FOTOS: INSTAGRAM@KATIEPIPER_ (4), SHUTTERSTOCK, PRIVAT
Trotz zahlreicher Operationen war Katies Gesicht über Jahre entstellt
Mit jedem Eingriff schöpfte sie neuen Lebensmut
Bitte töte mich!“ Der Notizzettel, den Katie Piper (34) im Londoner Royal Fee Hospital ihrer Mutter zusteckt, ist der Ausdruck purer Verzweiflung. Die junge Frau will sterben – weil sie die unfassbaren Schmerzen nicht mehr ertragen kann. Die damals 24-Jährige wurde Opfer eines Säure-Attentats. Weil sie einen Mann zurückgewiesen hatte! Rückblick: Für Familie Piper beginnt der Albtraum, als am 31. Mai 2008 das Telefon klingelt. Ihre Tochter sei mit Schwefelsäure übergossen und ins Krankenhaus eingeliefert worden, teilt man ihnen mit. „Wir rannten nachts aus dem Haus, machten uns auf den Weg zum Krankenhaus und wussten nicht, was uns erwartet“, erinnert sich Katies Mutter Diane.„Ich war so schockiert, als ich Katie sah, ich konnte nicht einmal weinen!“ Wie konnte so etwas Schreckliches nur passieren? Katie arbeitete als Model und wollte ihre Karriere als Fernsehmoderatorin vorantreiben. Via Facebook kontaktierte sie eines Tages ein Mann namens Danny Lynch. Er bombardierte sie mit Liebesbekundungen, und sie fingen an, sich zu treffen. Als Katie auf Abstand gehen wollte, sperrte er sie ein. Er schlug und vergewaltigte sie. Er drohte, ihrer Familie etwas anzutun, wenn sie den Fall der Polizei melden würde. Und dann kam der 31. Mai. Lynch stiftete seinen besten Freund, Stefan Sylvestre, zu einem Attentat mit Schwefelsäure an.„Im Krankenhaus versuchten die Ärzte, ihr Gesicht zu waschen. Überall waren Menschen, unzählige Cremes und Tuben. Wir standen da und glotzen nur. Wir konnten nicht fassen, dass es unsere Katie war“, erinnert sich Mama Diane. „Ihre angestrebte Karriere, ihre gesamte Zukunft basierte auf ihrem Aussehen. Es war, als hätte man einem Pianisten die Finger abgehackt.“ Katie verlor ihre Augenlider, den Großteil ihrer Nase und einen Teil ihres Ohrs. Auch ihre Speiseröhre, ihre Hände und ihre Brust nahmen erheblichen Schaden. Sie musste eine Maske aus Spenderhaut tragen. Weil die Schmerzen nicht einmal mit Morphium erträglich gewesen wären, wurde sie für zwölf Tage in ein künstliches Koma gelegt. Diane und David blieben an der Seite ihrer Tochter. Sieben Wochen lang. Als Diane von ihrer Tochter den Zettel mit der Bitte, sie zu töten, erhielt, fasste sie einen Entschluss: Sie fing an, Tagebuch zu führen. „Ich wollte ihr zeigen, dass das nicht das Ende ist. Es war nur der Anfang, und das Buch diente als Beweis.“ Nach einem Monat zeigte sie Katie zum ersten Mal ihre Notizen. Und Katie fing an, neuen Mut zu schöpfen. „Wann immer ich depressiv wurde, sah ich mir die Fotos an und dachte mir: Du bist so weit gekommen. Du darfst jetzt nicht aufgeben.“ Zehn Jahre ist das nun her. Mehr als 250 operative Eingriffe waren nötig, um ihr Gesicht, ihre Brust sowie ihre Hände wiederherzustellen. Heute lebt Katie wieder in London, arbeitet erfolgreich als Moderatorin, ist Mutter von zwei Töchtern. Und sie gründete eine Stiftung, um anderen Opfern zu helfen. Das alles hat sie ihrer Mutter zu verdanken. „Ohne sie wäre ich heute nicht mehr am Leben.“
„Ich spürte, wie sich mein Gesicht auflöst“
Katie Piper