... Ägyptens. Doch solche Bauten gab es nicht nur in Ägypten, sondern eben auch im präkolumbianischen Mesoamerika und sogar bei Indianerkulturen Nordamerikas.
Humboldt erinnern die Pyramiden in Mexiko an jene in Ägypten
Bereits Alexander von Humboldt fällt an der Wende zum 19. Jahrhundert auf, dass die Pyramide von Cholula in Mexiko von demselben Typus ist wie die Pyramiden von Meidum und von Sakkara in Ägypten. Hier wie dort existierte auch eine Hieroglyphenschrift und eine Zeiteinteilung des Jahres in 365 Tage und in gleiche Monate. Diese Zeitrechnung gab es in Theben wie in Mexiko. Wäre es möglich, so wird gefragt, dass die auf der Welt existierenden Kulturen ihren Ursprung in Atlantis haben?
1882 begründet der amerikanische Jurist und Politiker Ignatius Donnelly in seinem spekulativen Werk »Atlantis: Die vorsintflutliche Welt« den modernen Atlantiskult. Ihm zufolge ist Atlantis eine »Urkultur«, welche die alte und neue Welt – Europa und Amerika – miteinander verbindet. Donnelly will nachweisen, »dass die Bevölkerung von Atlantis im Verlauf unermesslicher Zeitalter zu einer volkreichen mächtigen Nation heranwuchs, deren überquellende Bestandteile die Ufer des mexikanischen Golfes, des Mississippi, des Amazonasstroms, der Küste Südamerikas mit gebildeten Volksstämmen bevölkerte«. Ihre Kultur habe weit über Atlantis hinausgestrahlt und lebe in der Sprache, den Legenden und in der Kunst vieler Völker weiter. Die westlichen Küsten der Insel Atlantis, nimmt er an, können nicht weit von den Antillen-Inseln entfernt gewesen sein. Ein schiffskundiges Volk habe leicht von Insel zu Insel gelangen und Amerika erreichen können.
»Als Kind habe ich ägyptische Hieroglyphen abgeschrieben, weil ich dachte, es sei ein Alphabet wie jedes andere«
Charles Berlitz, Autor von »Das Atlantis-Rätsel«
Auf diese Weise will Donnelly die »merkwürdige Ähnlichkeit der alten Kulturen an den sich gegenüberliegenden Ufern des Atlantischen Ozeans« erklären.
Tatsächlich zeigen aztekische Bildhistorien, wie die ersten Azteken durch verschiedene Teile Nordamerikas wanderten, ehe sie sich in Mexiko niederließen. Ihre Wanderung begann auf einer Insel mit einem Berg, die sie mit Booten verlassen mussten. Ihre mythologische Heimat bezeichnen die Azteken (wie auch die mesoamerikanischen Tolteken) als Aztlan, was fast nach Atlantis klingt. Somit seien sie nichts anderes als Atlanter, folgert Donnelly.
Aus Sicht von Atlantis-Fans passen solche Ursprungserzählungen zu Platons Bericht, demzufolge die Könige von Atlantis über Teile des großen gegenüberliegenden Festlandes herrschten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Quetzalcoatl, den die Tolteken als Schöpfergott verehrten, als kräftiger weißer Mann mit wallendem weißen Bart beschrieben wurde.
Schließlich war er laut Mythos fremdländischen Ursprungs und kam von Osten über das Meer.
Verblüffende Parallelen weisen auch altamerikanische Sintflut-Mythen auf: Als die historisch wichtigsten Sintflut-Traditionen gelten die mexikanischen. Denn diese sind höchstwahrscheinlich schon vor Kolumbus endgültig in Form gebracht und durch symbolische Malereien festgehalten worden. Den Schriften zufolge trug der mexikanische Noah den Namen Coxcox (manchmal auch Teocipactli oder Tezpi).
Als die Sintflut begann, rettete er sich mit seiner Frau auf eine Barke (nach anderen Versionen auf ein selbst gebautes Floß aus Zypressenholz).
Ein wütender Gott, ein rettendes Schiff und ein Vogel mit einem Blätterzweig
Die Geschichte des Coxcox finden Forscher nicht nur bei den Azteken, sondern auch bei den Mixteken, Zapoteken, Tlaxkalteken und Mechoakanesen auf zentralamerikanischem Boden. Beim letztgenannten Stamm erzählte man sich, dass einst ein Mann namens Tezpi in einem geräumigen Schiff mit Frau und Kindern sowie Tieren Zuflucht fand. An Bord hatten sie Pflanzen, die für die Erhaltung der Menschheit wichtig sind. Als der große Gott Tezkalipoka schließlich befahl, dass die Flut wieder sinken möge, entließ Tezpi einen Geier aus seiner Barke. Der Vogel nährte sich von den Leichen, mit denen die Erde übersät war, und kehrte nicht zurück. Tezpi sendete weitere Vögel aus, einer kam mit einem Blätterzweig im Schnabel zurück. Da erkannte Tezpi, dass die Erde wieder zu grünen begann – und verließ die Barke auf dem Berg Colhuacan.
Als ein weiteres Dokument zur Weltentstehungslehre der Alt-Mexikaner gilt lange Zeit der Codex Ríos (auch Codex Vaticanus 3738).
Zwei Bauten wie Zwillinge
Die beiden Stufenpyramiden ähneln sich und stammen doch von unterschiedlichen Baumeistern aus weit entfernten Epochen: Jene in Cobá, Mexiko, wurde um 600 bis 900 n. Chr. gebaut, während der knapp 63 Meter hohe Bau von Djoser, Ägypten, um 2700 v. Chr. errichtet wurde
Die Welt hatte demnach vier Zeitalter vor dem unsrigen überstanden: Das erste war jenes der Riesen (möglicherweise Mammuts), die durch eine Hungersnot zugrunde gingen. Das zweite endete mit einem ungeheuren Feuer. Das dritte war die Epoche der Affen. Das vierte, »Sonne des Wassers« genannt, endete mit einer Sintflut.
Hier heißt es im Codex: »In einem einzigen Tage war alles verloren. Selbst die Berge sanken in das Wasser hinab.«
Obwohl der Codex Ríos zumindest in Teilen auf den im 16. Jahrhundert lebenden Dominikanermönch Pedro de los Ríos zurückgehen dürfte und wohl in Italien verfasst wurde, gilt er europäischen Gelehrten wie François Lenormant noch im 19. Jahrhundert als Zeugnis der aztekischen Kultur. In einigen Punkten ähnelt er Platons Bericht wie der chaldäischen Sage.
Fest steht, dass eine Sintflut-Erzählung auch bei den Mandan-Indianern in Nordamerika über Generationen überliefert worden ist. Darüber hinaus hat das am Missouri lebende Volk die Abbildung einer Arche aufbewahrt und damit verbunden eine religiöse Zeremonie, welche auf die Zerstörung von »Atlantis« hinweist.
Geschildert wird die Ankunft von Flüchtlingen, die der Flut entkamen und die schreckliche Nachricht des Unglücks überbrachten.
Erstaunliches behauptet in den 1970er-Jahren der US-Linguist Charles Berlitz, der bis zu seinem Tod an Atlantis glaubt. Seinen Ausführungen zufolge habe es ähnlich klingende Wörter in Gebieten gegeben, zwischen denen keine sprachlichen oder sonstigen Brücken bestanden.
So erinnerten ihn manche Indianerwörter mehr oder weniger stark an Wörter aus alten europäischen Sprachen. Berlitz verwies auf klangliche Ähnlichkeiten der toten Mandan-Indianersprache und dem Walisischen: Boot etwa heißt auf Walisisch »corwyg« und auf Mandan »koorig«.
Die Farbe Blau heißt in beiden Sprachen »glas«, das Rebhuhn »chugjar« beziehungsweise »chuga«, Brot wird als »barra« (Walisisch) und »bara« (Mandan) bezeichnet. Dies könne kein Zufall sein, war sich Berlitz sicher.
Ein weiteres Beispiel sei die baskische Sprache, die Charles Berlitz in seinen spekulativen Publikationen als »lebendes Fossil« und als »die voreiszeitliche Sprache Europas« bezeichnet. Für ihn stellt sie das einzige noch erhaltene Überbleibsel der Sprache der Atlanter dar (was wissenschaftlich als falsch gilt). Von dieser alleinstehenden Sprache will er ähnliche Strukturen in Quechua, der Sprache der Inkas, und Sprachen der nordamerikanischen Indianer ausgemacht haben. Ferner habe es Handelsbeziehungen zwischen Atlantis einerseits und Amerika andererseits gegeben.
Möglich, aber nicht nachgewiesen ist immerhin, dass Phönizier mit den atlantischen Strömungen bis nach Amerika gelangten – und der Kontinent damit seit der Antike auch in Europa bekannt ist.
Von der eingangs geschilderten Maya-Stadt Cobá aus durchzogen einst 50 Straßen schnurgerade den Dschungel. Sie waren die früheren Handelsstraßen zwischen den karibischen Häfen der Maya und den Stadtstaaten im Landesinneren. Wer heute die Maya-Stätte besucht, kann die Straßen noch erkennen. Unweit von Cobá befand sich vermutlich von 50 v. Chr. bis 1200 n. Chr. ein Handelshafen der Maya. Und so könnten schon lange, bevor Kolumbus einen seiner Füße auf Amerika setzte, Handelsbeziehungen mit Menschen von der anderen Seite des Meeres gepflegt worden sein.
LESETIPP
Spekulativ, unwissenschaftlich, aber unterhaltsam und mit einer Millionenauflage: Charles Berlitz: »Das Atlantis-Rätsel«. Weltbild 1994, antiquarisch