... durchtriebenen Juristen. Da Mrs Lovett für den Barbier schwärmte und ihm weiterhin zugeneigt ist, hat sie über all die Zeit seine Rasiermesser aufbewahrt. Todd beschließt, sein altes Handwerk wieder aufzunehmen (›Mein Freund‹), und schwört seinen Widersachern Rache. Derweil erblickt Anthony Johanna durch ein Fenster im Haus des Richters und verliebt sich augenblicklich in sie. Wie ›Grünfink und Nachtigall‹ im Käfig gefangen, sehnt diese sich nach Freiheit. Von Turpin verjagt, entschließt der Matrose sich, sie zu retten, und hofft auf Hilfe aus der Fleet Street. Unterdessen macht Pirelli (Andreas Rainer), der sich als »König der Barbiere« bezeichnet, mit seinem Stand auf dem Marktplatz Halt. Hier lässt er durch seinen knabenhaften Gehilfen Tobias (Tom Schimon) ›Pirellis Aqua-Capillare‹, ein angebliches Wunder-Haarwuchs-Mittel, anpreisen. Sweeney Todd hält dies für einen Betrugsversuch und fordert den anderen zum Wettrasieren heraus, welches er gewinnt und womit er wieder Fuß in seiner Zunft fasst. Büttel Bamford (Jeffery Krueger), die rechte Hand des Richters, lädt er zu einer Gratisrasur ein, um seinen Racheplan in die Tat umzusetzen. Jedoch erscheint zuvor Pirelli, der in dem Konkurrenten Benjamin Barker erkannt hat und droht, alles auffliegen zu lassen. Diese Erpressung bezahlt er mit dem Leben. Tobias glaubt, dass er von seinem Meister verlassen wurde, und findet bei Mrs Lovett ein neues Zuhause. Um weitere Annäherungen fremder Männer zu unterbinden, entschließt sich Richter Turpin, Johanna zu heiraten. Sein Mündel ist davon nicht begeistert und plant heimlich die Flucht mit Anthony. Büttel Bamford empfiehlt dem Juristen eine Rasur bei Sweeney Todd. Bevor dieser sich am Ziel seiner Rachepläne wähnen kann, wird er von dem jungen Seefahrer unterbrochen. Anschließend droht der Barbier sich in seinen Gewaltphantasien zu verlieren, wird aber von Mrs Lovett mit der Frage, was mit der Leiche von Pirelli geschehen soll, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Da Fleisch dieser Tage teuer ist, kommt ihr eine lukrative, wenngleich makabere, Idee. Das Pastetengeschäft läuft daraufhin hervorragend, wobei Tobias ihr als Kellner fleißig zur Hand geht. Todd sorgt für reichlich Zutatennachschub, während er seine Vergeltungspläne gegen den Richter und die Anstrengungen zur Befreiung seiner Tochter weiter verfolgt. Am Ende kommt es zu einem für alle unerwarteten Showdown.
Mit »Sweeney Todd« inszeniert Cusch Jung an der Musikalischen Komödie Leipzig ein rabenschwarzes Musical mit makabrer humoristischer Note und feiert damit nach der Umbauphase und coronabedingter Schließung einen fulminanten Start in die restliche Spielzeit. Das Musikstück, 1979 in New York uraufgeführt, von Stephen Sondheim (Musik und Liedtexte) und Hugh Wheeler (Buch) gewann insgesamt 8 Tony Awards. Sechs Jahre später feierte es in Freiburg seine deutschsprachige Erstaufführung in der Übersetzung von Wilfried Steiner. Spätestens nach der Tim-Burton-Verfilmung (2007) mit Johnny Depp (Sweeney Todd) und Helena Bonham Carter (Mrs Lovett) in den Hauptrollen, die 2008 auch in Deutschland zu sehen war, wurde das Stück weltbekannt. Sondheim selbst soll das Musical als »tiefschwarze Operette« bezeichnet haben.
Eben jene düsteren Gefühle werden hervorragend durch das Bühnenbild und die Kostüme von Karin Fritz eingefangen. Die Spielfläche kann im Handumdrehen von der Pastetenbäckerei samt darüberliegendem Barbier-Salon zu Richter Turpins Haus oder einer Irrenanstalt umgewandelt werden. Nach der Sanierung des Theaterhauses ist die Bespielung des Orchestergrabens möglich und setzt durch die absenkbare Bühne an vielerlei Stellen besondere Akzente. Dadurch, und durch die Kostüme, sowie das gelungene Spiel von Nebel und Licht (Cusch Jung) wird der Zuschauer in das viktorianische London hineingezogen.
Der starke Auftritt von Vikrant Subramanian als Sweeney Todd nimmt einen mit der ersten Sekunde gefangen. Er zeigt eine überwältigende Bühnenpräsenz und lässt doch genügend Raum für seine Schauspielkollegen. Speziell das Zusammenspiel mit Sabine Töpfer als Mrs Lovett gelingt hervorragend und lässt die Figuren authentisch lebendig werden. Gesanglich brillieren beide durch das gesamte Musical hindurch. Dustin Smailes springt in der besuchten Aufführung für den kurzfristig erkrankten Justus Seeger ein. Obwohl seine Textvorlage geringfügig anders ist, merkt man dies seiner Darstellung des Anthony Hope zu keinem Zeitpunkt an. Bei seiner Darbietung von ›Johanna‹ ist die Romantik absolut greif bar, ohne kitschig zu wirken. Dazu passt auch Katia Bischoffs ausdrucksstarke und klare Stimme, die in Zusammenhang mit dem weißen Kleid ihrer Johanna ein engelhaftes Auftreten verleiht und den Drang, sie aus der tyrannischen Gefangenschaft des Richters zu befreien, nachvollziehbar macht. Julia Lißel überzeugt als Bettlerin, die man zwischendurch nicht immer wahr, noch ernst nimmt, die jedoch im Schlussmoment aufzeigt, dass Selbstjustiz keine Lösung ist, wie sehr sie auch verständlich erscheint, und den Zuschauer damit fortwährend in ein moralisches Dilemma bringt. Michael Raschle hat mit Richter Turpin die wohl unsympathischste Rolle des Stücks inne. Allerdings ist das der Figur geschuldet und zeigt vielmehr, mit welcher schauspielerischen und gesanglichen Bravour ihm die Darstellung gelingt. Vor allem die Zerrissenheit bei der Selbstgeißelung erzeugt Gänsehaut. Chor und Extrachor fungieren im Verlauf des Stücks als Erzähler, mimen ebenso beispielsweise die Insassen des Irrenhauses und erzeugen insgesamt einige monumentale Momente.
Das Orchester der Musikalischen Komödie spielt hinter der Bühne. Unter der Leitung von Stefan Klingele erklingen die nicht immer einfachen Partituren des durchkomponierten Musicals nahezu perfekt. Allerdings wurde beim Ton (Holger Hammermann) in der besuchten Aufführung gern weit aus dem Vollen geschöpft, sodass das Textverständnis speziell bei den Chorstücken oftmals abhanden gekommen ist.
Nichtsdestotrotz ist die Inszenierung ein wahrer Genuss. Mit traumwandlerischer Sicherheit schafft es Cusch Jung, den Horror mit dem Witz erstklassig zu verbinden. Dem gesamten Ensemble ist die Spielfreude anzumerken und mit ihrer Brillanz machen sie die Aufführung zu einem absolut empfehlenswerten Highlight.
Eva Baldauf