... Leipzig-Portitz schnell voll. Wie einst Konkurrent Aldi in seinen Gründungsjahren setzt Mere auf Purismus. Der Laden ist schlicht und liegt etwas abgelegen am Stadtrand. Viele der Waren stehen einfach auf Paletten. Die Einkaufswagen wirken leicht abgenutzt und es gibt nur drei Kassen, vor denen sich schnell lange Schlangen bilden.
Dafür ist in der Tat vieles sehr billig. Lockangebote zur Eröffnung waren österreichischer Rotwein für nur 1,04 Euro pro Flasche und ein Pfund Kaffee der Marke Schirmer für 1,97 Euro. Frische Produkte wie Tomaten oder Gurken fehlen völlig. Dafür gibt es viele Konserven, oft mit polnischen oder tschechischen Etiketten. Ein Liter tschechische Milch kostet 62 Cent. Dafür sucht man Butter vergeblich. Groß ist das Angebot an Tees, viele aus Tschechien, ab 21 Cent für 20 Beutel.
Ganz klar: Für einen Wocheneinkauf taugt Mere nicht, aber für Schnäppchen. Mit diesem Konzept ist die Muttergesellschaft von Mere, die russische Swetofor-Kette (deutsch: Ampel), seit zehn Jahren erfolgreich: Im Sommer 2009 eröffneten der russlanddeutsche Unternehmer Andrej Schnayder und seine Mutter Valentina, die ihr Vermögen in den 90ern mit einem Bier-Großhandel in Sibirien gemacht hatten, den ersten Discount-Supermarkt in ihrer Heimatstadt Krasnojarsk. Mit einer Million Einwohnern ist sie die drittgrößte Stadt Sibiriens – und übrigens auch Geburtsort der russlanddeutschen Sängerin Helene Fischer.
Heute gibt es fast 1 000 Swetofor-Filialen in Russland, Kasachstan, Belarus und China. Nicht an glänzenden Innenstadtadressen in Moskau oder St. Petersburg, sondern meist in ärmeren Wohngebieten am Stadtrand und in Provinzstädten. Die Wirtschaftskrise, in der sich der Devisen-Wert des Rubel seit 2014 halbierte, zwang viele Russen zum Sparen. Das bescherte der Billigkette Rekordumsätze, aktuell umgerechnet 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.
Von der Größe deutscher Ketten (siehe Grafik) und ihrer europaweiten, ausgefeilten Logistik an Lieferanten, günstigen Eigenmarken und meist reichhaltigem Sortiment ist Swetofor/Mere damit weit entfernt. Der Sprung in die EU (neben Deutschland auch nach Rumänien und Polen) ist deshalb ein sehr kühner Schritt. Nicht umsonst halten sich auch große Einzelhandelsketten wie Tesco, Carrefour oder Auchan, die in vielen europäischen Ländern aktiv sind, vom hart umkämpften deutschen Markt fern. Zuletzt scheiterte der weltgrößte Einzelhändler Walmart nach neun verlustreichen Jahren 2006 schmählich.
Punkten will Unternehmerfamilie Shnayder in ihren neuen Mere-Märkten offenbar unter anderem mit günstigen Lebensmitteln aus den östlichen EU-Ländern. Importe von in Russland hergestellten Waren sind dagegen wegen der dafür nur schwer durchlässigen EU-Grenze keine Option. Für 2019 plant Mere die Eröffnung von 150 Filialen in Deutschland, alle in den ostdeutschen Bundesländern.
FOTOS: SUPERillu/Nikola