersichtlich, dass dieser Stopperstek, beidseitig gekontert, sich nochmals fester zieht und mehr Reibungswiderstand entgegen der Zugrichtung aufweist. 5. In Zugaktion auf dem Boot. 6. Nach achtern die Schot entlasten
Fotos: iHnnerk Stumm
Fotos: Hinnerk Stumm