... Familien-Kutsche, Wohnwagen-Zugfahrzeug, Mountainbike-Transporter, Baumarkt-Shuttle – der Einsatzbereich moderner und praktischer SUV ist entgegen mancher Vorurteile weit größer als vermutet. Der Skoda Kodiaq war dafür in den vergangenen Jahren ein beredtes Beispiel. Turnusmäßig hat man in Mlada Boleslav nun Hand angelegt, um dem Hochbeiner weiter genügend Kaufargumente ins Handschuhfach zu legen, sollten potenzielle Kunden zur Probefahrt aufbrechen wollen.
Doch machen wir uns nichts vor: Die Konkurrenz ist nicht nur groß, sondern auch kräftig. Aus dem gleichen Konzern und auf derselben MQB-Plattform basierend, spült nämlich der VW Tiguan dem Konzern kräftig Geld in die Kasse. Aus Gründen der Waffengleichheit zum mit drei Sitzreihen bestückbaren Skoda rollt der VW als potenziell siebensitzige Langversion Allspace zum Test. Da aber auch jene berücksichtigt werden sollen, die bei ihren Kaufüberlegungen gern mal ein Auge auf neue, vielversprechende Marken richten möchten, komplettiert der Genesis GV70 das Testfeld.
Karosserie
Ob längs-sowie neigungseinstellbare, asymmetrisch (Genesis und Skoda) oder dreigeteilt klappbare Rücksitze und eine umlegbare Beifahrersitzlehne ( jeweils Serie im VW) oder eben die Option auf eine dritte Sitzreihe (Skoda und VW): Mangelnde Variabilität kann man unseren drei Testkandidaten wahrlich nicht vorwerfen. Entsprechend sind sie für vielfältige Transportaufgaben gerüstet. Das beste Raumangebot hierfür bietet nach wie vor der Skoda, was sich nicht nur in der größten Kniefreiheit im Fond, sondern auch im üppigsten Ladevolumen niederschlägt: 835 bis 2065 Liter hält er bei fünfsitziger Bestuhlung bereit. Unter gleichen Bedingungen bietet der deutsche Kontrahent 760 bis 1920 Liter. Der Genesis muss hier zurückstecken: Nicht nur dass er in der zweiten Reihe enger geschnitten ist, auch im Gepäckabteil ist bereits bei maximal 1678 Litern Schluss. Bei der Zuladung schießt der VW mit satten 634 Kilogramm den Vogel ab – der Skoda darf 593, der Genesis nur 543 Kilogramm draufpacken. Dafür kann er immerhin – wie seine beiden Konkurrenten – satte 2,5 Tonnen Anhängelast an den Haken nehmen.
Alle drei SUV dürfen 2,5 Tonnen schwere Anhänger ziehen
Gewonnen hat der Kodiaq mit dem Facelift vor allem bei der Sicherheitsausstattung. Ab der Ausstattungslinie Style blinzelt er serienmäßig aus Matrix-LED-Scheinwerfern. Optional sind ein proaktiver Insassenschutz und der Travelassist an Bord, der bis zu acht Assistenzsysteme in sich vereint. Dazu zählen etwa ein adaptiver Abstandsassistent oder eine verbesserte Verkehrszeichenerkennung. Demgegenüber fallen die äußeren Retuschen in Gestalt eines leicht modifizierten Kühlergrills eher dezent aus.
Prima: Alle drei sind nicht nur reine Transporter. Das Auge fährt ebenfalls mit und freut sich über eine piekfeine Verarbeitung vor allem im Genesis, der in puncto Bedienung nicht nur mit einem üppig dimensionierten Bildschirm, sondern auch mit einem praktischen Dreh-Drück-Steller überzeugt. Im Rahmen der Überarbeitung hat sich Skoda die grassierende „Slideritis“ für die Klimabedienung im VW-Konzern verkniffen und setzt weiterhin auf klassisches Drehregler statt der unpraktischer Gleitflächen (Slider) wie im Tiguan Allspace.
Fahrkomfort
Bereits auf den ersten Kilometern stellen die Testkandidaten ihre Reisetauglichkeit unter Beweis. Dabei beeindruckt der GV70 mit gut gedämmten Fahrgeräuschen und obendrein auch mit einer sehr feinfühlig agierenden Feder-Dämpfer-Kombination. Seine serienmäßigen adaptiven Dämpfer kaschieren erfolgreich das, worum sich Straßenbauer nicht gekümmert haben und filtern die meisten Unebenheiten verschlissenen Asphalts erfolgreich heraus. Empfindlichere Naturen mögen sich daran stören, dass die Karosserie des Koreaners infolge der vergleichsweise weichen Abstimmung vor allem auf Bodenwellen stets in leichter Schwingbewegung verbleibt. Dennoch präsentiert der Asiate beim Federungskomfort ein ausgewogeneres Bild als seine europäischen Rivalen.
Skoda
Connectivity
Mit „Smart link“ kann der Fahrer sein Telefon integrieren. Dieses Detail ist bei der Ausstattungslinie Style, der Basisversion des Skoda Kodiaq mit 200-PS-TDI, serienmäßig an Bord. Wer ein Navigationssystem möchte, sollte das Ausstattungspaket Business Amundsen wählen. Es enthält über eine separate SIM-Karte das „Infotainment online“. Die Kosten hierfür sind für ein Jahr inbegriffen. Damit kann man auch einen WLAN-Hotspot anlegen. Nicht lumpen lassen sich die Tschechen zudem bei einer induktiven Lademöglichkeit fürs Smartphone: Eine entsprechende Ladeschale bringt der Kodiaq standardmäßig ebenso mit wie eine Freisprecheinrichtung.
VW
Connectivity
Das Thema Infotainment lassen sich die Wolfsburger teilweise fürstlich bezahlen. Das beginnt bei der Smartphone-Integration über Apple CarPlay und Android Auto für 225 Euro. Die gleiche Summe kostet die Sprachbedienung. Für eine kabellose Lademöglichkeit per Induktion ruft man am Mittellandkanal ordentliche 465 Euro auf. Ein elektronischer Wegweiser kostet 1760 Euro, wenn ein 9,2-Zoll-Bildschirm geordert wird und immerhin noch 615 Euro, wenn das 8,0-ZollFormat genügt. Das mehrfarbige Digital-Cockpit Pro kommt dagegen ohne Aufpreis ab Werk und bietet dem Nutzer verschiedene Anzeigenkonfigurationen.
Kodiaq und Tiguan Allspace, beide ebenfalls mit adaptiven Dämpfern bestückt, hinterlassen jeweils unterschiedliche Eindrücke. Im Komfort-Modus schwingt das Skoda-Heck auf Bodenwellen nämlich deutlich stärker nach als das des VW. Zudem pariert der Wolfsburger etwa Verkehrsberuhigungsschwellen auf der Fahrbahn deutlich weniger ruppig als das Modell aus Mlada Boleslav. An das feinfühlige Ansprechverhalten des Genesis auf kariösem Asphalt reichen sie dennoch nicht heran.
Zugelegt hat der Skoda mit dem Facelift beim Sitzkomfort. Die Option auf die neuen Ergo-Komfortsitze (1990 Euro inklusive Lederausstattung) sollte man auf jeden Fall wahrnehmen, denn dafür gibt es straff gepolsterte Sitze mit sehr guter Torso-Abstützung nebst entspannender Massagefunktion. Auch im Fond freuen sich die Kodiaq-Mitfahrer über die bequemsten Plätze. Wer sich für eine dritte Sitzreihe entscheidet (Skoda: 1240
Euro, VW: 750 Euro), sollte sich allerdings nicht zu viel versprechen. Hier werden Erwachsene auf längeren Strecken nicht glücklich, weil sie eher kauern als sitzen. Davon abgesehen stellen die beiden Vertreter des VW-Konzerns mit zahlreichen praktischen Ablagen, unter anderem für Regenschirme in den Skoda-Türverkleidungen, unter Beweis, dass bei diesen Kandidaten das Thema Praxis- tauglichkeit ganz oben im Lastenheft stand. Die vergleichsweise hohen Ladekanten muss man dagegen bei allen drei Kandidaten in Kauf nehmen.
Mit 7,2 Liter Diesel ist der Skoda Kodiaq der Sparsamste
Motor / Getriebe
Für die zweite Lebenshälfte setzt Skoda – wie schon VW zuvor – auf den sogenannten EVO-TDI, der aus zwei Liter Hubraum 200 PS holt. Die Besonderheit dieses Selbstzünders besteht im sogenannten Twin-Dosing-Verfahren, weniger als der Genesis mit sei- bei dem vor den hintereinander angeordneten Katalysatoren Ad-Blue eingespritzt wird, um den Stickoxid-Ausstoß weiter zu reduzieren. Hinzu kommen diverse Optimierungsmaßnahmen im Bereich der Einspritzanlage, des Abgas-und Turboladersystems sowie des Thermomanagements. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit 7,2 beziehungsweise 7,3 Litern verbrauchen Kodiaq und Tiguan Allspace rund einen Liter nem 2,2 Liter Hubraum messenden Turbodiesel. Die Fahrleistungen fallen ebenfalls deutlich besser aus: So beschleunigen die zwei Konzern-Kollegen jeweils in 7,5 Sekunden auf Tempo 100, während sich der Genesis hierfür 8,2 Sekunden Zeit lässt. Bei der Höchstgeschwindigkeit sind die Differenzen dagegen vernachlässigbar: Der Genesis lässt es bei 215 km/h bewenden, der VW und der Skoda sind ein beziehungsweise drei km/h schneller.
Das ist im Alltag nicht der Rede wert, die unterschiedlichen Eindrücke, die die Motoren hinterlassen, dagegen schon. So wirkt der immerhin 210 PS starke Koreaner im Ansprechverhalten deutlich träger als seine bis zu 185 Kilogramm leichteren Konkurrenten. Das gilt im Comfort-Modus auch für die Reaktionsgeschwindigkeit seiner Achtstufen-Automatik. Die Doppelkupplungsgetriebe in VW und Skoda begnügen sich mit nur sieben Gängen, reagieren dafür aber aufmerksamer, manchmal jedoch auch eine Spur ruppiger. Zudem reichen die knurrigen TDI nicht ganz an die Laufkultur des Genesis-Antriebs heran.
Fahrdynamik
Da Fahrzeuge dieses Zuschnitts oft als Familientransporter zum Einsatz kommen, gebührt der Fahrsicherheit besonderes Augenmerk. Hier kann Entwarnung gegeben werden. Alle drei Rivalen verfügen über aufmerksame und rechtzeitig einsetzende Schleuderschutzsysteme, die in kritischen Fahrsituationen – etwa bei plötzlich notwendigen Ausweichmanövern – im Rahmen der physikalischen Grenzen gut unterstützen. Davon abgesehen zeigen die drei SUV fahrdynamisch recht unterschiedliche Charaktere.
Der Genesis wirkt beim Einlenken eher schwerfällig und verlangt in engen Radien nach reichlich Kurbelei, während er an der Haftgrenze über die Vorderräder zu schieben beginnt. Außerdem könnte das Rückstellmoment seiner Lenkung ruhig etwas höher ausfallen. Wesentlich ausgewogener präsentiert sich der Kodiaq auf dem Handling-Parcours. Lenkmanövern folgt er deutlich agiler als der GV70. Auch untersteuert er weniger, und Lastwechselreaktionen sind ebenfalls geringer ausgeprägt.
Von den Anlagen her bringt der Tiguan Allspace mit seinen 20-Zoll-Rädern, adaptiven Dämpfern und der optionalen Progressiv-Lenkung beste Voraussetzungen für eine optimale Fahrdynamik-Vorstellung mit. Auf dem Rundkurs gibt er sich wieselflink und lässt sich zackig durch die vertracktesten Radien zirkeln. Allerdings zeigt die eher schlechte Slalomzeit, dass hier mehr möglich wäre, doch die niedrige Regelgüte seines ESC (ESP) sorgt dafür, dass er bei abrupten Lenkmanövern stärker als nötig abgebremst wird. Schade eigentlich, denn mit den kürzesten Bremswegen im Test hätte der VW das Kapitel für sich entscheiden können, wird aber vom Skoda knapp überholt.
Umwelt / Kosten
Da bis zum Redaktionsschluss für den Genesis weder Werkstattkosten noch Versicherungseinstufungen vorlagen, konnten diese Punkte nicht bewertet werden.
Unabhängig davon überzeugt der Koreaner aber mit einer umfangreichen Multimedia-Ausstattung, fünf Jahren Garantie und dem niedrigsten Wertverlust. In der Folge bedeutet das den Kapitelsieg. Dichtauf folgt der Skoda mit dem niedrigsten Fahrzeugpreis inklusive testrelevanter Extras. Er bleibt als Einziger unter der 50.000 Euro-Grenze und verursacht zusammen mit dem VW niedrigere Kraftstoffkosten als der asiatische Mitbewerber.
Die Preispolitik der Wolfsburger sorgt für den letzten Platz des VW im Kostenkapitel. Er ist, einschließlich der testrelevanten Extras, mit 53.350 Euro nicht nur der teuerste Kandidat, sondern verursacht laut DAT in vier Jahren und bei 80.000 Kilometer Laufleistung einen um bis zu 2733 Euro höheren Wertverlust als seine Rivalen. Da nützen ihm auch seine günstigen Versicherungseinstufungen nichts mehr.