... idyllisch gelegene Gaststätte, allerdings weitab vom Schuss. Doch die Gewinnübergabe? Fehlanzeige. Stattdessen pries der Verkäufer teure Matratzen an und versprach Geschenke „wenn alle schön brav sind”. Der Gewinn würde ihr zugeschickt, dafür soll te sie aber an Ort und Stelle eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 50 Euro zahlen. Das tat die Seniorin zum Glück nicht, denn schnell war ihr klar, dass man sie reingelegt hatte. Die Geschichte von Elisabeth M. ist kein Einzelfall. Sie war bei einer Kaffeefahrt gelandet – schätzungsweise fünf Millionen Menschen nehmen jährlich daran teil. Doch die Tagesausflügler müssen sich nicht alles gefallen lassen, wie Thomas Hollweck, Verbraucheranwalt aus Berlin, betont. Sie haben Rechte und meist genügend Beweise in der Hand, um sich an den Veranstaltern für die Abzocke zu rächen! Und: Niemand muss sich schämen, dass er auf diese dreisten Betrüger hereingefallen ist.
„Manchmal lohnt es sich schon, dem Veranstalter mit einer Anzeige zu drohen”
Thomas Hollweck, Verbraucheranwalt aus Berlin
Die Tricks der unseriösen Verkäufer durchschauen
■ Die Masche der Kaffeefahrten ist immer die gleiche: In einer über Stunden dauernden Show werden dubiose Produkte vorgestellt und den Teilnehmern mehr oder weniger elegant aufgedrängt: „Wir fahren erst weiter, wenn zehn Rheumadecken verkauft sind.” Die Vorträge sind anfangs intelligent, witzig und ausdrucksstark, werden dann aber zusehends aggressiv – vor allem dann, wenn das Geschäft nicht so einträglich läuft wie erhofft. Da hilft nur eins: Standhaft bleiben und vor allem den Geldbeutel zu lassen. Niemand ist zum Kauf verpflichtet – auch nicht aus schlechtem Gewissen heraus.
■ Werden Teilnehmer gehindert, den Saal zu verlassen, ist das Nötigung. Dann sollten Sie möglichst schnell den Notruf 110 wählen. Das gilt auch, wenn Sie vom Verkäufer zur Unterschrift auf einem Kaufvertrag genötigt werden. Wer von Anfang an das Ge-fühl hat, dass es sich um eine unseriöse Veranstaltung handelt, sollte gleich die Polizei rufen und so der Show schnell ein Ende bereiten. So wie es der Ex-Polizist Bernhard Stitz (s.r.) tut: Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, arme Rentner aus den Fängen der Kaffeefahrt-Betrüger zu befreien.
LOCKANGEBOT Glaubt man diesem Schreiben, warten zahlreiche Gewinne darauf, abgeholt zu werden. Hier wird zusätzlich an das schlechte Gewissen appelliert
Fotos: ddp, imago, iStock (2), picture alliance, Polizei, privat
Wer seine Rechte kennt, kann sich erfolgreich wehren
► Sie haben sich trotz aller Warnungen dazu hinreißen lassen, ein Produkt zu kaufen und bereuen es jetzt? Niemand muss am Kaufvertrag festhalten. Thomas Hollweck rät: „Im ersten Schritt sollten Sie den Kaufvertrag widerrufen. Dafür haben Sie zwei Wochen Zeit.” Der Fristbeginn setzt voraus, dass Sie ordnungsgemäß über Ihr Widerrufsrecht belehrt wurden. Andernfalls haben Sie sogar ein Jahr und 14 Tage Zeit. Möglichst per Einschreiben mit Rückschein verschicken, damit Sie einen Nachweis haben. Dafür brauchen Sie Namen und Adresse des Verkäufers, ein Postfach reicht für die Reklamation nicht.
Der Test – Probelieg en auf dem Bett macht Spaß
Nie mehr Rheuma dank der richtigen Matratze – Verkäufer appellieren oft an die GESUNDHEIT der Senioren. Doch die Produkte sind in der Regel von minderwertiger Qualität
Mit Geschenken wird gelockt
Doch dann heißt es: „Sie müssen auch kaufen, sonst gibt es nichts!” Nicht unter Druck setzen lassen!
Das böse Erwachen kommt zu Hause
Innerhalb von 14 Tagen können Sie den Kauf rückgängig machen. Leider versuchen unseriöse Anbieter, das Widerrufsrecht zu umgehen, indem sie den Vertrag zurückdatieren
► „Hält das Produkt nicht das, was Ihnen versprochen wurde, handelt es sich um Täuschung. Ist der Preis zu hoch, bedeutet das Wucher”, erklärt der Experte. In beiden Fällen sollten Sie dies dem Veranstalter zusammen mit dem Widerruf mitteilen. Einen Musterbrief finden Sie unter: www.kanzlei-hollweck.de
► Weigert sich der Veranstalter, Ihnen Ihr Geld zurückzugeben, besteht die Möglichkeit, Strafanzeige bei der örtlich zuständigen Polizei oder Staatsanwaltschaft zu erstatten. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Sie nur eine Postfach-Adresse haben.
► Zwei weitere wichtige Aspekte können dabei helfen, den Betrügern das Handwerk zu legen: Die eingenommenen hohen Geldbeträge müssen versteuert werden, bestimmte Fälle des Warenverkaufs benötigen eine gewerbliche Genehmigung. Nicht alle Kaffeefahrt-Veranstalter halten sich daran. Insofern ist ein Hinweis an das zuständige Finanzamt bzw. Gewerbeaufsichtsamt sinnvoll. Hollweck weiß aus eigener Erfahrung, dass es manchmal schon genügt, rechtliche Maßnahmen anzudrohen, damit der Kaufpreis erstattet wird.
Schwarze Schafe schon vor der Teilnahme entlarven
► Sie wollen dennoch gern an einer Kaffeefahrt teilnehmen? Dann sollten Sie wissen: Keiner kann Sie zwingen, unterwegs bei der Verkaufsveranstaltung dabei zu sein – in dieser Zeit dürfen Sie auch etwas anderes unternehmen und haben trotzdem vollen Anspruch auf alle bezahlten Leistungen und die Verpflegung. Auch wenn das dem Veranstalter nicht passt!
► Dennoch gibt es natürlich auch seriöse Anbieter. Um die schwarzen Schafe schon vorab zu entlarven, hilft eine Liste der Verbraucherzentrale unter http://t1p.de/425.
► Hollweck empfiehlt außerdem: „Stecken Sie nur wenig Bargeld ein, lassen Sie die EC-Karte zu Hause. Bringen Sie stattdessen etwas zu schreiben mit, damit Ihnen der Verkäufer die Eigenschaften des angepriesenen Produkts schriftlich bestätigt. Und lassen Sie sich seinen Personalausweis zeigen. Tut er beides nicht: Hände weg!”
► Auch Elisabeth M. hat aus ihrer Erfahrung gelernt. Einladungen zu Kaffeefahrten landen bei ihr ab sofort im Mülleimer. Dennoch muss sie nicht auf gesellige Ausflüge verzichten. Denn es gibt jede Menge kirchlicher und kommunaler Angebote – die sind seriös, gar nicht teuer und sie halten ganz sicher, was sie versprechen.
Ex-Polizist Bernhard Stitz lässt Kaffeefahrt-Abzocker auffliegen
KAMPF GEGEN BETRÜGER 2015 ging Bernd Stitz in den Ruhestand, ermittelt aber weiter
→Verdeckte Ermittlung Er hat eine Mission: Der pensionierte Polizist unternimmt alles, um dubiose Kaffeefahrten ein für allemal zu beenden. Dafür schleust Stitz auf den Ausflugsfahrten Undercover-Senioren ein, die mit ihm übers Handy Kontakt halten. Wenn die Teilnehmer bereit sind, viel Geld auszugeben, schlagen die Undercover-Senioren unbemerkt Alarm. Dann schreitet Stitz ein, holt seine Kollegen zu Hilfe und bricht die Kaffeefahrt ab.