... Sabine Janssen aus dem niedersächsischen Wittmund. Die 64-Jährige hat vor wenigen Wochen ihren Rentenbescheid erhalten – gut 1.200 Euro soll die Krankenschwester ab Mai erhalten. „Das sind über 200 Euro mehr pro Monat als bei der letzten Berechnung vor einem Jahr. Damals hieß es, ich würde nur knapp 1.000 Euro erhalten“, erzählt sie, „und bei der Rentenversicherung sagte man mir, das würde schon stimmen, immerhin hätte ich als Krankenschwester nicht so viel verdient und viele Jahre nur Teilzeit gearbeitet.“
Doch Sabine Janssen konnte und wollte dies nicht glauben; sie ging zu einem privaten Rentenberater, der zahlreiche Fehler in ihrem Rentenkonto fand – weder die Mütter-Rente wurde ihrem Konto gutgeschrieben noch die Zeiten, die sie für die Pflege ihres Mannes hätte erhalten müssen. „Ich bin so froh, dass ich die erste Berechnung nicht akzeptiert habe“, sagt sie.
Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jede dritte Rente zu niedrig ist, weil sich entweder im Renten-Konto tatsächliche Fehler befinden oder aber längst nicht alle Möglichkeiten genutzt wurden, um die Rente zu maximieren. „Um diese maximale Rente muss man häufig kämpfen“, sagt auch Thomas Neumann, Präsident des Bundesverbands der Rentenberater, „denn häufig wissen nur Profis die Wege, um mehr aus dem gesetzlichen System rauszuholen.“
Um höhere Rente kämpfen
Und dies ist oft nötig, da die gesetzlichen Renten häufig sehr niedrig sind.
Zwar führen Politik und Rentenversicherung gerne den sogenannten Eck-Rentner als Durchschnitt an, der bzw. die gut 1.500 Euro pro Monat erhalten würde. Doch so hohe Renten erhält in Deutschland nur eine Minderheit – die meisten Brutto-Renten liegen deutlich darunter (s. u.); und davon werden noch gut 10 % für Sozialbeiträge abgezogen. „Umso wichtiger ist es, dass jeder individuell schaut, wie die Rente maximiert werden kann“, sagt Rentenberater Peter Knöppel, „und das geht.“
Um aber zu verstehen, wie die gesetzliche Rente maximiert werden kann, muss man verstehen, wie sie berechnet wird. Die eigentliche Rechnung ist kompliziert – doch meist genügt diese grobe Schätzung:
• Die Zahl der Entgeltpunkte, die man bis zum Rentenantrag erreicht,
• wird multipliziert
• mit dem aktuellen Rentenwert – das ist ein von der Politik jährlich festgelegter Euro-Betrag.
Das heißt: Beeinflussen lässt sich nur die Zahl der Entgeltpunkte – je mehr Entgeltpunkte, desto höher die Rente. Und die Zahl der Entgeltpunkte wiederum hängt ab von der Zahl der Arbeitsjahre und der Höhe des Verdienstes in jedem Arbeitsjahr sowie der Zahl der Entgeltpunkte bzw. Zeiten, die einem anerkannt werden, auch wenn man gar nicht gearbeitet hat.
„Ich schätze, dass jede zweite Frau weniger Rente erhält, als möglich wäre"
Anke Voss, Rentenberaterin aus Berlin
Dabei gilt diese simple Formel:
• Wer ein Jahr gearbeitet hat und dabei exakt so viel verdient hat wie der Durchschnitt aller Arbeitnehmer in Deutschland, erhält für das betreffende Jahr einen Entgeltpunkt.
• Wer 20 % über dem Durchschnitt verdient, erhält für dieses Jahr 1,2 Entgeltpunkte; wer 10 % unter dem Durchschnitt verdient, 0,9 Entgeltpunkte.
• So wird für jedes Jahr vorgegangen.
Hinzu kommen die Entgeltpunkte für Zeiten, die wie Arbeitsjahre gewertet werden, für die man auch Entgeltpunkte erhält. Das sind Zeiten der Kindererziehung (wie bei Sabine Janssen), aber auch der Arbeitslosigkeit, einer längeren Krankheit oder der Pflege von Angehörigen – hier überweisen Arbeitsagentur, Krankenkasse bzw. Pflegeversicherung Beiträge auf das Renten-Konto.
Wichtig dabei: Die Zahl der Entgeltpunkte bestimmt nur die Höhe der Rente, nicht aber, ob und wann man überhaupt eine Rente erhält – das hängt zusätzlich von der Zahl der Beitragszeiten ab. Wer also einige Jahre weit überdurchschnittlich verdiente, erreicht damit eine höhere Rente, trotzdem aber nicht mehr Beitragszeiten, um z. B. früher in Rente zu können.
Jede Lücke kostet Geld
Doch wie lässt sich die Rente dann maximieren (siehe auch nächste Seite)? „Der wichtigste Schritt ist, dass das Renten-Konto bzw. der Versicherungsverlauf keine Lücken aufweist“, sagt Rentenberater Peter Knöppel, „jede geschlossene Lücke bringt am Ende mehr Geld.“
„Jede Rente kann bei geschicktem Vorgehen deutlich gesteigert werden"
Thomas Neumann, Präsident des Bundesverbands der Rentenberater, Berlin
Dazu bei der Rentenversicherung eine Kontenklärung beantragen. Darauf sendet die Rentenkasse einen Versicherungsverlauf mit allen gespeicherten Daten und Beträgen. Nun anhand der eigenen Unterlagen (Schul-Zeugnisse, Arbeitsverträge oder Verdienstbescheinigungen) kontrollieren, ob Zeiten und Summen stimmen.
Wichtig: Der Versicherungsverlauf führt immer einzelne Zeilen auf – das Anfangs-Datum einer neuen Zeile muss sich Tag-genau an das End-Datum der vorigen Zeile anschließen. Ist dies nicht der Fall, geht Rente verloren.
„Entscheidend ist“, sagt die Rentenberaterin Anke Voss, „dass sich keine Lücken im Versicherungsverlauf befinden. Tauchen Lücken auf, überlegen, was in der betreffenden Zeit beruflich gemacht wurde und ob es dafür Belege gibt, die man an die Rentenversicherung senden kann.“
Die reagiert dann mit einem neuen Bescheid inkl. Versicherungsverlauf.
Doch oft sind Fehler gar nicht so offensichtlich. Das war zum Beispiel bei Sabine Janssen der Fall. Da sie jeweils nach der Geburt ihrer beiden Töchter nur die gesetzlich vorgeschriebene Mutterschutz-Zeit zu Hause war und danach wieder als Krankenschwester berufstätig war, tauchten in ihrem Versicherungsverlauf zwar die 12 Monate Kindererziehungszeit jeweils nach der Geburt auf, nicht aber der Verdienst ihrer Berufstätigkeit während dieser Zeit. „Das ist ein typischer Fehler, der vor allem Frauen betrifft“, sagt Anke Voss, „im Versicherungsverlauf müssen beide Ereignisse vermerkt sein.“
Weitere typische Fehler:
• Zeiten einer längeren Krankheit mit Krankengeld sind nicht vermerkt.
• Eine Arbeitslosigkeit ist aufgelistet, doch keine Beiträge sind verbucht.
• Ganze Arbeitsjahre oder Teile des Verdienstes fehlen, weil Arbeitgeber falsche Daten gemeldet haben.
• Eine berufliche Ausbildung wurde zwar zeitlich korrekt vermerkt, aber die Beträge wurden nicht höher gewertet (was aber der Fall sein muss).
• Eine berufliche Ausbildung (vor allem dann, wenn es wie bei Fachschulen kein Gehalt gab) wurde nur als Schul-Ausbildung gewertet (auch dies war bei Sabine Janssen der Fall), nicht aber mit Pflichtbeitragszeiten.
• Und besonders häufig tauchen Fehler auf, wenn es um Berufs-Ausbildung bzw. -tätigkeiten in der DDR geht.
„Alleine hätte ich diese Fehler in meinem Renten-Konto nie entdeckt“, resümiert Sabine Janssen, „deshalb bin ich froh, dass ich einmal bei einem privaten Rentenberater war.“
Professionelle Hilfe suchen
Wichtig: Zwar haben auch die Beratungsstellen der Rentenversicherung eine Aufklärungs-und Informationspflicht. Doch die Praxis zeigt anderes.
Rechtlich müssen die Beratungsstellen wahrheitsgemäß auf Fragen antworten. Das bedeutet jedoch, dass man selbst die Kniffe kennen muss, um die richtigen Fragen stellen zu können. „Man darf nicht erwarten, dass die Rentenversicherung einen von sich aus auf bessere Gestaltungsmöglichkeiten hinweist“, sagt der Rentenberater Thomas Neumann. Er empfiehlt deshalb, rechtzeitig einen privaten Berater zu beauftragen. Die Kosten dafür liegen meist bei etwa 100 Euro.
„Die Rente maximieren sollte jeder – immerhin geht es um das Einkommen für den Rest des Lebens"
Peter Knöppel, Rentenberater und Fachanwalt für Sozialrecht, Halle (Saale)
Professionelle Hilfe bieten auch Sozialverbände (VdK, Sozialverband Deutschland oder Volkssolidarität); allerdings ist dann eine Mitgliedschaft nötig (Jahresbeitrag etwa 60 Euro).