... Doch was versteht man eigentlich genau darunter? Von einem Klimawandel spricht man, wenn sich das Klima auf der ganzen Erde verändert. Das kann gewissermaßen auf „natürlichem Wege“ geschehen – etwa durch fulminante Vulkanausbrüche in der Vergangenheit. Doch der Klimawandel, um den es in unserer Zeit geht, ist einer, den wir Menschen durch unsere Lebensweise maßgeblich hervorrufen oder zumindest beschleunigen.
Die Temperaturen steigen und das Ozonloch wächst. Weltweit verändern sich dadurch ganze Ökosysteme – und somit die Lebensräume und Lebensbedingungen vieler Tierarten. Jedes einzelne Grad, um das die Temperatur steigt, hat Auswirkungen. Und jede Tierart, jede Pflanzenart muss reagieren. Den einen gelingt das besser, den anderen schlechter. Und wie bei einer langen Reihe von hintereinander aufgestellten Dominosteinen kann die Temperatur, die um ein einziges Grad steigt, der erste Dominostein sein, der fällt, und der eine ganze Reihe ungeahnter Folgen hat.
“Rund die Hälfte aller Tierarten wird mittelfristig dem Klimawandel zum Opfer fallen”
Auf dünnem Eis
„Rund die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten in den weltweit bedeutendsten Naturregionen wird mittelfristig dem Klimawandel zum Opfer fallen“, sagt Dr. Arnulf Köhncke, Artenschutz-Experte der weltweit arbeitenden Natur- und Umweltschutzorganisation WWF. Und er erläutert: „Das ist das Ergebnis einer Studie des WWF und der Universität East Anglia in Großbritannien. Sollte die menschengemachten Emissionen an Treibhausgasen wie bisher fortschreiten, würde jede zweite Art bis zum Jahr 2080 aus den untersuchten Gebieten verschwinden.“ Die Hälfte aller Tierarten in den nächsten 60 Jahren? Eine mehr als bedrückendeVorstellung. Ein Blick rund um den Globus zeigt uns, wie sich die Erwärmung des Klimas auf sehr unterschiedliche Ökosysteme und Lebensräume auswirkt. Am offensichtlichsten – auch für den Laien – sind die Veränderungen im ewigen Eis der Antarktis und in der Arktis. Dort, an den Polen unseres Planeten, schmilzt den Tieren der Lebensraum buchstäblich unter den Pfoten weg. Das Eis in der Antarktis schrumpft heute bereits sechsmal so schnell wie in den 1980er-Jahren – also vor gerade einmal 30 Jahren. Und die Arktis, Heimat der Eisbären, erwärmt sich noch schneller als irgendein anderer Ort auf der ganzen Welt. Wenn das Eis dort schmilzt, dann verschwindet aber nicht nur der Lebensraum vieler Tierarten. Der Meeresspiegel wird durch das Schmelzwasser insgesamt ansteigen, was andernorts für verheerende Überschwemmungen und das Überfluten ganzer Ökosysteme sorgen wird. Davon sind dann wiederum Menschen und Tiere an völlig anderen Orten der Erde betroffen – zum Beispiel der Tiger in Bangladesch und Indien. Denn: Wenn es um den Klimawandel geht, dann hängt alles mit allem und jeder mit jedem zusammen. Besonders schnell könnten sogenannte „endemische Arten“ vom Aussterben betroffen sein. Endemische Arten kommen nur in einem sehr begrenzten Gebiet vor. Diese Arten haben keine Chance, auf andere Gebiete auszuweichen. Verschwindet ihre Heimat, dann verschwinden sie selbst unweigerlich mit. Laut eines im Fachmagazin Science erschienenen Artikels sind etwa in Australien und Neuseeland mehrere Tierarten akut gefährdet, weil der Ozean das Ausweichen auf andere Lebensräume unmöglich macht. Unmittelbar betroffen sind zum Beispiel die Neuseeländische Brückenechse (Bild 1), der Goldschultersittich (Bild 2) und das Lumholtz-Baumkänguru (Bild 3).
“Jedes Grad, um das sich die Erde erwärmt, hat weitreichende Veränderungen zur Folge”
MÄCHTIGER ZUWACHS Orcas stoßen in die zunehmend eisfreien Gebiete der Arktis vor. Doch neue Arten wirbeln das bestehende Ökosystem gehörig durcheinander
1 KLEINER RADIUS Die Neuseeländische Brückenechse hat noch 0,1 Prozent ihres ursprünglichen Lebensraumes zur Verfügung
2 KLEINE FAMILIE Vom Goldschultersittich gibt es noch weniger als 2.000 brütende Paare
3 KLEINE HEIMAT Das Lumholtz-Baumkänguru lebt in einem einzigen Gebiet in Australien
“Tiere auf engem Raum können nicht einfach woandershin ausweichen”
Auch direkt vor unserer Haustür, in der heimischen Natur, sind die Folgen des Klimawandels sichtbar. So brüten die einheimischen Singvögel inzwischen aufgrund der milden Winter wesentlich früher. Für sie ist das ganz praktisch, denn so haben sie die besten Brutplätze schon besetzt, wenn die Überwinterer aus Afrika – etwa Kuckuck oder Mauersegler – zurückkehren. Für ebendiese bietet sich dadurch aber ein großer Nachteil, was wieder zeigt: Auch wenn Veränderungen für einzelne Arten postitiv sein können – für das große Ganze sind Ökosysteme, die ins Wanken geraten, eindeutig negativ. Die Folgen werden nicht nur für die Tiere, sondern auch für uns Menschen deutlich spürbar sein. Immerhin teilen wir uns alle den Lebensraum Erde. Doch die gute Nachricht kommt jetzt zum Schluss: Wir können noch etwas tun! Was und wie viel, das haben wir selbst in der Hand. Auch Kleinigkeiten bewirken etwas: Jeder eingesparte Strom, jede Strecke, die wir zu Fuß gehen, und jede Kauf-Enscheidung haben eine Wirkung. Jede Flugreise, auf die wir verzichten, oder ein Veggie-Tag pro Woche. Wäre es nicht schön, wenn auch unsere Kinder und Enkelkinder in einer Welt aufwachsen könnten, in der viele wunderbare und einzgartige Tiere leben? Gemeinsam können wir das schaffen.
WASSER TANKEN Elefanten benötigen große Mengen an Wasser pro Tag. Doch durch die Erderwärmung versiegen die Flüssigkeitsspeicher
Drei Fragen an:
Dr. Arnulf Köhncke, Leiter Artenschutz beim WWF (World Wildlife Fund)
1. Welche Tiere trifft der Klimawandel besonders hart?
Es ist schwer, einzelne Tierarten zu benennen, da der Klimawandel fast alle Arten treffen wird. Es handelt sich hier nicht nur um Tiere in kalten Klimazonen oder Ökosystemen, wie Eisbären in der Arktis oder Schneeleoparden im Himalaya. Laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES ist die Klimakrise die drittstärkste Bedrohung für die Artenvielfalt. Beispielsweise könnten die Bestände des Afrikanischen Elefanten deutlich zurückgehen aufgrund steigender Temperaturen und sinkenden Niederschlages. Elefanten trinken pro Tag 150 bis 300 Liter und sind auf eine hohe Wasserverfügbarkeit angewiesen. Auf ganz andere Weise betroffen sein werden die Tiger in den Sundarban-Mangrovenwäldern Bangladeschs und Indiens. 96 Prozent ihres Verbreitungsgebiets werden bei einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 4,5 Grad mittel- bis langfristig unter dem steigenden Meeresspiegel verschwinden.
2. Welche einheimischen Tierarten sind betroffen?
Auch in Deutschland und Mitteleuropa sind Tierarten von den Auswirkungen der Erderhitzung betroffen. Ihre bevorzugten Lebensräume verschieben sich nach Norden oder, falls sie im Gebirge leben, hangaufwärts. Für viele europäische Vogelarten werden sich die Brutgebiete nach Nordosten verschieben. Auch löst die Erderhitzung Störungen im Beziehungsgeflecht der Arten aus. Die Siebenschläfer beenden ihren Winterschlaf heute bis zu vier Wochen früher als vor 30 Jahren und beziehen ihre Bruthöhlen eher. Die sind jedoch noch von Singvogelarten wie Trauerschnäpper, Meise oder Kleiber belegt, deren Bruten nun häufiger gefressen werden. Ein weiterer Verlierer des Klimawandels ist der vom Aussterben bedrohte Auerhahn. Er findet im Winter weniger Fichten- und Kiefernadeln als Nahrung, da diese Baumarten nordwärts ziehen. Als schwerer Standvogel kann er nicht mitziehen.
3. Was sind die Konsequenzen für den Menschen?
Neben Naturkatastrophen würden die Menschen spüren, wenn Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Die Vielfalt der Erde ist unsere Lebensgrundlage. Wir sind von einer funktionierenden Natur abhängig. Sie liefert uns Wasser, Nahrung und wichtige Ressourcen. Wenn Bienen und Insekten verschwinden, ist die Bestäubung von Obstbäumen in Gefahr. Wenn Fischbestände kollabieren, ist die Versorgung mit Proteinen gefährdet. Intakte Natur ist die beste Vorsorge gegen Krankheiten und Pandemien. Zerstören wir Ökosysteme, nehmen die Risiken der Krankheitsübertragung zu.
Was kann ich tun?
1. Weniger tierische Produkte
Fast 70 Prozent des Klimafußabdrucks unserer Ernährung sind auf tierische Produkte zurückzuführen. Dazu gehören Fleisch, Milch, Joghurt oder Eier. Einmal die Woche auf Fleisch zu verzichten, entspricht umgerechnet der eingesparten Menge an Treibhausgasen einer etwa 900 Kilometer langen Autofahrt.
2. Thema Auto
Viele gefahrene Strecken sind nicht länger als drei Kilometer. Nutzen Sie für Kurzstrecken das Rad oder gehen Sie zu Fuß. So purzeln nicht nur die CO2-Kilos, Sie tun auch etwas für die Gesundheit. Außerdem tragen Sie zu sauberer Luft in Städten bei. Alternative: Bus und Bahn. Achten Sie beim Autokauf auf niedrigen Treibstoffverbrauch bzw. niedrige CO2-Emissionen. Verabschieden Sie sich falls möglich von fossilen Verbrennungsmotoren und steigen auf ein Elektro-Fahrzeug um. Oder Sie nutzen den öffentlichen Nahverkehr oder Car-Sharing-Angebote.
3. Energiesparende Geräte
Achten Sie beim Kauf von Elektrogeräten (Kühlschränke, Waschmaschine) auf die Effizienzklassen und kaufen Sie nur Klasse A+ bis A+++. Achten Sie bei der Benutzung Ihrer Haushaltsgeräte auf einen energiesparenden Betrieb. Verwenden Sie beim Kochen einen Deckel, nutzen Sie Sparprogramme und niedrige Temperaturen bei Spül- bzw. Waschmaschine, und verzichten Sie auf einen Wäschetrockner. Im Kühlschrank reicht eine Temperatur von 6 bis 7 Grad und in der Gefriertruhe von minus 18 Grad aus.
3. Geld sinnvoll einsetzen
Wechseln Sie gegebenenfalls zu einer Bank, die ethische und ökologische Kriterien bei ihren Finanzaktivitäten in den Vordergrund stellt. Sie entscheiden, ob Ihr Geld zur Zukunft unseres Planeten positiv beiträgt oder die Ausbeutung der Natur unterstützt. Mehr Hilfsmöglichkeiten auf Seite 67.
WWF: Artenschutz international
Menschen, die sich für Tiere und die Erhaltung ihres Lebensraumes in den wertvollsten Ökosystemen unserer Erde einsetzen, brauchen unsere Hilfe!
Als eine der bedeutendsten Umwelt- und Artenschutzorganisationen der Welt ist der WWF in vielen Projekten aktiv, die Klimawandel und Artenschutz zum Thema haben. Jede Unterstützung, jede Spende, jede Tier-Patenschaft hilft. Schauen Sie auf www.wwf.de rein und klicken Sie dann auf „Helfen & Spenden“ oder „Themen & Projekte“.
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