... (MDK). Wie Sie erfolgreich finanzielle Hilfe beantragen, erklärt unser Experte, Stefan Palmowski, Geschäftsführer des Interprofessionellen Gesundheitszentrums an der Hochschule für Gesundheit in Bochum.
Gut Vorbereitung auf den Besuch des MDK-Gutachters
► Zunächst mal: Wer Leistungen der Pflegeversicherung beziehen möchte, muss dafür einen Antrag bei seiner Pflegekasse stellen. Sie ist an die Krankenkasse angeschlossen. Um den Pflegegrad und damit den Anspruch auf Leistung zu ermitteln, kommt ein Gutachter zu Ihnen nach Hause. Gut, wenn man dann weiß, worauf es bei dem Besuch ankommt, und wie man sich am besten darauf vorbereitet.
► „Es geht bei der Einstufung nicht um die Schwere der Krankheit, sondern allein um das Maß der Selbststän- digkeit und krankheitsbedingte Auffälligkeiten in bestimmten Bereichen“, erklärt Experte Palmowski.
► Er weist außerdem darauf hin, dass Pflegeversicherten eine kostenlose Pflegeberatung zusteht. Haben Sie also einen Antrag auf Leistungen bei der Pflegekasse gestellt, muss diese Ihnen oder der bevollmächtigten Person innerhalb von zwei Wochen eine Beratung anbieten, eine Kontaktper- son oder einen Pflegestützpunkt benennen. Infos finden Sie auch im Internet unter bdb.zqp.de. Übrigens: Bei Privatversicherten kommt ein Gutachter der Firma Medicproof zu Ihnen nach Hause.
2 kognitive & kommunikat i ve Fähigkeiten
Der Pflegegrad wird mithilfe von Modulen ermittelt
► Der Gutachter prüft den Grad der Selbstständigkeit anhand der folgenden sechs Module.
►Modul 1: „Mobilität“ beinhaltet die Beweglichkeit: Wie eigenständig kann eine Person ihre Position im Bett wechseln, wie stabil auf einem Stuhl sitzen, sich in der Wohnung fortbewegen, Treppen steigen?
►Modul 2: Bei den „kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten“ geht es darum, wie man sich im Alltag zurecht findet, ob man für sich selbst Entscheidungen treffen kann. Es werden auch Auswirkungen von Hör- und Sprachstörungen berücksichtigt.
►Modul 3: Hier soll der Gutachter einschätzen, wie häufig Probleme, die aus psychischen Erkrankungen resultieren, im Alltag vorkommen. „Da er dies durch eigene Beobachtungen nur schlecht bewerten kann, ist er hier besonders auf die Angaben der Pflegeperson angewiesen.“
►Modul 4: Beim Punkt „Selbstversorgung“ geht es u. a. um selbstständiges Waschen, An- und Auskleiden, Benutzen der Toilette.
►Modul 5: Darunter fallen ärztlich angeordnete Maßnahmen wie Spritzen, Absaugen, Sauerstoffgaben oder Stoma-Wechsel (künstl. Darmausgang).
►Modul 6: Es berücksichtigt die Fähigkeit, den Tagesablauf selbstständig zu gestalten, Aktivitäten zu planen und soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.
► Eine genaue Auflistung der sechs Module finden Sie im Ratgeber von Stefan Palmowksi (Buchtipp s. r.).
3 Verhaltensweisen und Psyche
Wichtige Unterlagen für die Begutachtung sammeln
► Wer diese Module kennt, kann sich noch besser auf den Hausbesuch des MDK vorbereiten und dafür sorgen, dass der Betroffene den richtigen Pflegegrad erhält – und nicht etwa einen zu niedrigen. Es sollte selbstverständlich sein, dass der Pflegebedürftige beim Gespräch von einer pflegenden oder Vertrauensperson unterstützt wird. Und: Haben Sie den Eindruck, dass der Termin für die Begutachtung zu kurzfristig angesetzt ist, um sich vorzubereiten, bitten Sie um Verschiebung.
► Nützlich ist es außerdem, schon im Vorfeld über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen in einer Art Tagebuch alles minutiös aufzuschreiben, was mit der Pflege und Betreuung des Patienten zu tun hat. Dazu gehören auch Tätigkeiten, bei denen Sie den Betroffen nur beaufsichtigt haben, beim Waschen etwa. Tipp: Praktische Vordrucke sind bei den meisten Pflegekassen erhältlich. Sie werden erstaunt sein, was alles zusammenkommt.
► Machen Sie von allen medizinischen Dokumenten, wie Arztberichten, Medikamentenplan, Auflistung der Therapien oder Vertrag mit dem Pflegedienst Kopien. Es empfiehlt sich auch, alle chronischen Erkrankungen wie z. B. Diabetes aufzulisten, da solche Leiden mehr Pflegeaufwand mit sich bringen.
4 Selbstversor - gung
5 krankheits- & thera pie bedingte Anforderungen
KEINE ANGST VOR DEM MDK-TERMIN
Beim Gespräch mit dem Gutachter sollten Sie sehr ehrlich sein. Schämen Sie sich nicht, wenn Sie zu einfachen Alltagsaufgaben nicht mehr in der Lage sind
6 Gestaltung des Alltagslebens
Beim Gespräch auf Details achten
► Was Sie noch bedenken sollten: Pflegebedürftige haben oft eine Art Prüfungsangst vor dem Gutachter. Manche wollen beweisen, dass sie nicht hilflos sind – oft aus Scham. Doch das ist nicht Sinn der Begutachtung, es soll ja der Alltag wiedergegeben werden – und der sieht eben so aus, dass vieles nicht mehr geht.
► Palmowski rät, sich nach dem Gespräch Notizen zu machen. „Das können später wichtige Hinweise auf mögliche Ungenauigkeiten bei der Begutachtung sein.“ Halten Sie auch persönliche Eindrücke fest, etwa: „Der Gutachter schien es eilig zu haben, er schaute ständig auf die Uhr.“
► In der Regel folgen die Pflegekassen bei ihrem Bescheid der Empfehlung des Gutachters. Innerhalb von 25 Arbeitstagen muss die Pflegekasse entscheiden, welcher Pflegegrad vorliegt. In akuten Fällen ist eine Entscheidung binnen einer Woche fällig. Wird Ihr Antrag abgelehnt, sollten Sie sich wehren (s. l.). Schließlich geht es um die beste Pflege für Ihre Liebsten.
BUCH-TIPP
„Das Pflegegutachten“
von Stefan Palmowski, 9,90 Euro, www.ratgeber-verbraucherzentrale.de, Tel. 0211/ 38 09-555.
Was kann ich tun, wenn mein Antrag abgelehnt wurde?
◾ Gegen den Bescheid der Pflegekasse können Sie innerhalb eines Monats dort Widerspruch einlegen – dieser sollte auf jeden Fall schriftlich und per Einschreiben erfolgen.
◾ Widersprechen Sie und nennen Sie konkrete Argumente, warum Sie mit der Entscheidung des MDK nicht einverstanden sind. „Führen Sie Beispiele aus dem Alltag an, lassen Sie sich im Zweifel von einer Pflegeberatungsstelle helfen“, rät der Experte.
◾ Je nach Fall kommt es zu einer zweiten Begutachtung. Gegen eine erneute Ablehnung können Sie vor dem zuständigen Sozialgericht klagen. Kosten entstehen Ihnen hierbei keine. Kommt die Klage allerdings bis vors Landessozialgericht, sollten Sie einen Anwalt zurate ziehen.
Pflegeleistungen im Überblick
• Pflegegrad 1
Die Voraussetzungen dafür sind dann erfüllt, wenn der Betroffene geistig und körperlich eigentlich noch fit und beweglich, aber in geringem Maße auf Unterstützung angewiesen ist.
• Pflegegrad 2
Für diese Einstufung müssen Versicherte nachweislich in ihrer Selbstständigkeit erheblich beeinträchtigt sein, zwei bis drei Mal täglich Unterstützung durch Angehörige oder einen ambulanten Pflegedienst erhalten.
• Pflegegrad 3
Hier liegt eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vor sowie schwere motorische Beeinträchtigungen, wie etwa Teil-Lähmungen, Rückenmarkserkrankungen oder Multiple Sklerose.
• Pflegegrad 4
Wer und um die Uhr auf Hilfe durch eine Pflegefachkraft oder einen pflegenden Angehörigen angewiesen ist, wird hier eingestuft.
• Pflegegrad 5
Zusätzlich zu schwersten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit ist die Pflege der Betroffenen hier besonders aufwendig.
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