... halten an. Sie geht vor, die Pferde folgen ihr. Sie hockt sich hin, die Pferde senken ihren Hals. Es ist wie Magie. Aber echt. Bäumer hat, was sich manch einer wünscht: eine starke Ausstrahlung. Ist das eine Begabung oder eine Frage der Übung? Und was hat das mit Pferden zu tun?
An einem Junitag im Münchener Cavalluna- Park verrät sie es. Die Schauspielerin, die zuletzt als Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon” mehrfach ausgezeichnet wurde, stellt ihr neues Projekt vor: eine Mediation mit Pferden. Das sei keine Therapie, kein Coaching. Sie nennt es „Atelier Escapade”. Ihr Motto dabei laute frei nach René Descartes („Ich denke, also bin ich”): „Ich fühle, also lebe ich.” Bevor die Übungen starten, fordert sie auf, „Wünsche, Träume und Visionen in sich aufsteigen zu lassen”.
Eines vorweg: Ich habe noch nie im Leben an einer Mediation teilgenommen, die auf die Wechselwirkung von Körper und Psyche abzielt. Und von Pferden hielt ich mich bisher stets fern. Nun aber befinde ich mich in der Arena, in der sonst Pferdeshows stattfinden. Zwei Tiere ohne Zaumzeug stehen in gebührendem Abstand zu mir. Noch. Bäumer zieht mit dem Fuß einen Kreis um mich im Sand und sagt: „Stellen Sie sich vor, dass das Ihr Büro ist. Sie sollen nun den Pferden zeigen, wo Sie arbeiten – aber nur von außen. Sie erlauben ihnen nicht einzutreten.”
LEIDENSCHAFT Bäumer arbeitet mit Pferden am liebsten frei, also ohne Zaumzeug
VERBINDUNG Seit zwei Jahren hat Bäumer einen eigenen Lusitano, mit dem sie sich offensichtlich gut versteht
»Ich fühle, alsolebe ich.«
Marie Bäumer, Schauspielerin
Pferde sind Meister nonverbaler Kommunikation. „Sie nehmen sensibel wahr, was wir mit unserer Körpersprache offenbaren”, so die Pferdekennerin, „und geben uns als Spiegel die Chance, mehr über uns selbst zu erfahren.” Also los. Ich wende mich den Pferden zu. Skeptisch und unsicher. Schon spiegeln sie mein Verhalten und verweigern die Mitarbeit. „Pferde spüren jede Spannung im Körper. Versuchen Sie, den Oberkörper locker zu machen und ruhig zu atmen”, rät Bäumer. „Dann gehen Sie – nur das eine Ziel vor Augen!”
Tatsächlich: Nach Kontaktaufnahme durch Streicheln, Zusprechen und eine andere Körperhaltung folgen mir die Pferde rund um mein „Büro”. Was für ein unglaublicher Moment, wenn sich so große Tiere einem vertrauensvoll anschließen! Nun aber gilt es, allein ins markierte Feld zurückzukehren. Kein Leichtes. Ein klares „Nein” oder eine Geste sei hilfreich, so Bäumer. Entschlossenheit lasse sich nicht simulieren. „Man muss wirklich überzeugt sein von sich und dem, was man will, sonst kommt die Botschaft nicht an.” Klingt banal, ist aber alles andere als einfach. Ich probiere es mehrmals. Sie versichert mir: „Mithilfe dieser einfachen Übung erfahren Sie viel über Ihre Kapazität, Raum einzunehmen, zu halten und zu verteidigen.”
Gute Haltung, bessere Atmung
Bäumer, die mit Pferd und Hund in einem Dorf nahe Avignon in Südfrankreich lebt, unterrichtet seit 20 Jahren Schauspieler. Ihre Methoden gründen darauf, Emotionen freizusetzen und „zugleich Blockaden zu lösen, was über die Atmung und die Körperhaltung erzielt wird”. Eine Initialzündung, ihre Arbeit mit Pferden zu verbinden, sei die Arte-Doku „Zwei im Wilden Westen” gewesen, für die sie quer durch die USA geritten ist. So habe sie eine zweijährige Ausbildung als Pferdemediatorin absolviert, um „anderen Menschen zu vermitteln, wie sie ihr Potenzial freilegen können – mit Pferden als Ko-Trainer”.
Noch eine Übung: Ich soll auf einem Strich von A nach B gehen. Ein Pferd steht im Weg. Ich zögere nach einigen Metern. Nichts passiert. Mit der richtigen Körpersprache – „aufrechter Kopf, langer Nacken, gerader Rücken, leicht nach vorn geneigtes Becken, schwingende Arme, tiefes Ein- und Ausatmen” – könne man das Pferd dazu bringen, sich zu bewegen, rät Bäumer. Es sei nur eine Sache der Energie und Klarheit. Ja, sie hat recht. Nächster Versuch: Schon einen Meter, bevor ich bei ihm angekommen bin, macht das Pferd den Weg frei. Ein starkes Gefühl!
Wann und wo das Atelier Escapade mitMarie Bäumer stattfindet – und was der Cavalluna-Park sonst noch bietet
Vom Schmied bis zum Pferde-Spa: Im Cavalluna-Park in München gibt es alles zu sehen, was zum Pferdealltag gehört. Darunter auch verschiedene Pferderassen – vom Minipferd bis zum Shire Horse. Man kann einen Blick hinter die Kulissen des Showreiterlebens werfen, interaktiven Wissensspaß und Mitmachaktivitäten erleben: Montag – Freitag 10 – 18 Uhr, Sonnabend und Sonntag 10 – 19 Uhr, cavalluna-park.com.
Marie Bäumers Atelier Escapade findet auf dem Reiterhof des Cavalluna- Parks bei Freising an diesen Terminen statt (je 10 Teilnehmer): 31. August, 1. September, 5., 6. Oktober, 2-Tage-Atelier am 19. – 20.10. Methode: individuelles Arbeiten für jeden Teilnehmer zu Bewegung, Raum, Verbindung. Preis: 480 € (1 Tag), 920 € (2 Tage) mit Verpflegung, ohne Unterkunft. Info & Buchung: horses@atelier-escapade.com
FOTOS: S. 24-25: ANDREA HERZOG (GR.), PRIVAT; S. 26: ANDREA HERZOG, SEBASTIEN MANIGOU